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      Die Reaktion des Innenmininsters war wieder eine Art Gewalt in seiner Sprache zu demonstrieren, indem er sagte, daß die Sicherheitskräfte in der Lage sind, jederzeit diese extremen Gruppierungen vollständig zu vernichten (Vgl. Weltgeschehen II/93; S. 130).

      Ich sehe, daß die politische Unterdrückung und der ständige Einsatz von Gewalt, den Extremgruppierungen mehr gedient hat als ihnen geschadet. Dazu war die Dialoglosigkeit und die extremen Verhaltensweisen der Politiker und der Sicherheitskräfte ein nicht geringer Beitrag zur Etablierung der Fundamentalisten in der ägyptischen Gesellschaft.

      Als zweiter wichtiger Beitrag zur weiteren Entwicklung dieser radikalen Gruppierungen in Ägypten war der Golfkrieg. Dieser Krieg hatte mit all seiner verursachten Problematik zu einer Verstärkung der Position der Fundamentalisten in Ägypten beigetragen.( Vgl.: Tibi: a.a.O.; S. 24) Die Konflikte, die durch diesen Krieg entstanden sind, waren laut Tibi eine Vertiefung und eine weitere Politisierung des bestehenden Grabens zwischen der Welt des Islam und dem Westen. Die Fundamentalisten haben dadurch eine klare Stellung gewonnen, daß eine Neuordnung des Nahen Ostens nur durch Bekämpfung der bestehenden Weltordnung, die sie als eine westlich dominierte Ordnung darstellen, zu realisieren ist.(Ebenda) Eine weitere Ursache der Stärkung der ägyptischen Fundamentalisten, die ebenfalls

      durch den Golfkrieg zu beklagen ist, war die steigende Arbeitslosigkeit in Ägypten und somit die Milliarden Dollar Verluste, die durch die Rückkehr von rund 700.000 Arbeitskräften, die bisher in Kuwait und im Irak gelebt und ihre Löhne in die Heimat überwiesen hatten (Vgl. Weltgeschehen II/93; S. 131). Weiters waren die Wirtschaftsreformen im Jahre 1991 des IWF für die ägyptische Bevölkerung schmerzhaft und trugen somit zur Erhöhung der sozialen Spannung innerhalb der ägyptischen Gesellschaft bei(Weltgeschehen II/93; S. 133).

      Präsident Mubarak versuchte die gespannte soziale Lage durch eine Amtsansprache an die ägyptische Bevölkerung zu beruhigen, indem er die Notwendigkeit dieser schmerzhaften Sparmaßnahmen rechtfertigte. Er setzte sich in dieser Ansprache mit der Bedeutung des Islam auseinander, da er geglaubt hat, daß er mit der Diskussion auf Grundlage der islamischen Religion bessere Chancen hat, die Aufmerksamkeit der Mehrheit des ägyptischen Volkes zu gewinnen. Er sagte, daß die Muslime für Frieden und Fortschritt in ihren Ländern sorgen sollten, und somit einen ehrenvollen und würdigen Status der islamischen Nation wiederherstellen müßten, und das kann nur in einer Atmosphäre der Stabilität realisiert werden (Vgl. Weltgeschehen II/93; S. 134).

      Die Rede des Präsidenten hat in keinerweise die Situation entspannt, sondern es kam danach zu einem Zusammenstoß zwischen der Bevölkerung und der Polizei in der Provinz Assiut. Dabei wurden 14 Personen getötet. Der ägyptische Großmufti (Der oberste islamische Rechtsgelehrte) betonte, daß jene, die gegen den Frieden und die Stabilität des Landes mit Gewalt vorgehen, sind keine Muslime.(Weltgeschehen II/93; S. 136-137).

      In diesem Zusammenhang schrieb die FAZ: Das Zusammenwirken vom wiedererwachenden Islam und sich verschlechternder Wirtschaftslage verschafft den Fundamentalisten in Ägypten seit einigen Jahren Auftrieb. Bei einer Geburtenrate von 2,7 % wächst die Arbeitslosigkeit unaufhaltsam. Die Durchschnittseinkommen verharren auf niedrigem Niveau, wegen der Rezession und der fehlenden Investitionspolitik seitens der Regierung (ebenda).

      Die Eskalation erweiterte sich auf andere Teile des Landes und die Anschläge waren gezielt gegen Touristen gerichtet, um die politische Lage des Regimes zu schwächen. Diese Anschlagsserie hat in der Reisesaison 1993/1994 rund eine Milliarde Dollar eingebüßt. Der Fremdenverkehr war um 45 Prozent zurückgegangen (Vgl. Standard 29.9.1994; S. 4).

      Schriftsteller und Intellektuelle wurden nicht davon verschont. Dem Literatur-Nobelpreisträger NAGIB MACHFUS wurde mit einem Messer in den Nacken gestochen und dabei schwer verletzt, weil er immer wieder seine Ablehnung gegen den religiösen Fanatismus betont hat(Vgl. FAZ 15.10.1994; S. 6).

