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und eine Umkleide untergebracht waren; alles sehr sauber, ordentlich und noch ziemlich neu.

      „Bitte, der hier gehört dem Simon. Er ist nicht verschlossen, meine Jungs brauchen ihre Sachen nicht einzuschließen, hier kommt nichts weg.“

      Frau Krugs Telefon klingelte und während sie sprach, durchsuchte Leo die wenigen Habseligkeiten in Raus Spind. Außer einer Jacke, ein paar Sicherheitsschuhen und einem Buch war nichts weiter darin. Leo klebte trotzdem ein Polizeisiegel auf die Tür, die Spurensicherung sollte sich den Spind ebenfalls vornehmen.

      „Hatte Herr Rau einen Wagen?“

      „Ja sicher. Aber der ist nicht hier auf dem Hof, Simon ist gestern damit nach Hause gefahren.“

      „Wir hätten gerne die Personalakte von Herrn Rau. Und dann müssen wir uns natürlich mit Ihren Mitarbeitern unterhalten.“

      „Es ist jetzt gleich Mittag. Wenn Sie wollen, können Sie hier im Aufenthaltsraum auf die Jungs warten, ich bringe Ihnen die Personalakte.“

      Leo beobachtete, wie Frau Krug vor dem Büro mit einem ihrer Angestellten sprach.

      Waltraud Westenhuber und Leo Schwartz mussten tatsächlich nicht lange warten, pünktlich um 12.00 Uhr kamen die fünf Mitarbeiter, die sie einen nach dem anderen befragten. Alle waren bestürzt über die Todesnachricht, aber keiner kannte Simon Rau näher oder hatte privat mit ihm zu tun.

      „Der Simon war noch nicht lange bei uns, und er war ein Reingschmeckter,“ sagte Kurt Schmidt, der einen fürchterlichen Dialekt sprach und deshalb von Frau Westenhuber befragt wurde. „Der hat uns aber allen schon mal geholfen und eine Schicht übernommen, deshalb haben wir ihn akzeptiert und er gehörte schnell zu uns. Aber genauer gekannt habe ich ihn nicht, wir sind über das Geschäftliche nie drüber raus.“

      „Herr Rau kam nicht von hier?“

      „Nein, der hat sich zwar bemüht, bayrisch zu sprechen, aber an manchen Ausdrücken hat man gemerkt, dass der nicht von hier ist.“

      „Haben Sie ihn nicht gefragt, woher er kommt? Was er vorher gemacht hat? Wie er lebt? Interessiert man sich nicht näher für Kollegen, mit denen man zusammenarbeitet?“

      „Nein, warum auch? Es hat mich nicht interessiert. Beruflich sind wir gut zurechtgekommen. Der Simon hat eigentlich mehr im Büro gearbeitet, er verstand viel vom Papierkram, mit dem von uns keiner etwas zu tun haben möchte. Aber er war ein guter Kollege, der, wie gesagt, auch schon für mich eingesprungen ist. Aber privat hatte ich mit ihm nie etwas zu tun. Ich will Ihnen mal was erklären, Frau Kommissar: Wir arbeiten den ganzen Tag in einem Höllenlärm und dazu auch noch im Dreck, da ist man froh, wenn man zur Mittagspause seine Ruhe hat. Man isst, liest Zeitung oder legt sich auch mal hin, einen ruhigen Platz findet man hier schon irgendwo. Nehmen Sie meinen Kollegen den Sepp, wir kommen aus dem gleichen Ort und arbeiten auch noch zusammen. Trotzdem unterhalten wir uns nicht über irgendetwas Persönliches, es interessiert uns einfach nicht, auch wenn Sie sich das vor allem als Frau vielleicht nicht vorstellen können.“ Natürlich konnte sich Waltraud Westenhuber das vorstellen, denn sie interessierte sich auch nicht für die privaten Dinge ihrer Kollegen und vermied es, sich irgendwelchen Tratsch anzuhören. Trotzdem schnappt man doch das eine oder andere auf, ob man nun wollte, oder nicht. Aber hier war es doch eher so, dass sich jeder nur um sich selbst kümmerte; ob nun regional bedingt oder speziell in diesem Sägewerk.

      Die Beamten ließen die Arbeiter in Ruhe, denn sie hatten sich ihre Mittagspause redlich verdient. Frau Krug hatte die Personalunterlagen noch nicht gebracht und deshalb gingen sie nochmals ins Büro, wo sie die Frau mit hochrotem Kopf bei der Manipulation der Personalakte Rau erwischten.

      „Was zum Teufel machen Sie denn da? Sind Sie verrückt geworden?“ Frau Westenhuber war aufgebracht und entriss ihr die Akte.

      „Ich wollte doch nur...“, stammelte sie.

      „Was wollten Sie? Los, raus mit der Sprache. Und erzählen Sie ja keinen Blödsinn, ich will nur die reine Wahrheit hören, sonst nehme ich Sie umgehend fest und Sie werden mich von einer sehr unangenehmen Seite kennenlernen.“ Waltraud Westenhuber war stinksauer und die Drohung wirkte.

