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die Steuerprüfung im Haus haben, erscheinst du auf der Bildfläche! Sei ehrlich: Hast du irgendetwas hiermit zu tun?“

      Werner war sprachlos, denn diese Unterstellung war nicht nur lächerlich, sondern sehr beleidigend. Niemals würde er etwas tun, um seiner Familie zu schaden, egal, wie schlecht sie ihn auch behandelten. Er war wütend und verletzt.

      „Das glaubst du wirklich?“, schrie er seinen Vater an.

      Werners Mutter kam hinzu und stellte sich nun zwischen die beiden, die noch niemals gut miteinander auskamen. Zum endgültigen Bruch zwischen Vater und Sohn kam es, als Werner sich entschlossen hatte, nicht Jura zu studieren, sondern stattdessen zur Polizei zu gehen. Und dann hatte er noch obendrein kurz darauf diese nicht standesgemäße, inakzeptable Frau geheiratet, die ihnen ein Dorn im Auge war. Sie kam nicht nur aus einfachsten Verhältnissen. Ihre Eltern waren geschieden und sie war dazu auch noch evangelisch. Abgesehen von ihrer viel zu üppigen Figur hatte sie auch noch diese eklige Hautkrankheit, wegen der sie ständig in Spezialkliniken war und nicht arbeiten konnte. Werners Eltern waren beide davon überzeugt, dass ihr Sohn nur gegen sie als Eltern rebellieren und sie für irgendetwas bestrafen wollte, obwohl sie immer nur ihr Bestes gegeben hatten.

      „Natürlich hat Werner nichts damit zu tun, wo denkst du denn hin. Mein Lieber, du wirst in der Buchhaltung gebraucht.“ Doktor Wilhelm Grössert ging brummend davon. Er war mit der Situation völlig überfordert, denn so eine Prüfung hatte es in seiner Kanzlei noch niemals gegeben, auch nicht bei seinen Eltern und Großeltern, die diese Kanzlei schon vor vielen Jahren gegründet hatten. Vor allem störte sich Doktor Grössert daran, wie die Finanzbeamten mit ihm umgingen und ihn wie einen Verbrecher behandelten – zumindest kam es ihm so vor, obwohl die Beamten nur ihre Arbeit machten und ihn nicht anders behandelten wie jeden anderen auch. Aber er war es nun mal nicht gewöhnt, Anweisungen entgegenzunehmen und Unterlagen rauszurücken, die er partout nicht hergeben wollte. Für seine Begriffe waren diese Leute unerlaubte Eindringlinge, die hier nichts zu suchen hatten. Zum Glück hatte er vor zwei Tagen von einem Freund während einer Golfpartie einen Tipp bekommen und konnte so entsprechende Unterlagen und pikante Dinge noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Nicht auszudenken, wenn er diese Möglichkeit nicht gehabt hätte!

      „Du musst deinen Vater verstehen, er meint es nicht so,“ sagte seine Mutter und zog Werner zur Seite. „Warum konntest du das hier nicht verhindern? Du hast es mir versprochen und ich habe mich auf dich verlassen,“ sagte sie vorwurfsvoll.

      „Ich habe nichts dergleichen versprochen und das weißt du auch. Ich habe zugesagt, bezüglich dieser Steuerprüfung nachzuhaken und das habe ich auch getan.“ Werner Grössert war sauer und gekränkt, dass sein Vater ihn beschuldigte, mit dieser Steuerprüfung etwas zu tun zu haben. Aber so oder so ähnlich behandelten sie ihn schon sein Leben lang und er fühlte sich in Gegenwart seiner Eltern stets unwohl und vermied die Treffen mit ihnen so oft er konnte. Auch jetzt wollte er so schnell wie möglich weg von hier und fragte sich, warum er überhaupt gekommen war, denn wie so oft war er nicht willkommen und seine Eltern behandelten ihn wieder sehr unfreundlich. Trotzdem beschloss er, die Information seines Schulfreundes weiterzugeben.

      „Diese Steuerprüfung wurde aufgrund einer anonymen Anzeige angesetzt. Dem Finanzamt wurden Unterlagen zugespielt, die diese Prüfung offenbar dringend erforderlich machen. Was ist hier los? Was habt ihr zu verbergen? Um welche Unterlagen geht es?“

      Der Mund seiner Mutter stand offen und für einen kleinen Moment schien sie die Fassung zu verlieren, fing sich aber schnell wieder.

      „Was redest du da für dummes Zeug. Da musst du etwas falsch verstanden haben, du hast bestimmt wieder nicht richtig zugehört. Dein Vater und ich haben nichts zu verbergen, rein gar nichts. Und jetzt entschuldige mich, ich habe noch zu tun. Du findest ja alleine raus. Danken kann ich dir nicht, denn du hast im Grunde genommen nichts für uns getan. Schade eigentlich, ich hatte deine Position und deinen Einfluss wohl völlig überschätzt.“

      Seine Mutter war enttäuscht und sauer, das war klar. Trotzdem steckte mehr hinter der ganzen Sache und der musste er nachgehen. Dass ihn seine Mutter eben beleidigte, war ihm völlig egal, daran war er gewohnt.

