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brachte den Champagner. Die Gäste tranken jeder ein Glas, beendeten das Spiel, rechneten ab und verabschiedeten sich voneinander.

      »Ihre Kompanie soll morgen eine Streife durch den Wald unternehmen?« fragte der Fürst Poltorazkij.

      »Ja – warum?«

      »Nun, dann sehen wir uns morgen,« sagte der Fürst mit leichtem Lächeln.

      »Sehr angenehm,« sagte Poltorazkij, der gar nicht recht verstanden hatte, was Woronzow zu ihm sagte, und nur an den Händedruck dachte, den er sogleich mit Maria Wassiljewna austauschen würde.

      Die Fürstin drückte nicht nur Poltorazkijs Hand, sondern schüttelte sie auch nach ihrer Gewohnheit recht kräftig. Sie kam noch einmal auf den Fehler zu sprechen, den er beim Spiel gemacht hatte, als er fälschlicherweise mit Karo herauskam. Und auf ihrem Gesichte lag dabei ein Lächeln, das ihm ganz besonders freundlich und verheißungsvoll erschien.

      Als Poltorazkij nach Hause ging, befand er sich in einer begeisterten Stimmung, die nur jemand begreifen kann, der gleich ihm in der großen Welt aufgewachsen ist und nach monatelangem rauem Kriegsdienst wieder einer Frau aus jener Welt, noch dazu einer Frau wie der Fürstin Woronzow, begegnet.

      Als er an das Häuschen kam, in dem er mit einem Kameraden wohnte, stieß er mit dem Fuße gegen die Außentür, doch die Tür war verschlossen. Er begann zu klopfen, aber niemand öffnete. Er ward ärgerlich und stieß nochmals mit dem Fuße und dem Säbel gegen die verschlossene Tür. Hinter der Tür ließen sich Schritte vernehmen, und Poltorazkijs leibeigener Diener Wawila schob den Riegel zurück.

      »Wie kommst du auf einmal darauf, die Tür zu verriegeln? Tölpel!«

      »Es kann doch so leicht jemand eindringen Alexej Wladimiro …«

      »Bist wieder mal betrunken, was? Wart', ich will dich lehren …«

      Er wollte Wawila einen Schlag versetzen, besann sich jedoch eines anderen.

      »Na, hol' dich schon der Teufel. Mach' Licht.«

      »Sofort, im Augenblick …«

      Wawila war in der Tat betrunken, er war beim Zeugunteroffizier zur Namenstagsfeier gewesen.

      Als er nach Hause gekommen, hatte er so allerhand Vergleiche zwischen seinem eigenen Leben und dem Leben des Zeugunteroffiziers Iwan Matwjejewitsch angestellt. Iwan Matwjejewitsch hatte seine schönen Einnahmen, war verheiratet und hoffte, nach einem Jahre seinen Abschied zu bekommen.

      Wawila dagegen war als Knabe von der Herrschaft ins Haus genommen worden, und er zählte bereits vierzig Jahre und war noch immer nicht verheiratet, sondern mußte mit seinem liederlichen Herrn dieses elende Lagerleben führen.

      Er war ja kein böser Mensch, sein Herr, er prügelte ihn nur selten einmal, aber was für ein Leben war das im Grunde genommen! Er hatte versprochen, sobald er aus dem Kaukasus nach Hause käme, ihm den Freibrief zu geben, aber was sollte Wawila mit dem Freibrief anfangen?

      »Ein Hundeleben ist's,« dachte Wawila, und weil er sehr schläfrig war, beschloß er, sogleich zu Bett zu gehen. Da er jedoch fürchtete, es könnte jemand kommen und etwas stehlen, so hatte er der Vorsicht halber den Riegel vorgeschoben.

      Poltorazkij betrat das Zimmer, in dem er mit seinem Kameraden Tichonow zusammen schlief.

      »Na, hast du verspielt?« begann Tichonow, der bei seinem Eintritt erwacht war.

      »Im Gegenteil – ich habe siebzehn Rubel gewonnen, und eine Cliquot habe ich mit leeren helfen.«

      »Und Maria Wassiljewna angehimmelt …«

      »Und Maria Wassiljewna angehimmelt – ganz recht …«, wiederholte Poltorazkij.

      »Es ist bald Zeit zum Aufstehen,« sagte Tichonow, »um sechs Uhr sollen wir abmarschieren.«

      »Heda, Wawila!« rief Poltorazkij, »daß du mich ja um fünf Uhr weckst!«

      »Damit Sie mich prügeln, wenn ich Sie wecke, nicht wahr?«

      »Wecken sollst du mich – hörst du, Kerl!«

      »Zu Befehl.«

      Wawila nahm die Stiefel und Kleider seines Herrn und entfernte sich. – Poltorazkij legte sich ins Bett, zündete sich lächelnd eine Zigarette an und löschte das Licht aus. Im Dunkeln sah er das lächelnde Gesicht Maria Wassiljewnas vor sich.

