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zumute wurde. „Das Tier wittert menschliche Überreste, und da geht’s ihm gerade wie mit Menschenblut. Laßt das die Hunde plötzlich spüren, so heulen sie ebenfalls, als ob ihnen das Herz brechen wollte.“

       „Laßt mir den Glauben, Tom!“ bat der Alte, sich endlich wehmütig wieder emporrichtend. „Es tut mir wohl, selbst in dem Tiere das Gedächtnis für einen Freund bewahrt zu sehen, und – wir haben ja des Schmerzlichen genug, warum den schwachen Trost noch mutwillig mit eigener Hand zerstören?“

       Ein Schuß aus der Richtung her, in welcher der Fluß liegen mußte, unterbrach hier seine Rede.

       „Verdammt!“ rief Tom. „Ob die Burschen nicht schon mit dem Boote da sind – die Seehunde müssen Nachts gefahren sein, es ist ja kaum Tag.“

       „Tut mir den Gefallen und ruft sie her!“ bat Edgeworth.

       „Mir wär’s lieber, wenn Ihr mitginget“, sagte der junge Mann zögernd, „Ihr quält Euch hier und – “

       „Ich bin jetzt gefaßt, wenn Ihr kommt, Tom. – Tut mir die Liebe und ruft sie.“

       Im nächsten Augenblick hatte der junge Mann seine Büchse geschultert und schritt dem Flußufer zu. Edgeworth kniete an dem Fuße der Eiche, die jahrelang ihre Arme schützend über die Überreste seines Kindes ausgebreitet hatte, nieder, und lag ernst und still im brünstigen Gebet, bis er die Schritte der vom Boote Kommenden hörte. Dann sprang er auf und schritt ihnen fest und ruhig entgegen.

       Tom hatte die Männer schon unten am Flusse mit dem Vorgegangenen schnell bekannt gemacht, und ernst und schweigend begannen sie an der engen Gruft zu arbeiten, die des unglücklichen jungen Mannes Gebeine aufnehmen sollte. Dann legten sie sorgsam die gesammelten Überreste hinein, warfen das Grab zu, wölbten den kleinen Hügel darüber, und trugen nachher ebenso still und lautlos die Jagdbeute, die ihnen Tom bezeichnete, auf ihren Schultern zum Boote hinunter.

       „Hallo!“ rief ihnen hier der an Bord gebliebene Steuermann, eine wilde, drohende Gestalt, das Gesicht ganz von Pockennarben zerrissen, die schwarzen langen Haare wild um die Schläfe hängend, entgegen. „Bärenfleisch! Bei den sieben Todsünden! – Verdamm’ meine Augen, wenn das nicht der vernünftigste Streich ist, den unser alter Kapitän in langer Zeit ausgeführt hat. – Macht aber schnell, Burschen, daß wir von hier fort kommen, wir versäumen die schöne Zeit und das Wasser fällt mit jeder Sekunde.“

       „Wir gehen noch einmal hinauf“, sagte der eine von ihnen.

       „Was zum Henker ist nun noch oben?“

       „Oben ist nichts mehr, wir wollen nur die Backsteine aus unserer Küche11 hinauftragen und, so gut es geht, einen Grabstein daraus machen.“

       „Narren seid Ihr“, zürnte der Steuermann, „wie sollen wir nachher kochen?“

       „In Vincennes können wir andere bekommen“, sagte Tom, „schaden würd’s Euch auch nicht, wenn Ihr eine Ladung mit hinauftrüget.“

       „Ich bin zum Steuern gemietet und nicht zum Steineschleppen“, brummte der Lange, indem er sich ruhig aufs Verdeck streckte. „Unsinn genug, daß Ihr die alten Knochen da oben noch einmal aufrührt; die wären auch ohne Euch verfault.“

       Die Männer antworteten ihm nicht, luden ihre Last auf und stiegen damit die steile Uferbank empor. An dem Grabe errichteten sie aber das einfache Denkmal für den ermordeten Jäger, frischten das Kreuz in der Eiche wieder auf, und wollten dann langsam den Platz, auf dem Edgeworth noch immer in Schmerz und Gram vertieft stand, meiden. Da fuhr dieser aus seinen Träumen auf, drückte den Bootsleuten allen freundlich die Hand, schulterte seine Büchse, rief dem Hunde und ging mit festen, sicheren Schritten voran dem Boote zu.

