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mich für einen Verstoß, den ich nicht nur nicht begangen habe, sondern nicht im Entferntesten zu begehen beabsichtige, aber ich akzeptiere dein strenges Urteil. Morgen Nachmittag werde ich etwas mehr Zeit auf die Zubereitung unseres Abendmahls verwenden können, meine Liebste. Darf es Pizza geben? Ich werde Bericht erstatten und du wirst sehen, dass ich sowohl mit Haut und Haar als auch mit meinen unversehrten Keuschheitsresten vor dir stehen werde. Übrigens, ich denke du dämonisierst Marie Hartmann. Sie ist gewiss eine attraktive Frau, aber sie wirkt sehr zurückhaltend.“ Damit stand Rick auf und begann das Geschirr abzuräumen. „Pass auf, Rick, sie ist nicht dumm. Sie weiß, wie sie sich anstellen muss um bei dir zu punkten.“

      Als am nächsten Abend Jennifer aus der Dusche kam, holte Rick seine Riesenpizza aus dem Ofen und schnitt sie in Kreissektoren. Dann schaufelte er jeweils zwei Stücke auf Jennifers und seinen eigenen Teller. Danach stellte er seinen grünen Salat auf den Tisch. „Es handelt sich um eine Thunfischpizza“, sagte er mit fragendem Blick. „Ich hoffe, dass du Thunfisch essen darfst.“ „Aber selbstverständlich, Rick. Das riecht herrlich!“ „Hoffen wir, dass die Pizza und der Salat so gut schmecken, wie sie riechen. Guten Appetit!“

      „Und was gibt es als Nachspeise?“ „Honigmelone-Stücke und vielleicht etwas Erotisches, wenn ich dein Verhör bestehe. Ich glaube, ich habe sehr gute Chancen, als völlig unschuldig aus dem Verhör hervorzugehen.“ „Und was führt dich zu dieser Annahme?“ „Bei der Zusammenarbeit in ihrer Wohnung heute, wurde mir klar, dass Marie Hartmann erotisch bestens versorgt ist. Dazu braucht sie einen armen Wicht wie mich nicht.“ „Und woran hast du das erkannt?“ „Wir hatten gerade mit der Arbeit begonnen, als ein imposanter Herr im Anzug die Wohnung betrat, auf sie zukam, sie auf die Stirn küsste und ihr mitteilte, er müsse unerwartet zu einem Gespräch nach Denver fahren. Dann ging er in das Nebenzimmer, offensichtlich sein Arbeitszimmer, kam wieder mit einer Mappe in den Händen herein, steckte sie in seine Aktentasche und verließ die Wohnung mit der Mitteilung, er werde erst spät zurückkommen.“ „Ach, das wird der Rechtsanwalt sein, mit dem sie liiert ist. Ob er ahnt, dass sie es auch mit einem Assistenzprofessor in der Geschichtsfakultät treibt, weiß ich nicht. Vielleicht macht es allen drei nichts aus, dass sie mal mit dem einen, mal mit dem anderen Sex hat.“

      „Auf jeden Fall hielt Marie es nicht für nötig, mich ihrem Liebhaber vorzustellen. Sag mal, weißt du, wo sie so viel Geld herhat, dass sie sich eine solch luxuriöse Wohnung leisten kann?“ „Ja, das weiß ich. Sie stammt ursprünglich aus Topeka Kansas. Ihr Vater besitzt dort eine sehr große Saatgutfirma. Er behandelt sie äußerst großzügig. Der reiche Herr finanzierte ihr zum Beispiel ein Studienjahr in Göttingen. Seitdem sie wieder in den USA weilt, stellt er ihr einen monatlichen Betrag zur Verfügung, mit dem du wohl ein ganzes Jahr auskommen könntest. Du, deine Pizza schmeckt wieder vorzüglich und der Salat ist köstlich. Ich nehme an, du weigerst dich immer noch mir das Rezept für die Soße zu verraten.“ „Ja, ich bedaure, es handelt sich um ein Betriebsgeheimnis.“ „Hast du den Sportwagen gesehen, den sie fährt?“ „Ja, das wird der rote Flitzer gewesen sein, der vor dem Haus stand, in dem sie ihre Luxuswohnung hat.“

      Rick dachte einen Augenblick nach und fuhr dann fort: „Aber sag mal. Woher weißt du all die Details über ihr Leben. Man könnte denken, du seiest eine Verwandte von ihr oder gar ihre Vertraute und das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“ Jennifer schnitt sich ein Stück Pizza ab und schob es sich in den Mund. Sie kaute langsam, bevor sie aufschaute und sagte: „Rick, jetzt muss ich dir etwas erzählen, was ich dir ersparen wollte: Bevor ich dich kennen lernte, war ich mit einem Jurastudenten liiert. Er heißt Marvin Harper und hat eine Wohnung in einem Haus an der Baseline. Ich wohnte dort ein halbes Jahr mit ihm zusammen. Schließlich entdeckte ich, dass er eine Fernbeziehung zu einer Frau unterhielt, die in Housten als Rechtsanwältin bei einer Ölfirma arbeitet. Er fuhr in den Semesterferien immer wieder dorthin und wohnte dann bei ihr, was ich seinerzeit nicht ahnte. Seine Beziehung verheimlichte er mir. Eines Tages erschien die Juristin vor seiner Wohnungstür um ihn zu besuchen. Sie hatte ihren Besuch nicht angekündigt und wollte ihn überraschen. Marvin war gerade nicht da, und als ich die Tür öffnete, standen wir einander gegenüber. Ich dachte zunächst, es handle sich vielleicht um eine Verwandte von ihm, und sie schien sehr überrascht, mit einer Frau konfrontiert zu werden. Ich bat sie herein und wir kamen ins Gespräch. Schnell wurde uns beiden klar, dass der liebe Marvin uns beiden übel mitgespielt hatte. Wir verstanden uns recht gut. Ich sagte ihr, dass ich sofort ausziehen wollte, und das tat ich auch. Ich lud meine wenigen Habseligkeiten in meinen VW-Käfer und fuhr zu Annabelle. Sie wohnt in einem kleinen Haus in der Nähe der Uni. Sie hat einen kleinen Anbau, wo ich so lange unterkam, bis ich diese Kellerwohnung fand. Dass ich Marvin verlassen musste, störte mich wenig. Er war gut im Bett, wie man so sagt, und lieb, aber das Zusammenleben mit ihm war sonst ziemlich öde und kochen konnte er auch nicht.“

