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schon gern von einer Hexe und einem Blutsauger in der Familie?“, spöttelte ihr Mann. „Was für ein ungewöhnliches Paar!“ Er drückte seiner Frau einen Kuss auf die Wange. „Manchmal geht das auch gut.“

      „Verhöhne kein Mitglied unserer Familie!“, wies sie ihn zurecht. „Wir wollen alle in Ehre halten!“

      Der Vater plauderte trotzdem weiter und schmückte die Geschichte weiter aus. Er war nicht zu bremsen.

      Das Gehörte versetzte mich in Unruhe. Mein Blut geriet in besondere Wallung und ich linste erneut zu dem Bild. Gern hätte ich es in die Hand genommen und genauer untersucht, was sich jedoch nicht ziemte. Dafür stupste Raven das Foto abermals an und stierte mich geradezu menschlich an. Es drohte vom Board zu fallen.

      Bella sprang hinzu, um das Bild vor den Attacken des Katers zu retten.

      „Und jetzt runter mit dir!“ Sie setzte den Kater auf den Boden ab, der widerspenstig mit den Krallen nach ihr kratzte. Missgelaunt verzog er sich.

      Bellas kurzer Rock hatte sich beim Bücken ein wenig hoch verschoben. Ich konnte nicht anders und musste auf das Höschen sehen, das leicht hervorlugte. Wer würde einem solchen Anblick widerstehen?

      Leider bemerkte Bellas Mutter diesen Blick. Ich tat, als wäre es bloß Zufall, wohin ich schaute. Runzelte sie die Stirn?

      „Da hat unser Tantchen aber keine guten Chancen!“, griff der Vater das unterbrochene Gespräch wieder auf. „Irgendwann muss auch sie vor dem Willen der Natur aufgeben und sterben. Nicht jede Liebe endet mit einem Happy End.“ Er blickte versöhnlich zu seiner Frau hinüber und sie schenkte ihm sogar ein Lächeln. Wer konnte sich nach so einem Glücksfall auch streiten? Die beiden liebten sich trotz aller Schwierigkeiten. Würden Bella und ich uns eines Tages genauso anlächeln?

      Wieder wollte der Vater ein Märchen über die Tante erzählen. Die Mutter lenkte jedoch vom Thema ab, indem sie endlich den Kuchen servierte. Ihr war die Geschichte etwas peinlich. Sie hatte genug davon.

      Die Gespräche, das seltsame Verhalten des Katers und das Bild der alten Frau hatte jedoch erneut etwas in meinem Unterbewusstsein bewirkt. Mir wurde plötzlich so schwindelig, dass ich die Finger um die Lehnen krampfte.

      „Lex, du siehst blass aus“, sagte Bellas Mutter mitfühlend. „Gruseln dich diese alten Märchen? Schon beim letzten Mal hast du so merkwürdig gewirkt, als du das Bild von Großtante Gaya sahst! Man könnte denken, es gibt ein geheimnisvolles Band zwischen euch“, versuchte sie allem eine scherzhafte Wendung zu geben. Bella musterte mich nun offen. Glaubte sie ebenfalls, dass es zwischen mir und dieser Tante eine Verbindung gab?

      „Stell die alte Hexe bloß woandershin!“, forderte ihr Mann sie auf. „Bei ihrem Anblick bekommt Alex scheinbar Angst.“

      „Bitte sag nicht so was über die liebe Großtante!“, schimpfte die Mutter. „Sonst löst das noch ein Unglück aus!“ Sie bekreuzigte sich und spuckte dreimal symbolisch zur Seite, um Schaden abzuwenden. Selbst Bella machte ein Kreuz nach der christlicher Sitte.

      „Ja, das ist gut möglich“, stimmte der Hausherr zu und sah mich an. „Von irgendwoher muss meine Frau ihre besondere Gabe schließlich haben. Sie kann tatsächlich etwas Traumdeuten. Ich hoffe nur, dass Bella nicht auch dergleichen geerbt hat. Sie interessiert sich auffällig viel für Hexerei.“ Diese rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Diese Wendung gefiel ihr nicht so gut. „Lass das bitte, Papa! Wer glaubt denn in der heutigen Zeit an so etwas“, lenkte sie geschickt ab.

      Raven war inzwischen auf den Sessel gesprungen und wandte uns demonstrativ den Rücken zu. Erst jetzt fielen mir einzelne graue Strähnen in seinem Fell auf. Ravenhort hatte auch solche in seinem langen Haar gehabt.

      „Sprich lieber wieder von den Lottozahlen!“, forderte die Gattin ihren Ehemann auf. „Dabei kannst du weniger falsch machen!“

      Bellas Vater ließ sich auf diesen Themenwechsel nur zu gern ein. Mit den glänzenden Augen eines Glückspilzes schilderte er uns jedes Detail der Ziehung. Es war erstaunlich, wie facettenreich er die Drehung des Rades beschreiben konnte. Da die Erzählung ungewöhnlich lang war und mich auf meinem Weg zum Glück nicht weiterbrachte, schweiften meine Gedanken zu Bella, die links neben mir saß. Auch sie langweilte der Bericht über die Kugeln, dennoch zeigte sie sich höflich. Nur selten schaute sie in meine Richtung und ein Lächeln musste ich lange suchen, wie Goldmünzen im Wald.