      Bei Woronzows schlief man nicht sogleich ein. Als die Gäste fort waren, trat Maria Wassiljewna auf ihren Mann zu, blieb vor ihm stehen und sagte streng:

      »Nun, wirst du mir jetzt sagen, wer da war?«

      »Aber, meine Liebe …«

      »Ach was, meine Liebe! Es war ein geheimer Abgesandter, nicht wahr?«

      »Und wenn es selbst der Fall war – ich darf es nicht sagen.«

      »Du darfst nicht? Gut, dann will ich es sagen!«

      »Du?«

      »Es war Hadschi Murat, nicht wahr?« sagte die Fürstin. Sie hatte bereits seit einigen Tagen von Unterhandlungen gehört, die mit Hadschi Murat geführt wurden, und vermutete nun, daß Hadschi Murat selbst bei ihrem Manne erschienen sei.

      Woronzow konnte nun nicht mehr leugnen, doch bereitete er seiner Frau eine Enttäuschung durch die Mitteilung, daß nicht Hadschi Murat selbst, sondern nur sein Abgesandter erschienen sei – er habe ihm die Nachricht überbracht, daß Hadschi Murat an der Stelle, wo im Walde das Holz gefällt würde, mit ihm zusammentreffen wolle.

      In dem einförmigen Festungsleben, daß die jungen Woronzows führten, bot dieses Ereignis immerhin eine Abwechslung, über die sie beide erfreut waren. Sie plauderten noch eine ganze Weile darüber, wie angenehm die Nachricht seinem Vater sein würde, und legten sich erst gegen drei Uhr zu Bett.

      4

      Auf der Flucht vor den gegen ihn ausgesandten Muriden Schamyls begriffen, hatte Hadschi Murat drei Nächte schlaflos verbracht, und als nun Sado ihm gute Nacht wünschte und das Zimmer verließ, fiel der Gast sogleich in tiefen Schlaf. Er schlief in seinen Kleidern, auf die Hand gestützt, den Ellbogen in die roten Daunenkissen vergrabend, die ihm der Hausherr zurechtgelegt hatte. An der Wand, ganz in seiner Nähe, hatte Eldar sich niedergelegt. Eldar lag, die kräftigen jungen Schultern breit auseinanderstreckend, auf dem Rücken, und seine hohe Brust mit den schwarzen Patronen auf der weißen Tscherkeska lag höher als der frisch rasierte, bläulich schimmernde Kopf, der von dem Kissen herabgeglitten war. Seine mit leichtem Flaum bedeckte Oberlippe stand wie bei einem Kinde ab, und sein Mund schloß und öffnete sich abwechselnd, als schlürfe er etwas. Auch er schlief, gleich Hadschi Murat, in den Kleidern, mit der Pistole und dem Dolch im Gürtel. Das Feuer im Kamin verglomm, und das Lämpchen in der Nische schimmerte kaum merklich.

      Mitten in der Nacht knarrte die Tür des Gastzimmers, Hadschi Murat fuhr sogleich empor und griff zu seiner Pistole. Sado war es, der, kaum hörbar über den Estrich schreitend, ins Zimmer getreten war.

      »Was gibt es?« fragte Hadschi Murat mit einer Miene, als hätte er überhaupt kein Auge geschlossen.

      »Wir müssen Rat halten«, sagte Sado, während er sich vor Hadschi Murat niederkauerte. »Eine Frau hat vom Dache aus gesehen, wie du ankamst, sie hat es ihrem Manne erzählt, und nun weiß es das ganze Dorf, daß du hier bist. Soeben kam die Nachbarin zu meiner Frau und erzählte ihr, daß die Ältesten in der Moschee darüber beraten, ob sie dich nicht festnehmen sollen.«

      »Dann muß ich aufbrechen«, sagte Hadschi Murat.

      »Die Pferde sind bereit«, sagte Sado und verließ rasch das Gastzimmer.

      »Eldar«, rief Hadschi Murat leise seinen Gefährten. Als Eldar die Stimme seines Murschids vernahm und seinen eigenen Namen hörte, sprang er auf die kräftigen Beine empor und schob die Lammfellmütze auf dem Kopfe zurecht. Hadschi Murat legte seine Waffen an und nahm den Filzmantel um. Eldar folgte

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