       Eine halbe Stunde später knarrten und kreischten die schweren Ruder des unbehilflichen Fahrzeugs, mit deren Hilfe es in die eigentliche Strömung hinausgeschoben wurde. Dann aber drängte es schwerfällig gegen die Mitte des Flusses zu und trieb langsam hinunter seine stille, einförmige Bahn. Wie es aber nur erst einmal in Gang und richtig in der Strömung war, hoben die Bootsleute ihre ‚Finnen’ (wie die langen Ruder solcher Boote genannt sind) an Deck und streckten sich selbst nachlässig und behaglich auf den Brettern aus, die ersten Strahlen der freundlichen Morgensonne zu genießen, die jetzt eben in all’ ihrer schimmernden Pracht und Herrlichkeit über dem grünen Blättermeer emportauchte.

       Edgeworth aber saß, mit dem Hunde zwischen seinen Knien, am hinteren Rande des Fahrzeugs, und schaute still und traurig nach den mehr und mehr in weiter Ferne verschwimmenden Bäumen zurück, die das Grab seines Kindes überschatteten.

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      Zeitgenössische Illustrationen der typischen Flatboats, die teilweise kleine Hütten

      auf dem Deck hatten, um das Herdfeuer oder einen Teil der Ausrüstung

       und die Pulvervorräte zu schützen

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      ZWEITES KAPITEL

      Der Kampf – Smart und Dayton

       In Helena12 herrschte ein gar ungewöhnlich reges Leben und Treiben, und aus der ganzen Umgebung mußte hier die Bevölkerung zusammengekommen sein. Überall standen eifrig unterhandelnde Männer, teils in die bunt befransten Jagdhemden der Hinterwäldler, teils in die blauen Jeansfracks13 der etwas mehr zivilisierten Städter gekleidet, in Gruppen umher, während heftige Reden und lebhafte Gestikulationen ihr Gespräch als ein keineswegs alltägliches verkündeten.

       Vor dem Union-Hotel – dem besten Gasthause der Stadt – schien sich ganz besonders ein nicht geringer Teil dieser Menschenmasse konzentriert zu haben, und der Wirt desselben, eine lange hagere Gestalt, mit blonden Haaren, scharfen Backenknochen, etwas spitzer, gerade vorstehender Nase, aber blauen gutmütigen Augen, kurz jeder Zoll ein Yankee, hatte schon eine geraume Art dem Drängen und Treiben vor seiner Schwelle mit augenscheinlichem Wohlbehagen zugesehen. Im Innern des Hauses fehlte es allerdings keineswegs an Arbeit, und die tätige Hausfrau hatte, von ihrem Dienstboten und einem Neger unterstützt, alle Hände voll zu tun, die Gäste zu befriedigen, und Schlafstellen für die herzurichten, die zu weit entfernt von Helena wohnten. Trotzdem aber verharrte der Wirt in seiner ruhigen Stellung und kümmerte sich nicht im Geringsten um das innere Hauswesen.

       Durch den Wortwechsel und vielleicht auch durch geistige Getränke erhitzt, artete indes die bisherige ruhige, wenigstens friedliche Unterhaltung immer mehr und mehr aus. – Einzelne heftige Flüche und Drohungen überschallten zuerst für Augenblicke das übrige Wortchaos, und plötzlich kündete ein scharfer Schrei und ein wildes Drängen, wie es endlich, was der lächelnde Wirt schon lange ersehnt haben mochte, zu Tätlichkeiten gekommen sei.

       Mit halb vorgebeugtem Oberkörper, die beiden Hände tief in den Beinkleidertaschen und die rechte Schulter an den Pfosten seiner Tür gelehnt, stand er da, und man sah es ihm ordentlich an, welch Vergnügen ihm ein Kampf mache, dessen Resultat so ganz seinen Wünschen entsprochen haben mußte.

       Der nämlich, der den ersten Schlag gegeben, war ein kleiner, untersetzter Irländer mit brennend roten Haaren und wo möglich noch röterem Barte, dazu in Hemdsärmeln, mit offenem Kragen und etwas kurzen, eng anschließenden Nankingbeinkleidern,14 was seiner Figur einen eigentümlich komischen Anstrich gab. Außerdem bewies sich aber Patrick O’Toole15 nichts weniger als komisch oder auch nur spaßig, sobald er ein paar Tropfen Whisky im Kopfe und irgend Ursache zu einem vernünftigen oder ‚raisonablen’16 Streite, wie er es nannte, hatte. Wenn auch nicht zänkisch, so war er doch der Letzte, der einen Platz verlassen hätte, wo noch die mindeste Aussicht zu einer anständigen Prügelei zu erwarten gewesen wäre.

       So gerechte Sache aber Patrick oder Pat, wie er gewöhnlich im Städtchen hieß, diesmal haben mochte, so sehr fand er sich bald im Nachteil, denn kaum lag sein Gegner vor ihm

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