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„Hol’ ihn der Teufel!“ rief hier der, nach dem der Wirt mit seinem Messer gehauen. „Dankbar sein – Ehrenmann – ein Schuft ist er, und hätte mich beinahe gespalten wie eine Apfelsine. – In die Hölle mit ihm! – Feuer in sein Nest, das ist mein Rat!“

       „Gentlemen! Hat Sie Mr. Smart beleidigt“, nahm hier der Richter aufs neue das Wort, „so bin ich auch überzeugt, daß er alles versuchen wird, seinen begangenen Fehler wieder gut zu machen; kommen Sie, wir wollen ruhig zu ihm hinaufgehen, und er mag dann mit freundlichem Wort und einer kleinen freiwilligen Spende an Whisky, die wir ihm auferlegen werden, das Geschehene ausgleichen – sind Sie das zufrieden?“

       „Ei, hol’s der Henker – ja!“ sagte der mit der Narbe. „Er soll traktiren.20 – Tritt er mir aber wieder einmal in den Weg, so will ich verdammt sein, wenn ich ihm nicht neun Zoll kalten Stahl zu kosten gebe.“

       „Hätte nur mein verdammtes Terzerol nicht versagt!“ zischte der andere. „Die Pest über den Krämer, der – so erbärmliche Waren führt.“

       „Kommt, Boys, in’s Hotel – Smart mag herausrücken, und wenn er’s nicht tut, so soll ihm der – Böse das Licht halten –“ sagte der Narbige.

       „Ins Hotel – ins Hotel!“ jauchzte die Schar. „Er muß traktiren, sonst schlagen wir ihm den ganzen Kram in tausend Stücken!“

       In jubelndem Chor wälzte sich der zügellose Haufe dem Gasthaus zu, und wer weiß, ob des Advokaten freundlich gemeinte Beilegung des Streites nicht hier zu noch viel ernsthafteren Auftritten geführt hätte. Smart kannte aber seine Leute zu gut und wußte, wie er, sobald er den Schwarm wirklich in sein Haus lasse, gänzlich in den Händen der schon halb Betrunkenen sei, und dann auch jedem ihrer Wünsche willfahren müsse, wollte er sich nicht der größten Gefahr an Leben und Eigentum aussetzen. Als sich daher die Rädelsführer seiner Tür näherten, trat er plötzlich mit gespannter und im Anschlag liegender Büchse ruhig auf die oberste Schwelle und erklärte fest, den ersten niederzuschießen, der die Stufen seiner Treppe betreten würde.

       Smart war als ein ausgezeichneter Schütze bekannt, und sicherer Tod lag in der ihnen drohend entgegen gehaltenen Mündung. Der Advokat trat aber auch hier wieder vermittelnd zwischen den Parteien auf, bedeutete den Yankee, daß die Männer hier keine Feindseligkeiten weiter gegen ihn nährten, und bat ihn, die Büchse fortzustellen, damit auch das Letzte entfernt sei, was auf Streit und Kampf hindeuten könne.

       „Gebt den guten Leuten ein paar Quart Whisky“, schloß er dann seine Rede, „und sie werden Eure Gesundheit trinken. Es ist ja doch besser, mit denen, die unsere Nachbarn in Stadt und Haus sind, friedlich und freundlich beisammen, als in immerwährendem Streit und Hader zu leben.“

       Der Yankee hatte bei den ruhigen Worten des Advokaten, den er selbst schon seit längerer Zeit als einen ordentlichen und, wenn es galt, auch entschlossenen Mann kannte, den Büchsenkolben gesenkt, ohne jedoch die rechte Hand vom Schlosse zu entfernen, und erwiderte jetzt freundlich:

       „Es ist recht hübsch von Ihnen, Mr. Dayton, daß Sie nach besten Kräften Streit und Blutvergießen gehindert haben – mancher Ihrer Herren Kollegen hätte das nicht getan. Damit Sie denn auch sehen, daß ich keineswegs geneigt bin, mit den guten Leuten, gegen die ich ja sonst nicht das Mindeste habe, wieder auf freundschaftlichen Fuß zu kommen, so bin ich gern erbötig, eine volle Gallone21 zum Besten zu geben, aber – ich will sie hinausschicken. – Ich habe Ladies hier im Hause, und die Gentlemen draußen werden gewiß selbst damit einverstanden sein, ihren Brandy im Freien zu trinken und sich nicht dabei durch die Gegenwart von Damen gestört zu wissen.“

       „Hallo – Brandy?“ rief der mit der Narbe. „Wollt Ihr uns wirklich eine Gallone Brandy geben, und dabei erklären, daß Euch das Geschehene leid sei?“

       „Allerdings will ich das!“ erwiderte Johnathan Smart, während ein leichtes spöttisches Zucken um seine Mundwinkel spielte. „Und zwar vom vortrefflichsten Pfirsich-Brandy, den ich im Hause habe – sind die Herren damit einverstanden?“