      Toleranzlosigkeit, Entschlossenheit und Gewalt gegen alle Schichten in der ägyptischen Gesellschaft, die die Gedanken dieser extremen Gruppierungen ablehnen, wurden von den Fundamentalisten angewendet, denn sie betrachten sich als Verteidiger des Islam. Zur Rechtfertigung ihrer Gewalt berufen sie sich auf die islamische Doktrin des Gihad, und rechtfertigen ihre Handlungen damit, daß der Islam die Anwendung von Gewalt im Rahmen der Dawa (des Aufrufs zum Islam) zuläßt (FAZ 6.3.1995; S. 8). Die islamischen Gelehrten teilen diese Auffassung nicht, vor allem Scheich AL AZHAR bestreitet heftig die Äußerung und macht darauf aufmerksam, daß der Islam eine Religion des Friedens sei, die Gewalt verwerfe. Die Geschichte des Islams hat immer gezeigt, daß die Muslime gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit gekämpft haben. Die Muslime haben die Fähigkeit zu unterscheiden, zwischen Gihad und Harb (Krieg). Die deutsche Übersetzung von Gihad mit „Heiliger Krieg“ ist deshalb falsch, weil Gihad auch friedlich ausgeübt werden kann etwa durch Überzeugung oder Anstrengung (ebenda). Es ist absolut verboten, daß der Islam mit Feuer und Schwert verbreitet wird, denn im Hinblick auf den Glauben darf nach dem Koran (2, 256) kein Zwang ausgeübt werden, und die Art und Weise wie alle Menschen zum Islam aufgerufen werden sollen, ist im Koran (16. 125) sehr deutlich vorgeschrieben:

      „Lade ein zum Weg deines Herrn mit Weisheit und mit schöner Rede und diskutiere mit ihnen auf die beste Weise“. Der Gihad als Gesetz von Staat und Ernte, wie von ABU RIDA Muhammad IBN AHMADIBN RASSOUL beschrieben wurde, und wie ich ihn im Laufe meines Lebens als Muslim verstanden habe, bedeutet es weder Krieg noch hat es einen heiligen Charakter, und zwar aus dem einfachen Grund, daß Krieg im islamischen Verständnis niemals heilig ist. Die Fundamentalisten wissen nicht, daß der Gihad strengen Einschränkungen und Regeln unterliegt. So dürfen Muslime keine Aggression ausüben. Der Koran sagt eindeutig „Und begeht keine Übertretungen. Allah liebt die Aggressionen nicht“ (2, 190) vor allem verbietet der Islam die Tötung von Menschen, wenn sie sich nicht auf einen Akt der Verteidigung bezieht. Am strengsten ist der Islam mit dem Verbot der Tötung von Muslimen durch Muslime. Der Koran sagt deutlich: „Und wer einen Gläubigen tötet, dessen Lohn ist die Hölle, darin wird er ewig weilen“

      (4, 93). Die Fundamentalisten haben in den vergangenen Jahren hunderte von Muslimen mit dem Hinweis getötet, sie seien nur nominelle Muslime. Nach dem Koran gilt jedoch jeder Mensch als Muslim, der die Schahada leistet (Bezeugung der Einheit Gottes und daß Mohammed sein Prophet ist). Der Rest des Glaubens gehört in das Gebiet der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Es ist nicht möglich, daß ein Muslim einen anderen, der die Schahada leistet, den islamischen Glauben abzusprechen, denn das Töten eines solchen Muslims ist kein Gihad, sondern Mord, für den der Koran das Verweilen in der Hölle als Strafe androht (FAZ 6.3.1995; S. 6). Die Terroraktionen werden aus dem Hinterhalt ausgeübt, was nach dem Koran als Idwan (Aggression) gilt. Scheich AL AZHAR, GADUL HAQQ ALI GAQDUL HAQQ hat den Versuch unternommen, ein Verständnis der Friedensethik im Islam zu etablieren, indem er mit seinem Fetwa die Tatsache hervorhebt, daß die Idee des Gihad an sich nicht gleichbedeutend mit dem Krieg zu übersetzen ist. Der tägliche Gihad gegen die Ignoranz, die Armut, gegen Krankheit und Leiden und die Suche nach Wissen ist die höchste Stufe des Gihad (ebenda). AL AZHAR versucht die DAWA zum Islam als Auferlegung des Islams auf andere zu betrachten: „Die DAWA ist ein Angebot, daran teilzunehmen, kein Zwang.“ Der Glaube kann nicht mit Gewalt auferlegt werden. Die frühen in Mekka offenbarten Verse „Ihr habt eure Religion und ich habe meine“, erinnern an die Bemühung, die DAWA von jeglicher Verbindung mit Gewalt oder Krieg zu trennen (ebenda). Anders als AL AZHAR-Gelehrte Auffassungen hat uns die Realität bewiesen, daß die Fundamentalisten sehr stark dazu neigen, die rigide, wortlautgetreue Autorität des Textes wiederherzustellen. Dieses Verhalten und der Einfluß der Fundamentalisten war sehr deutlich im Skandal um die hintertriebene Beförderung ABU ZAID zum ordentlichen Professor der Universität Kairo im Jahre 1992 (Vgl. Orient 1/94; S. 40). ABU ZAID ist Sprachwissenschaftler, der sich mit dem Islam und mit der Textinterpretation des Korans auseinandergesetzt hat. Er meint, daß die Sprache des Korans wie die Sprache eines jeden anderen Textes, nicht in sich selbst deutlich, insofern als der gedankliche und kulturelle Horizont des Lesers für das Verstehen des Textes und daher zum Erzeugen seiner Bedeutung hinzukommt.( Nasr Hamid ABU ZAID: Islam und Politik; Frankfurt 1996; S. 20) Er geht davon aus, daß jeder der die Zeichen (AYAT) Gottes als solche bezeichneten Verse des

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