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reichen Sprache der Tschetschenzen. Bald hörten die Soldaten nicht nur die Stimmen, sondern sahen auch zwei Schatten, die im matten Schimmer der sternhellen Nacht zwischen den Bäumen hinhuschten. Der eine Schatten war länger, der andere kürzer. Als die Schatten in einer Linie mit dem Posten waren, trat Panow mit zweien seiner Kameraden, das Gewehr im Anschlag, auf die Straße hinaus.

      »Halt! Wer da?« rief er.

      »Tschetschenze, friedlich,« sagte der Kleinere der beiden Ankömmlinge, der kein anderer war als Bata. »Gewehr iok, Säbel iok,« sagte er, auf sich selbst zeigend. »Fürst sprechen.«

      Der Größere der beiden stand schweigend neben seinem Gefährten. Auch er war unbewaffnet.

      »Es werden Sendboten sein,« erklärte Panow, zu den Kameraden gewandt. »Wir müssen sie zum Oberst bringen.«

      »Fürst Woronzow sprechen, sehr nötig, große Ding«, sagte Bata.

      »Gut, wir bringen euch hin,« versetzte Panow. »Du kannst sie mit Bondarenko hinbringen,« wandte er sich zu Awdjejew.

      »Übergib sie dem diensttuenden Offizier und komm wieder zurück. Sei aber vorsichtig – laß sie immer vorausgehen!«

      »Na, da hat das hier auch noch mitzureden«, sagte Awdjejew und machte mit dem Bajonett eine Bewegung, als wollte er zustechen. »Sowie sich einer verdächtig macht, gibt es so was!«

      »Nicht doch, wir wollen ihn doch ganz hinbringen«, meinte Bondarenko.

      »Na, geht nun – vorwärts, marsch!«

      Als die Schritte der beiden Soldaten, die mit den Boten davonzogen, in der Ferne verhallt waren, begaben sich Panow und Nikitin wieder an ihren Platz.

      »Was Teufel haben die Kerle hier in der Nacht zu suchen?« sagte Nikitin.

      »Es muß wohl irgend etwas Wichtiges sein,« entgegnete Panow. »Es ist recht frisch geworden«, fügte er dann hinzu, wickelte seinen Mantel auseinander, zog ihn an und setzte sich unter den Baum, gegen dessen Stamm er sich lehnte.

      Zwei Stunden darauf kehrten Awdjejew und Bondarenko zurück.

      »Na, habt ihr sie richtig hingebracht?« fragte Panow.

      »Ja. Beim Oberst war man noch auf, wir brachten sie gleich dorthin. Sind doch ganz prächtige Jungen, diese Kahlköpfe, sag' ich dir«, fuhr Awdjejew fort. »Bei Gott! Hab' mich sehr gut mit ihnen unterhalten.«

      »Du unterhältst dich mit aller Welt gut,« sagte Nikitin mürrisch.

      »Nein, wirklich – ganz wie die Russen sind sie. Der eine ist verheiratet. ›Maiuschka,‹ frag' ich ihn – ›bar?‹ – ›Bar‹, sagte er. ›Schafe,‹ frag' ich ihn, ›bar?‹ – ›Bar‹, sagt er, ›viele.‹ ›Pferdchen,‹ frag' ich ihn, ›bar?‹ – ›Ein Paar,‹ sagt er. Und so ging es weiter. Prächtige Leute, wirklich!«

      »Was heißt da prächtig!« sagte Nikitin. »Trifft er dich irgendwo allein, dann schlitzt er dir den Bauch auf, ohne sich zu bedenken.«

      »Der Tag wird bald anbrechen,« meinte Panow.

      »Ja, die Sterne werden schon blasser«, sagte Awdjejew, sich niedersetzend. Und die Soldaten verstummten wieder.

      3

      Die Fenster der Kaserne und der kleinen Soldatenhäuschen waren längst dunkel, und nur in einem der großen Häuser der Festung waren noch alle Fenster erhellt. In diesem Hause wohnte der Kommandant des Kurinischen Regiments, Fürst Semjon Michajlowitsch Woronzow, ein Sohn des Oberstkommandierenden gleichen Namens, der als Statthalter in Tiflis residierte. Der junge Woronzow lebte mit seiner Gattin Maria Wassiljewna, einer gefeierten Petersburger Schönheit, in der kleinen kaukasischen Festung mit größtem Aufwand, wie noch nie ein Mensch in dieser Gegend gelebt hatte. Woronzow aber, und ganz besonders seiner Frau, schien es, daß sie hier nicht nur ein sehr bescheidenes, sondern geradezu ein entbehrungsvolles Leben führten.

