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vornheraus eine Aussicht durch die Veranda nach der breiten Frontstreet und zugleich mit auf die Dampf- und Flatboot-Landung und den Strom gewährten. In der Mitte des ziemlich großen Raumes stand ein breitfüßiger, viereckiger Tisch, auf dem ein paar Zeitungen, die State Gazette, der Cherokee advocate und das New-Orleans-Bulletin25, lagen, und ein Dutzend Stühle; ein kleiner Nürnberger Spiegel26 und eine unvermeidliche Yankee-Uhr27 über dem Kaminsims füllten den übrigen Platz an Möbeln aus.

       Interessanter aber waren die Gruppen, die in den verschiedenen Teilen des Zimmers umherstanden. – Nur zwei Leute saßen nämlich, und diese zwar wie zwei Kaminverzierungen an beiden Seiten desselben: die Rücken der Gesellschaft zugedreht, und die Beine hoch oben auf dem Sims, neben der Uhr.

       Den Mittelpunkt der Gäste bildete ein junger Advokat aus Helena, namens Robins, ein Farmer aus der Nähe von Little Rock, ein junger, grobknochiger Gesell, der trotz dem hellblauen Frack aus Wollenzeug und dem schwarzen abgeschabten Filz etwas unverkennbar Matrosenartiges an sich hatte, und der sogenannte Mailrider, der zu Pferde den ledernen Briefsack zwischen Helena und Strongs Postoffice28, in der Nähe des St. Franzisflusses, hin- und herführte. Das Gespräch drehte sich jetzt um die eben stattgehabten und beschriebenen Vorfälle, die sie aus dem Fenster größtenteils mit ansehen konnten, und der Mailrider, ein kleines dürres Männchen von etwa fünfundzwanzig Jahren, war besonders ganz erstaunt, daß sich eine solche Menge kräftiger, trotzig aussehender Burschen erst von einem einzelnen Mann einschüchtern, und dann von einem andern in der Ausübung ihrer Rache hatten zurückhalten lassen.

       „Gentlemen!“ sagte er in der mit Eifer geführten Anrede, wobei er diesen Titel ungewöhnlich häufig anwandte, als ob er seine Zuhörer dadurch ebenfalls mit überzeugen wollte, daß er selbst zu dieser besonderen Menschenklasse gehöre. „Gentlemen, die Männer von Arkansas fangen an aus der Art zu schlagen – das demokratische Prinzip geht unter. Vom Osten her werden monarchische Grundsätze von Tag zu Tag gefährlicher. Gentlemen, ich fürchte, wir erleben noch die Zeit, wo sie in Washington einen König krönen, und der König – heißt – dann – Henry – Clay.“29

       „Henry Unsinn!“ sagte der Farmer verächtlich. „Wenn das geschähe, so möchten sie ihren König auch im Osten behalten; über den Mississippi sollte er uns nicht kommen, dafür stehe ich. Wetter noch einmal, unsere Väter, die in ihren blutigen Gräbern schlafen und für ihre Kinder fielen30, müßten sich ja in Schande und Schmach umdrehen, wenn die Enkel, die zu Millionen angewachsen sind, das nicht einmal mehr behaupten könnten, was sie der Übermacht mit wenigen Tausenden abzwangen. Das sind aber die verrückten Ideen, die nur Ausländer mitbringen. – In Schmach und Ketten aufgewachsen, können sie sich nicht denken, daß ein Volk im Stande ist zu existieren, wenn es nicht von einem Fürsten am Gängelbande geführt wird. – Zum Teufel auch, ich habe da erst neulich in einem Buche gelesen, wie die Hofschranzen über dem großen Wasser drüben in den Städten herumspielen. – Die Pest über sie – solch Geschmeiß sollte einmal nach Arkansas kommen, hu – pih31 – wie wir sie mit Hunden hinaushetzen würden.“

       „Hahaha“, lachte der kleine Advokat. „Howitt – gerät ordentlich in Jagdeifer – Mäßigung, wackerer Staatsbürger, Mäßigung. – Gegen solche Gefahr schützt uns unsere Constitution –“

       „Ach – was da, Constitution“, brummte Howitt, „wenn wir’s nicht selber tun, wär’s die Constitution und das Advokatenvolk auch nicht im Stande. – Die eine würde umgeworfen und die anderen gingen zur neuen Fahne über – das ist alles schon dagewesen. Nein, der Farmer ist’s, der den Kern der Staaten ausmacht, denn sein freies Land wäre gerade das, was unter die Botmäßigkeit einer willkürlichen Regierung fiele. Er müßte das Land kultivieren und mit dazu beitragen, daß sich die Industrie mehr und mehr höbe und die Einkünfte von Jahr zu Jahr wüchsen, und dürfte dann am Ende noch nicht einmal mit darein reden, wenn es sein eigenes Wohl und Wehe gälte. Nein, der Farmer oder vielmehr das Volk hält den Staat – nicht die Constitution, und ein Land, das kein Volk hat, dem hilft auch die beste Constitution nichts.“