       „Ei – Bootshaken und Enterbeile – ja!“ nahm der Bleiche das Wort. „Heraus mit dem Brandy – wenn Unterröcke drin sitzen, wird’s einem ordentlichen Kerl doch nicht so recht behaglich zu Mute – aber schnell, Smart – Ihr trefft uns heute in verdammt guter Laune und könnt Euch gratulieren; laßt uns deshalb also auch nicht lange warten.“

       Fünf Minuten später erschien ein starker, breitschultriger Neger, mit echtem Wollkopf und fast ungewöhnlich streng ausgeprägten äthiopischen Gesichtszügen, in der offenen Tür, und trug – während er die Versammlung, jedoch noch immer mißtrauisch, bald links bald rechts zu betrachten schien – in dem linken Arme eine große breitbäuchige Steinkruke, in dem andern ein halbes Dutzend Blechbecher. Die Schar empfing ihn aber jubelnd, untersuchte vor allen Dingen das Getränk, ob es auch wirklich der gute, ihnen versprochene Stoff sei, und zog dann jauchzend dem Fluß zu, wo sie an Bord eines dort liegenden Flatbootes gingen und bis in die späte Nacht hinein zechten und tobten. Dayton dagegen blieb noch eine Weile stehen und blickte den Davontobenden still und, wie es schien, ernst sinnend nach. Smart aber störte ihn bald aus seinem Nachdenken auf – er lehnte die Büchse oben an einen Pfosten der Veranda und stieg zu dem ihm so freundlich zu Hilfe gekommenen Richter nieder.

       „Dank’ Euch, Sir“, sagte er hier, während er ihm freundlich die Hand entgegenstreckte, „dank’ Euch für Euer sehr zeitgemäß eingelegtes Wort – Ihr hättet zu keinem gelegeneren Moment dazwischen treten können.“

       „Nicht mehr als Bürgerpflicht“, lächelte der Richter, „die Menge läßt sich gern von einem entschlossenen Manne leiten, und wenn man den richtigen Zeitpunkt auch richtig trifft, so vermag ein einzelnes ernstes Wort oft Gewaltiges.“

       „Nun, ich weiß nicht“, meinte Smart kopfschüttelnd, während er einen nichts weniger als freundlichen Seitenblick nach dem Fluß hinab warf, „dergleichen Volk läßt sich sonst nicht leicht, weder von freundlicher Rede, noch feindlicher Waffe zurückschrecken. Es sind meistens Leute, die nichts weiter auf der Welt zu verlieren haben als ihr Leben, und der Gefahr deshalb, da sie dieses keinen Pfifferling achten, trotzig entgegengehen. Ich bin übrigens doch froh, so wohlfeilen Kaufes losgekommen zu sein, denn – Blut zu vergießen ist immer eine häßliche Geschichte. Aber so tretet doch einen Augenblick in’s Gastzimmer, ich komme gleich nach – muß nur erst einmal nach meiner Alten in der Küche sehen und alles Nötige bestellen.“

       „Ich dank’ Euch“, sagte der Richter, „ich muß nach Hause. – Es sind mit dem letzten Dampfer heut Briefe angekommen, und vom Fluß herunter habe ich auch – mehrerer Geschäftssachen wegen – einen Besuch zu erwarten. Wollt Ihr mir aber einen Gefallen tun, so kommt Ihr nachher ein bißchen zu mir herüber. – Bringt auch Eure alte Lady mit – ich habe überdies noch manches mit Euch zu besprechen.“

       „Meine Alte wird wohl daheim bleiben müssen“, sagte der Yankee lächelnd, „wir haben das Haus voll Leute, aber ich selbst – ei nun, ich bin überdies recht lange nicht bei Mrs. Dayton gewesen – die – Burschen werden doch nicht etwa noch einmal kommen?“ –

       „Habt keine Angst“, beruhigte ihn der Richter. „Das Volk ist wild und hitzköpfig, auch wohl ein wenig roh – aber überdachter Schlechtigkeit halte ich sie nicht für fähig. Sie hätten Euch vielleicht im ersten wilden Zorn das Haus über dem Kopfe angesteckt; den aber erst einmal verraucht, so wird auch keiner mehr daran denken, Euch zu belästigen.“

       „Desto besser“, sagte Jonathan Smart. „Angst hätte ich übrigens auch nicht – mein Scipio22 hält, wenn ich fort bin, Wacht, und der Hornruf aus dem Fenster kann mich überall in Helena erreichen. – Also auf Wiedersehen – in einem halben Stündchen komme ich hinüber.“

       Er trat bei diesen Worten, während der Richter seiner eigenen Wohnung zuschritt, in’s Haus zurück, und stand gleich darauf vor seiner ‚besseren Hälfte’, wie sie sich selbst zu nennen pflegte, die er übrigens, teils durch die überhäufte Arbeit, teils durch die vorgegangene Szene, in der übelsten Laune von der Welt fand.

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