      „Dein vormaliges Liebesleben ist zwar recht ergreifend, aber was hat die Geschichte mit Marie Hartmann zu tun?“ „Nur etwas Geduld, mein lieber Rick, das kommt gleich. Etwa eine Woche, nachdem ich bei Marvin eingezogen war, eröffnete er mir, dass er einige Zeit zuvor eine Affäre mit Marie beendet hatte, dass sie ihn schnöde abserviert hatte. Er war ziemlich verbittert. Dass sie ihm den Laufpass gegeben hatte, schien sein Ego erschüttert zu haben. Auf jeden Fall hatte er ein großes Bedürfnis, sich über ihren fiesen Charakter, wie er sich ausdrückte, zu beklagen. Manche Wehklagen musste ich mir anhören und so erfuhr ich eine ganze Menge über Marie.“

      „Sag mal, weißt du, warum sie perfekt Deutsch sprechen kann? Sie spricht wie eine geborene Deutsche. Ja, sie beherrscht die Sprache so gut wie du und ich.“ „Das ist kein Wunder. Wie wir ist sie mehr oder minder zweisprachig aufgewachsen. Der Opa Hartmann wanderte um die Jahrhundertwende in die USA ein und wurde in Kansas so wohlhabend, dass er eine Saatgutfirma gründen konnte. Obwohl nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg es eigentlich verpönt war, wurde zu Hause weiterhin Deutsch gesprochen. Maries Vater sowie die Onkel und Tanten sprachen alle Deutsch und Englisch als Muttersprache. Auch Maries Vater, der eine deutschstämmige Frau heiratete, achtete darauf, dass seine Kinder die Sprache der alten Heimat beherrschten.“ „Mir ist aufgefallen, dass sie mit einem norddeutschen Akzent spricht. Sie sagt zum Beispiel nicht „Hamburg“, sondern „Hamburch“. „Ja, die Familie stammt aus Norddeutschland, aber ich weiß nicht genau wo.“

      „Ist ja nicht wichtig. So, wir haben heute unsere Zusammenarbeit beendet, die Gefahr, die du an die Wand gemalt hast, ist gebannt. Sie war die ganze Zeit sehr zurückhaltend. Sie scheint, wie ich schon sagte, erotisch bestens versorgt zu sein. Morgen präsentieren wir unsere Überlegungen und wollen erläutern, welche Absicht Grass mit der Darstellung von Mahlkes zerrissener Persönlichkeit verwirklichen will.“

      „So, heute Abend gibt es als Nachspeise Mangostücke bestreut mit Kokosraspeln und vielleicht etwas Erotisches, wenn du mir gnädig bist. Übrigens, was deine Beichte über deine Affäre mit Marvin Harper anbetrifft, kann ich dich beruhigen: Was du mit Männern erlebtest, bevor wir uns kennen lernten, geht mich gar nicht an und stört mich auch nicht. Damit ist auch dieser Punkt geklärt.“

      „Rick, da ist etwas faul an der Sache. Du bist zu vollkommen. Du hast fast nur positive Züge: Du schmeißt den Haushalt, du kochst, kaufst ein und bist meistens gut gelaunt. Wo ist der Haken?“ „Ach, Jennifer, jeder kompensiert seine Schwächen, so gut er kann, auf seine Weise.“ „Und welche Schwächen hast du?“ „Das erzähle ich dir lieber nicht. Meinst du, ich stoße dich mit der Nase darauf? Vielleicht bleiben sie unentdeckt.“ „Mir ist nur aufgefallen, dass du auf deine Routine angewiesen bist. Du musst zum Beispiel jeden Morgen deinen Sport machen und ich denke nicht, dass es dir nur um die Pflege deiner Muckis geht. Mir scheint, dass du vielleicht ein wenig neurotisch bist. Du benutzt die Routine als Lebensstütze, als Lebenssicherheit.“

      Rick stand auf und fing an den Tisch abzuräumen. Er schaute Jennifer mit gerunzelter Stirn an. „Das mag stimmen, aber du lenkst von meiner Frage ab“, sagte Rick, als er die Desserttellerchen mit der Mangonachspeise auf den Tisch stellte. „Wie sieht’s aus mit dem erotischen Gang? Darf ich dich vernaschen?“ „Mit etwas mehr romantischem Feingefühl, wenn ich bitten darf! Nicht so grob! Und außerdem will ich es etwas genauer wissen. Bist du etwas neurotisch, deiner Meinung nach?“

      Rick legte seinen Dessertlöffel auf

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