      Bellas Mutter bediente uns mit dem Kaffee und einer zweiten Portion der köstlichen Kuchen. Während die Sahnestückchen auf unseren Zungen zerflossen, lauschten wir kauend dem unendlich langen Monolog des Vaters.

      In der Luft lag jedoch nicht einzig der Geruch der Speisen. Da Bella direkt neben mir saß, konnte ich jede Nuance ihres wundervollen Odems, einer Mischung aus Parfüm und dem Duft ihrer Haut, genießen. Für einige Herzschläge verlor ich mich in diesem schönen Duftlabyrinth. Die Worte des Vaters nahm ich lediglich wie das Geplätscher eines Flusses wahr, an dessen Ufern man entspannte.

      Du musst mehr wagen, schoss es mir durch den Kopf. Sie hatte mir doch bereits den Handkuss gewährt. Nur der Kühne erringt Erfolg.

      Meine hübsche Nachbarin hatte ihre rechte Hand müde auf ihr Bein abgelegt. Diesen Augenblick nutzend, griff ich unter dem Tisch und langte ganz zärtlich nach den Fingern – so als berührte ich sie rein zufällig.

      Für einen Moment erstarrte Bella. Sie merkte genau, was ich tat und wagte es nicht, den Kopf zu mir zu wenden. Wie hypnotisiert blickte sie auf den Mund ihres Vaters. Lediglich die Wangen färbten sich ein wenig.

      Sie entzog sich nicht meiner heimlichen Intimität. Mein Herz füllte sich mit Hoffnung. Überließ sie mir tatsächlich ihre Hand? Ich glaubte sogar ein leichtes Streicheln zu spüren. Sie drückte ihre Finger stärker, jedoch sacht gegen meine. Die besondere Nähe, diese Zärtlichkeit und ihr wundervoller Geruch machten mich innerlich fast manisch. Ich wollte noch mehr von ihr haben, ihr noch näher sein. Selbst der Speichel lief mir im Mund zusammen, sodass ich ihn wiederholt schlucken musste. Bekam ich etwa Lust, ihr süßes Blut zu trinken?

      Erschrocken wehrte ich diesen wahnsinnigen Gedanken ab, der mich schon wiederholt ergriffen hatte. Ich wollte gerade ihre Hand loslassen – aber da ergriff sie die meine noch fester. Erst jetzt spürte ich, dass etwas in ihrer Hand lag, das sie mir geben wollte. Die Kühle und die Konsistenz verrieten, dass es sich um einen kleinen zusammengefalteten Zettel handelte. Hatte sie eine Nachricht an mich geschrieben, eine Botschaft, einen Liebesbrief? Natürlich wollte ich ihn gleich lesen. Bedauerlicherweise war das im Augenblick nicht möglich.

      „… und dann rollte die letzte Kugel“, hörte ich den Vater mit ungebrochener Begeisterung weitererzählen. „Vor Aufregung konnten wir die Zahl nicht erkennen, weil sie aus zwei Ziffern bestand …“

      „Schatz, du beginnst unseren Gast zu langweilen“, versuchte die Mutter zu unterbrechen.

      „Freund!“, korrigierte ihr Gatte.

      „Dann eben unseren Freund zu langweilen“, murrte seine Frau und servierte mir ein drittes Stück Kuchen.

      „Vielen Dank, doch mehr bekommt mir nicht gut!“, wehrte ich ab. „Außerdem habe ich gleich einen wichtigen Termin.“

      „Dann packe ich noch ein wenig Kuchen für deine Familie ein“, meinte Bellas Mutter konsterniert.

      Ungeduldig wartete ich, während sie mit übertriebener Liebenswürdigkeit ein fettes Päckchen für Fiona schnürte und mit allerlei Schleifchen versah. Endlich war das Paket fertig. Bella begleitete mich zur Tür. Eine Freudenblase stieg in mir hoch – die jedoch schnell platzte. Denn leider ließen es sich die Eltern nicht nehmen, sich uns anzuschließen. So wurde mir ein alleiniger Augenblick mit meiner Liebsten, die mir ihre Hand überlassen hatte, verwehrt. Ich umarmte alle drei zum Abschied. Zuerst den Vater, dann die Mutter, danach meine Holde.

      Der wunderbare Moment währte viel zu kurz. Andererseits begehrte ich sie so sehr, dass es besser war zu gehen, bevor ich etwas vollkommen Verrücktes tat.

      Kaum war die Tür geschlossen, öffnete ich den Zettel.

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