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frei. So hast du die Chance die nächsten Wochen zu nutzen, um etwas Neues zu finden. Ich bin mir sicher, dass dir die Firmen da draußen zu Füßen liegen werden.« Er unterstrich seine Aussage mit einer ausladenden Handbewegung.

      »Aber wie soll das denn hier ohne Assistentin funktionieren?«, startete ich einen hilflosen Versuch meinen Job zu retten. Ich fühlte mich plötzlich unendlich nutzlos. Das konnte doch nicht alles gewesen sein. Von wegen Familie. Nun räusperte sich Thorsten, der bisher das Gespräch still verfolgt hat.

      »Also es ist so, die Projektleiter werden einige Aufgaben selbst übernehmen müssen, wie beispielsweise ihre Reiseplanung und den Rest werden wir mit einer Teilzeitstelle abdecken.«

      Hoffnung keimte in mir auf. Es war also doch noch nicht alles verloren.

      »Ich reduziere auch meine Stunden. Das ist immer noch besser als ganz auf der Straße zu stehen. Mensch, ihr habt mir ja einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«

      Nun setzte ich mich doch an den kleinen runden Besprechungstisch. Meine Beine waren ganz wackelig. Doch bevor ich mich entspannen konnte, ergriff Thorsten erneut das Wort.

      »Nein, also es ist so, dass meine Frau aus der Elternzeit zurückkehrt und uns hier stundenweise unterstützen wird. Tut mir wirklich leid, Leni.« Er schaute betreten zu Boden und ich war sprachlos. So lief das also.

      »Das ist nicht euer Ernst, oder?«

      »Es tut uns wirklich leid.«

      Wie in Trance stand ich auf, nahm den Umschlag mit der Kündigung entgegen und ging in mein Büro zurück. Gekündigt. Abserviert. Einfach so. Ich konnte es noch gar nicht fassen. Dürfen die das denn einfach so? Ich wusste nicht ob ich heulen, oder vor Wut platzen sollte. Jan war nicht im Büro, als ich zurückkam. Das war auch gut so. Ich brauchte nun erst einmal Zeit für mich. Noch fünf Wochen Gnadenfrist. Ob das reichte, um mir etwas Neues zu suchen? Nachdem ich meine Sachen gepackt hatte, verließ ich schnell und ohne mich zu verabschieden die Agentur und ging nach Hause.

      Erst als ich die Wohnungstür aufschloss und mich im Flurspiegel betrachtete, brach ich in Tränen aus. Den ganzen Weg nach Hause war ich stark, sagte mir immer wieder 'Leni, du bist gut. du wirst in nullkommanix was Neues finden.' Aber nun beschlich mich die pure Angst. Was sollte ich tun, wenn es nicht so einfach war? Dann musste ich meine schöne Wohnung, in der ich mich so wohlfühlte, aufgeben. Alles würde sich verändern. Panik machte sich in mir breit.

      Ich rief Nina an. Sie schaffte es bestimmt mich aufzumuntern. Mist, es klingelt durch. Wieso ist sie nie da, wenn ich sie brauche? Ich probierte es bei Caro, aber auch hier Fehlanzeige. Es meldete sich nur der Anrufbeantworter, also legte ich auf. Da half nur Giuseppe. Giuseppe war ein guter Freund, Helfer in allen Lebenslagen, Fels in der Brandung und Seelentröster. Mein Giuseppe, ein guter Schluck davon löste meine Probleme zwar nicht, aber er ließ sie mich für einen Abend lang vergessen.

      Abgetaucht

      Uaaah. Was ist denn das für ein Krach hier? Langsam richtete ich mich im Bett auf. Mein Kopf brummte wie ein ganzer Bienenstock. Und der Wecker auch. Ich hatte vergessen ihn auszuschalten. Zur Arbeit musste ich ja heute nicht. Ich drehte mich also um, kuschelte mich wieder in meine Kissen und versuchte weiterzuschlafen. Und während ich mich in den Decken hin und her wälzte, war mit einem Mal alles wieder da. Wie ein Film lief das gestrige Gespräch mit Michael und Thorsten in meinen Gedanken ab. Mir wurde wieder klar, was gestern geschehen war und dabei wurde mir speiübel. Also schlurfte ich ins Bad. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich es mit meinem Lieblingsprosecco Giuseppe wohl etwas übertrieben hatte. Ein blasses Wesen, mit tiefen Ringen unter den Augen, blickte mir entgegen. Ich war traurig und wütend zugleich. Bis gestern dachte ich noch ein unersetzbarer Teil der Agentur zu sein und heute sah ich mich schon heruntergekommen in der Agentur für Arbeit nach einem Job betteln. Aus den Lautsprechern tönte die Stimme meiner Eltern 'Siehst du, das haben wir doch gleich gesagt, dass dieses Werbezeugs nichts zum Geldverdienen ist.' Ich schüttelte den Gedanken ab und ließ kaltes Wasser, erst über meine Handgelenke laufen, dann über mein Gesicht. Das tat gut. Meine Gedanken kreisten aber weiter. Ich konnte einfach nicht fassen, dass es ausgerechnet mich getroffen hatte. Ich hatte immer das Gefühl, wertgeschätzt zu sein. Die Agentur war wie eine Familie für mich. Über einen Plan B hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Wieso auch?