       „Nun ja, das sag’ ich ja eben“, fiel der Mailrider, der nicht recht verstand, was jener meinte, mit seiner dünnen Stimme ein. „Deshalb wundert’s mich ja gerade, daß sich das Volk so von einem einzelnen Menschen leiten und einschüchtern läßt – Donnerwetter – ich sollte dazwischen gewesen sein – ich hätte dem Yankee“ – und er sah sich dabei um, ob der Wirt nicht etwa im Zimmer sei – „zeigen wollen, was es heißt, sich an freien amerikanischen Bürgern zu vergreifen.“

       „Gerad’ im Gegenteil“, erwiderte ruhig der Farmer, „mich hat’s gefreut, daß die Leute Vernunft annahmen. Was ich früher von Helena gehört, ließ mich fast glauben, der ganze Ort bestehe aus lauter – Gesindel. Es ist mir lieb, daß ich jetzt eine andere Meinung davon nach Hause tragen kann, denn daß die Köpfe eines freien, sorglosen Völkchens einmal überschäumen, ei nun, das ist kein Unglück, wenn sie nur immer wieder in’s richtige Bett zurückkehren.“

       „Verdammt wenig von denen, die heut Nacht in einem Bett schlafen!“ lachte hier der im blauen Frack dazwischen. – „Die lustigen Burschen fangen mit der Gallone Brandy an, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn sie mit einem ganzen Faß aufhörten. – Ihr Gejubel und Geschrei schallt ja sogar bis hier herüber.“

       „Was ist denn hier eigentlich heute vorgegangen?“ frug jetzt der Farmer, sich an die Übrigen wendend. „Ich kam gerade, wie sie den Irländer draußen in der Klemme hatten, und trug dann meine Satteltasche in die Hinterstube. – War denn heute Gerichtstag?“

       „Gerichtstag?“ sagte der im blauen Frack. „Nein, das weniger, aber ’was ganz Anderes – Holk’s Haus und Land wurde verauktioniert.“

       „Holk’s? Des reichen Holk Haus?“ rief Howitt verwundert. „Ih, das ist ja gar nicht möglich. – Alle Wetter, vor acht Tagen kam ich erst hier durch, und da war ja noch kein Gedanke daran.“

       „Ja, Sachen ändern sich“, lachte der Blaue. „Holk ging, wie Ihr wißt, mit einem Flatboot nach New Orleans. Unterwegs muß er aber wohl auf irgend einen Snag gelaufen oder sonst zu Unglück gekommen sein, kurz das ganze Boot ist spurlos verschwunden, und vor fünf Tagen kam Holk’s Sohn hier an.“

       „Hatte denn Holk einen Sohn?“ frug der Farmer. „Er war ja gar nicht verheiratet?“

       „Aus früherer Ehe“, erwiderte der Blaue. „Mehrere Leute hier kannten die Familie. Der junge Holk wäre auch gern hier geblieben, er bekam aber schon am zweiten Tage das Fieber32 und damit zugleich einen solchen Widerwillen gegen das niedere Land selbst, daß er schon auf den dritten Tag die Versteigerung seines sämtlichen Grundbesitzes feststellte. Die Auktion fand an diesem Morgen statt, und mit demselben Dampfboot, das heute Mittag hier landete, ist der junge Holk wieder hinunter nach Baton Rouge gegangen.“

       „Potz Blitz, der hat seine Geschäfte schnell abgemacht. Da ist auch wohl der schöne Platz um einen Spottpreis weggegangen?“ frug der Mailrider, der ebenfalls erst während des Streites gekommen war.

       „Das nicht!“ erwiderte der Advokat. „Die Baustellen sind fast die besten in Helena und es fanden sich mehrere Bewerber – ich selbst habe geboten, Richter Dayton schien auch große Lust zu dem Handel zu haben. Der Wirt hier hat sie aber zuletzt noch erstanden und – was die Bedingung war – gleich bar bezahlt. Smart muß einen hübschen Taler Geld in Helena verdient haben.“

       „Wunderbar, wunderbar“, murmelte der Farmer vor sich hin. – „Mir hat Holk einmal gesagt, er hätte weder Kind noch Kegel in Amerika und wolle alles das, was er sein eigen nenne, verkaufen und wieder nach Deutschland zurückgehen.“

       „Nun ja“, lachte der Blaue, „es war so eine schwache Seite von ihm, noch für einen jungen Mann zu gelten. Er leugnete immer, daß er schon verheiratet gewesen – Ihr kennt doch die junge Witwe drüben – gleich neben Daytons“, und er verzog dabei, während er mit dem Daumen der Hand über die eigene Schulter deutete, das keineswegs schöne Gesicht zu einem häßlichen, boshaften Lachen.

       „Die

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