      Auf der Fahrt ins Präsidium dachte er darüber nach, dass er eigentlich seinen Eltern bei der Gelegenheit die Neuigkeit mitteilen wollte, dass sie Großeltern werden, aber er hatte es sich anders überlegt. So, wie die beiden die letzten Jahre mit ihm und vor allem mit seiner Frau umgegangen waren, wollte er es ihnen wenigstens ein bisschen heimzahlen: Er würde ihnen davon überhaupt nichts sagen, über kurz oder lang erfuhren sie es von anderen. Und das traf die beiden bis ins Mark, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Seine Frau war bestimmt nicht damit einverstanden und wenn sie davon erfuhr, musste er sich todsicher eine Standpauke anhören. Sie war einfach zu gutmütig und wollte für alle immer nur das Beste. Sie nahm seinen Eltern ihr Verhalten nicht übel und ertrug die kleinen Demütigungen und Sticheleien mit einem Lächeln. Gerne wäre Werner oft für seine Frau in die Bresche gesprungen und hätte sie in Schutz genommen, aber seine Frau hatte es ihm verboten, sie wollte keinen Streit nur wegen ihr. Er liebte seine warmherzige, gutmütige Frau und war sehr stolz auf sie. Sie ertrug diese Demütigungen und ihre Krankheit tapfer und ohne zu klagen - diese Frau war das Beste, was ihm in seinem Leben widerfahren ist. Und jetzt wurde sein Glück auch noch durch dieses Baby, dieses Wunder übertroffen. Er war sehr glücklich und pfiff ein fröhliches Lied. Und er musste laut lachen, als er sich die Gesichter seiner Eltern vorstellte, wenn sie von Fremden erfuhren, dass seine Frau schwanger ist und sie Großeltern werden! Sein Vater und vor allem seine Mutter taten alles Erdenkliche dafür, dass sie in der Öffentlichkeit gut dastanden und spielten allen allzu gerne die heile Familie vor. Das würde wie ein Schlag ins Gesicht seiner Eltern werden. War das fies von ihm? Nein, das hatten sie beide verdient!

      Pfeifend und gut gelaunt parkte er seinen Wagen vor dem Präsidium. Auch heute hatte er den roten Kleinwagen nicht bemerkt, der ihm gefolgt war und der unweit entfernt parkte. Er war spät dran und ging direkt in den Besprechungsraum, wo die anderen bereits ungeduldig auf ihn warteten.

      Sein Chef Rudolf Krohmer sah demonstrativ auf seine Armbanduhr und warf ihm einen strengen Blick zu. Seine neue Vorgesetzte Waltraud Westenhuber rührte in ihrem Kaffee und war ebenfalls nicht erfreut über seine Verspätung, denn Geduld war nicht gerade ihre Stärke. Den anderen war es egal. Es handelte sich lediglich um zwanzig Minuten und sie machten keine große Sache daraus. Werner würde schon seine Gründe haben.

      „Dann können wir ja endlich anfangen,“ begann Rudolf Krohmer. „Die Tatwaffe ist eine 9 mm Makarow. Die Waffe ist bei uns noch nie aufgetaucht. Die Bilder der Tätowierungen wurden bereits durch den Kollegen Schwartz der Vermisstenfahndung angefügt – irgendwelche Reaktionen hierauf?“

      Leo Schwartz schüttelte den Kopf.

      „Von der Pathologie München bekamen wir eine sehr wichtige Information. An dem Toten wurden jede Menge Spuren von Nadelholz gefunden, und zwar von Tannen.“

      „Die gibt es am Alzufer nicht,“ rief Friedrich Fuchs, der von Frau Westenhuber zur Besprechung dazu gebeten wurde.

      „Sind Sie sicher?“

      „Natürlich bin ich mir sicher. An unseren Gewässern gibt es kein Nadelholz. In höheren Lagen, also in den Bergen durchaus, aber bei uns nicht.“

      „Vielleicht hatte der Tote etwas mit Holzarbeiten zu tun? Waldarbeiter, Zimmermann, Schreiner oder Ähnliches,“ sagte Leo.

      „Seinen Händen nach zu urteilen hatte er keine schweren, handwerklichen Arbeiten ausgeführt. Die Hände waren sauber und gepflegt. Ich tippe eher auf einen Bürojob.“

      „Ein wichtiger Hinweis. Irgendwelche Informationen bezüglich organisiertem Verbrechen hier in der Gegend?“, fragte Frau Westenhuber den Kollegen Hiebler.

      „Wie bitte?“, rief Krohmer. „Bei uns? Nein, das kannst du vergessen, das hätten wir mitbekommen.“

      Werner fühlte sich durch seinen Chef in seiner Meinung bestätigt und lehnte sich demonstrativ mit verschränkten Armen zurück.

      „Warum denn nicht?“, antwortete Waltraud Westenhuber patzig. „Im Milieu wird sehr gerne

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