      „Der Firma geht es nicht gut, die Osteuropäer machen mit ihren Preisen den Markt kaputt und wir müssen sparen, wo wir nur können. Was glauben Sie, was der Neubau drüben gekostet hat? Die Berufsgenossenschaft hat uns gezwungen, die Sozialräume zu bauen, sonst hätten die den Laden einfach zugemacht. Wo ich das Geld dafür hernehme, ist denen doch völlig egal. Und natürlich wird mir vorgeschrieben, dass ich meinen Leuten den Tariflohn bezahle, was ich aber nicht immer kann. Also haben wir die Arbeitsverträge ordnungsgemäß mit dem Tariflohn ausgestellt, bezahlt habe ich aber weniger. Alles habe ich bar bezahlt und meine Jungs haben quittiert. Die Sozialabgaben habe ich aber immer ordnungsgemäß abgeführt, das können Sie überprüfen.“ Sie sah hektisch von Traudl Westenhuber zu Leo Schwartz und schien auf eine Bestätigung oder irgendein Wort zu warten.

      „Fahren Sie bitte fort, Frau Krug. Ganz ruhig, wir reißen Ihnen den Kopf schon nicht ab,“ sagte Leo mit einem Lächeln, worüber Frau Krug überaus dankbar war.

      „Natürlich weiß ich, dass das nicht legal war und meine Leute schlechter bezahlt wurden, als ihnen zustand. Aber dafür durften die Jungs das Abschnittholz mitnehmen und als Brennholz weiterverkaufen, auch von dem angelieferten Brennholz, das von den Kunden nicht mitgenommen wurde, durften sie sich nehmen, so viel sie wollten. Natürlich ist das keine Entschuldigung und ich möchte mich auch nicht rausreden, aber meine Leute waren damit einverstanden und wir kamen prima über die Runden. Ich wollte doch nur die quittierten Auszahlungen an Simon korrigieren und dem Tariflohn anpassen, mehr nicht.“

      „Wir sind hier doch nicht auf einem türkischen Basar, wo man einfach so bezahlen kann, wie man will. Hierfür gibt es Gesetze und Vorschriften, an die Sie sich zu halten haben,“ schnauzte Traudl Westenhuber. „Vor allem darf man nicht einfach so Unterlagen frisieren! Wo kommen wir denn da hin, wenn man sich alles so zurecht schneidert, wie es einem gerade passt.“

      „Das weiß ich ja auch und es tut mir wirklich leid. Sehen Sie mich nicht so vorwurfsvoll an, ich muss mit meinem kleinen Betrieb sehen, wo ich bleibe. Ich mache, was ich kann. Mein Mann hat mich vor zwei Jahren verlassen, bis dahin hatte ich mit der Firma nicht das Geringste zu tun, obwohl ich das Sägewerk von meinen Eltern geerbt hatte. Mein Mann hatte damals bei meinem Vater gelernt und als wir heirateten, war es klar, dass er die Führung des Betriebes übernimmt. Und vor zwei Jahren stand ich dann da: Allein mit einem Haus, das noch nicht abbezahlt ist und mit einer Firma, die nur wenig abwarf. Übrigens ein Zustand, an dem sich bis heute nicht viel geändert hat. Ich hatte keine Ahnung von der Firma und musste alles mühsam lernen. Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich bis heute noch nicht viel von Holz und verlasse mich voll und ganz auf meine Mitarbeiter, die teilweise schon Jahrzehnte hier arbeiten, ohne sie wäre ich verloren oder hätte schon längst alles hingeschmissen. Als der Simon vor einem halben Jahr hier einfach auf der Matte stand und sich beworben hat, dachte ich, den schickt der Himmel. Er hat mir geduldig Nachhilfe in Büroarbeiten gegeben, da habe ich immer noch ganz schöne Defizite. Ich habe den Beruf nun mal nicht gelernt, ich bin gelernte Floristin und hatte noch nie viel für Büroarbeiten übrig.“

      „Warum haben Sie den Betrieb nicht einfach verkauft?“

      „Weil er zum einen nicht viel wert ist, und zum anderen habe ich eine Verantwortung meinen Mitarbeitern gegenüber. Was wird aus denen? Einige sind schon weit über Fünfzig, die stehen doch auf der Straße. Einer hat keinen Schulabschluss und ist auch nicht gerade der Hellste, aber er ist fleißig und zuverlässig; was wird aus ihm? Nein, zu verkaufen wäre zu einfach. Man übernimmt mit so einem Betrieb nicht nur die Möglichkeit, damit Geld zu verdienen. Man hat auch eine Verantwortung, der ich mich nicht entziehen kann und auch nicht möchte. Wissen Sie, ich möchte morgens in den Spiegel sehen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Natürlich würde ich meinen Leuten gerne zumindest den Tariflohn bezahlen, aber ich kann es nicht, sonst müsste ich Mitarbeiter entlassen und würde dann auch nicht mehr den Umsatz erzielen. Wer macht denn dann die Arbeit? Ich weiß, dass das mit den Arbeitsverträgen illegal ist, aber wir sind bis jetzt ganz gut damit gefahren und alle waren glücklich.“

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