      Jetzt, um die Mitternachtsstunde, saß der Hausherr in dem großen Salon mit dem den ganzen Fußboden bedeckenden Riesenteppich und den herabgelassenen schweren Portieren im Kreise seiner Gäste an dem von vier Kerzen erleuchteten Spieltisch und spielte mit ihnen Karten. Fürst Woronzow war ein blonder Mann mit langem Gesichte; er trug die Uniform eines Flügeladjutanten, mit Namenszug und Achselschnüren; sein Partner beim Spiel war ein Kandidat der Petersburger Universität, ein junger Mensch von mürrischem, struppigem Aussehen, den die Fürstin vor kurzem als Lehrer ihres Sohnes aus erster Ehe engagiert hatte. Ihre Spielgegner waren zwei Offiziere, der von der Garde übergetretene Kompaniechef Poltorazkij, ein Mensch mit vollem rotem Gesicht, und der Regimentsadjutant, der in auffallend gerader Haltung, mit kühlem Ausdruck in dem schönen Gesichte, dasaß. Die Fürstin Maria Wassiljewna selbst, eine stattliche Schöne von hohem Wuchs, mit großen Augen und dichten schwarzen Brauen, saß neben Poltorazkij, dessen Beine sie mit ihrer Krinoline berührte, und sah ihm in die Karten. Ihre Worte, ihre Blicke, ihr Lächeln, jede Bewegung ihres Körpers, das Parfüm, dessen Duft sie ausströmte – alles das verdrehte Poltorazkij so sehr den Kopf, daß er über ihrer Gegenwart sich selbst vergaß, beim Spiel Fehler über Fehler machte und seinen Partner immer mehr aus dem Häuschen brachte.

      »Nein, das ist nicht zum Aushalten – nun verschenkt er schon wieder ein Aß!« sagte der Adjutant und wurde ganz rot vor Ärger, als Poltorazkij aus Unachtsamkeit ein Aß abwarf.

      Poltorazkij riß, als wenn er eben aus dem Schlafe erwachte und nicht wüßte, um was es sich handelte, seine gutmütigen schwarzen Augen weit auf und sah den unzufriedenen Adjutanten groß an.

      »Nun, verzeihen Sie ihm schon,« sagte Maria Wassiljewna lächelnd, »Sie sehen, daß ich recht hatte – ich sagte es Ihnen gleich«, wandte sie sich an Poltorazkij.

      »Sie haben mir doch kein Wort davon gesagt,« sagte Poltorazkij lächelnd.

      »Wirklich nicht?« entgegnete sie und lächelte wieder. Und dieses Lächeln, das gleichsam eine Antwort auf sein eigenes Lächeln war, erregte und entzückte Poltorazkij so sehr, daß er feuerrot wurde, in seiner Ekstase mechanisch nach den Karten griff und sie zu mischen begann.

      »Ich gebe die Karten«, sagte der Adjutant streng, nahm ihm das Spiel aus der Hand und verteilte die Karten mit seiner ringgeschmückten weißen Hand so nonchalant, als wenn er sie nur so rasch wie möglich loszuwerden suchte.

      Der Kammerdiener des Fürsten betrat den Salon und meldete, daß der diensttuende Offizier den Fürsten zu sprechen wünsche.

      »Die Herren gestatten wohl«, sagte der Fürst, der das Russische mit englischem Akzent sprach. »Vielleicht vertrittst du mich solange, Marie …«

      »Ist's den Herren recht?« fragte die Fürstin, während sie sich, in den rauschenden Seidengewändern, mit dem strahlenden Lächeln einer glücklichen Frau, rasch und leicht in ihrer ganzen stattlichen Größe erhob.

      »Mir ist jederzeit alles recht«, sagte der Adjutant, im stillen sehr zufrieden, daß die Fürstin, die keine Ahnung vom Spiel hatte, jetzt gegen ihn spielen sollte. Poltorazkij lächelte nur übers ganze Gesicht vor lauter Staunen und Glück.

      Der Robber war zu Ende, als der Fürst in den Salon zurückkam. Er war in sehr angeregter, heiterer Stimmung.

      »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herrschaften.« –

      »Nun?«

      »Trinken wir ein Glas Champagner!«

      »Dazu bin ich stets bereit«, sagte Poltorazkij.

      »Sehr angenehm,« sagte der Adjutant.

      »Wassilij, Champagner!« wandte der Fürst sich zu dem Kammerdiener.

      »Warum wurdest du angerufen?« fragte Marie Wassiljewna.

      »Der Offizier vom Dienst wollte mich sprechen – und noch jemand anders …«

      »Wer? Was gibt's?« fragte Maria Wassiljewna hastig.

      »Ich kann

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