      Die nächsten Tage igelte ich mich komplett ein und hing fast den ganzen Tag vor der Glotze. Von Wintersportwettbewerben, zur Küchenschlacht, den Nachmittags-Telenovelas, die einem heile Welt vorspielten und dann weiter zum Vorabendprogramm. Das Telefon ließ ich klingeln. Ich konnte nicht über das Geschehene sprechen. Noch nicht. Nach dem ersten Schock musste ich erst einmal selbst meine Gedanken sortieren. Nina und Caro hatten mich ein paar Mal versucht zu erreichen und auch Mama hatte auf den Anrufbeantworter gesprochen, um nachzuhören wann ich an Weihnachten nach Hause komme. Aber mir war nicht nach Reden, ich suhlte mich lieber in meinem Selbstmitleid.

      So konnte es nicht weiter gehen. Soviel war klar. Fast eine Woche war nun schon vergangen. Es fiel mir unglaublich schwer, wieder etwas Struktur in meinen Tag zu bringen. Von allein würde sich sicher keine Joboption auftun. Ich musste endlich diese Trägheit abschütteln und mich aufraffen.

      Also ging ich am heutigen Morgen zuerst ins Bad, um mein Ego ein wenig zu pushen. Ich gönnte meinem Gesicht ein Peeling, was die Wangen gleich etwas rosiger aussehen ließ, rasierte mir die Beine, cremte mich ein und legte zum Schluss ein leichtes Make-Up auf. Die Haare band ich zu einem praktischen Zopf und setzte mein Lieblings-Cap auf. Das sah doch gleich schon etwas besser aus. Damit hatte ich zwar den halben Vormittag vertrödelt, aber es fühlte sich nun nicht mehr ganz so nach Hartz Vier an. Mir fiel hier allmählich einfach die Decke auf den Kopf.

      Nach meinem kleinen Verwöhnprogramm ging ich ins Arbeitszimmer und schaltete den Laptop ein. In den gängigen Suchportalen waren sicher einige Jobs, auf die ich mich bewerben könnte. Und es wäre an der Zeit meine Bewerbungsunterlagen zusammenstellen. Ich war etwas aus der Übung, aber im Internet ließen sich sicher einige Tipps ergoogeln. Das Ergebnis war erschütternd. Stepstone, Monster & Co. warfen für München gerade mal drei offene Stellen aus. Da waren meine Chancen doch gleich null. Zu wenig Erfahrung und im potenziellen Alter, Nachwuchs zur Welt zu bringen, waren nur zwei Gründe erfahrenen Karrierefrauen oder nach Erfolg strebenden Männern den Vorzug zu geben.

      Kurzentschlossen entschied ich mich zu Nina zu fahren. Ich brauchte jemanden mit dem ich reden und den ich um Rat fragen konnte. Danach würde es mir vielleicht besser gehen und dann blieb mir noch genug Zeit, mich um die Bewerbungsunterlagen zu kümmern. Die leisen Zweifel, dass ich damit die Jobsuche nur weiter auf die lange Bank schieben würde, erstickte ich schnell im Keim.

      Es war kurz nach zwei, als ich bei Nina eintraf. Sie öffnete mir die Tür, zwar überrascht mich um diese Uhrzeit zu sehen, aber sie wirkte auch etwas gestresst. »Hallo Leni, was machst du denn hier? Das ist ja eine Überraschung. Hast du Urlaub? Ich hatte Anfang der Woche schon versucht dich zu erreichen, doch nur deine Mailbox erwischt.«

      »So ähnlich, schön dich zu sehen. Passt es gerade? Tut mir leid, dass ich mich vorher nicht angemeldet habe.«

      »Schon gut. Max schläft noch, das heißt, wenn wir Glück haben, bleibt uns Zeit für einen Kaffee.«

      Oh, wie gnädig dachte ich, schob den Gedanken aber schnell beiseite, schließlich war ich ja diejenige die die letzten Tage das Telefon nicht abnahm und jedes Gespräch umging. Ich ging hinter Nina in die Küche und machte es mir auf der Sitzbank gemütlich, während Nina Milch für Latte Macchiato aufschäumte. »Also, was machst du hier, unter der Woche, im Sport-Look? Hast du dir einen Tag frei genommen und genießt den schönen Wintertag?«

      »Hm, erzähl ich dir gleich. Kann ich dir noch etwas helfen?«

      »Nee, bin fertig«, entgegnete Nina und kam zu mir an den Tisch, auf dem Tablett zwei Latte Macchiato und natürlich das Babyphon, das sich auch just in diesem Moment durch ein Knacken bemerkbar machte. »Warte mal Leni, ich schaue nur kurz nach Max und bin gleich wieder da.« Ich hing gerade meinen Gedanken nach, als sich Nina mir gegenüber hinsetzte und mich fragend

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