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Behutsam berührte sie sein Gesicht und drehte seinen Kopf zu sich. »Wenn das alles vorbei ist und wir zur Ruhe gekommen sind, dann müssen wir uns unterhalten«, sagte sie mit einem Augenzwinkern. Sie schritt auf ihn zu und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange. »Gute Nacht und schlaf schön.«

      ***

      

      Kapitel 3

      Illmers

      Toreinfahrt

      13. März 2015, 10:45 Uhr

      Konrad beobachtete seine Mutter, die nervös im Zimmer auf und ab lief. Der Junge saß auf der Bettkante, balancierte vier abgegriffene Würfel in seiner rechten Hand und wippte mit seinen Beinen. »Musst du wirklich dahin gehen?«

      Seufzend kniete Ivy vor ihrem Sohn nieder und strich über seine Oberschenkel. Sie schenkte ihm ein aufgesetztes Lächeln. »Ich bin in ein paar Tagen zurück. Und dann sind Oma und Opa auch hier. Und Hailey. Dann sind wir alle wieder zusammen. Fast wie früher«, versuchte sie ihn zu beruhigen. Ihr Blick fiel auf die Spielwürfel. »Wo hast du die denn gefunden?«

      Konrad lächelte. »Von Opa. Wir fanden sie zwischen den Dielenbrettern der Baracke. Abends haben wir oft damit gespielt.« Bedrückt hielt er einen Moment inne. »Ich hatte mal acht, aber jetzt sind es nur vier.«

      Gedankenverloren griff Ivy einen der Spielsteine und betrachte ihn. Zwei Seiten waren ohne Augenzahl, als hätte sie jemand herausgekratzt. Lächelnd legte sie ihn zu den anderen zurück.

      »Opa sagt, dass das Leben wie ein Würfelspiel sei. Jede Seite ist ein Entschluss, die man treffen kann. Wie sie fallen, kann man jedoch nicht beeinflussen.«

      Ivy lachte leise. »Vielleicht finden wir eine Spielesammlung und dann schlägst du Opa.«

      »Vielleicht, ja … Es werden noch viele Entscheidungen kommen, oder?«

      Sie nickte nachdenklich.

      Unzufrieden schob er die Unterlippe nach vorn und nickte. Er druckste vor sich her und blickte sie traurig an. »Was ist mit Papa passiert?«

      Bekümmert kniff Ivy die Augen zu. Sie setzte sich auf das Bett, legte liebevoll den Arm um ihn und drückte ihn an sich. »Papa hatte einen schweren Unfall und verletzte sich am Rücken. Er war plündern und … stürzte in ein Regal. Leider konnte man ihm nicht mehr helfen.«

      Schmerzlich senkte Konrad seinen Kopf und legte seine dünnen Ärmchen um ihre Hüfte. Mit all seiner Kraft hielt er sich an ihr fest.

      »Ich verspreche dir, dass ich wiederkomme«, versicherte sie ihm, während sie durch seine Haare strich. »In der Zeit passen Ellen und Linus auf dich auf.«

      Nachdenklich nickte er seiner Mutter zu und setzte sich seufzend auf. Doch zufrieden war er nicht.

      »Willst du mir irgendwas sagen?«, fragte Ivy vorsichtig.

      »Ich hab´ gesehen, wie Menschen starben. Und ich musste diese Monster töten … Ich war egoistisch, weil ich einen Jungen weggestoßen habe, der mit in den Truck steigen wollte. Ich glaube, er ist jetzt auch ein Monster. Bin ich ein schlechter Mensch, Mama?«

      Schnaufend griff sie unter seine Achseln, setzte ihn auf ihren Schoß und drückte ihn fest an sich. Sie verweilten eine Weile in dieser Position.

      Ich hoffe, dass diese Mission die richtige Entscheidung ist. Ich will ihn ungern in dieser misslichen Lage allein lassen, dachte sie, während sie ihn in ihren Armen wiegte.

      Du hast gar keine andere Wahl. Ellen hat recht. Wenn du nicht mitspielst, werden mehr Menschen sterben. Du musst handeln. Für Konrad. Für Hailey, bekräftigte die innere Stimme ihr Vorhaben.

      »Du bist einer der wunderbarsten Menschen, die ich kenne«, flüsterte sie in sein Ohr und küsste seine Wange. »Du bist kein Monster … Manchmal muss man aber Dinge tun, die früher falsch waren. Diese Entscheidungen retten uns in der heutigen Zeit das Leben. Deshalb müssen wir es tun.«

      Verdutzt blickte er seine Mutter an. »Hast du das auch getan? Hast du Menschen getötet?«, flüsterte er wissbegierig und mit weit aufgerissenen Augen.

      Er wird fragen und du musst antworten, schoss es ihr durch den Kopf.

      »Ja ... weil es böse Menschen waren. Sie wollten uns weh tun und ich hatte keine andere Wahl. Trotzdem bin ich kein schlechter Mensch.«

      Konrad schüttelte vehement den Kopf. »Jeder von uns hat so was gemacht, oder? Ich glaube, es gibt keinen Menschen, der es nicht tat. Selbst Hailey hat die Monster getötet.«

      Es klopfte an der Tür und Mikey lugte hinein. »Hey ihr zwei. Der Wagen ist da und ihr müsst euch umziehen.«

      »Wir kommen gleich«, erwiderte Ivy und grinste Mikey an.

      Stutzig beobachtete Konrad die beiden Erwachsenen.

      Der Mechaniker erwiderte ein zaghaftes Grinsen und schloss die Tür.

      Ivy hielt einen Moment inne.

      Kann es sein, dass du dich an den gestrigen Kuss erinnerst? Ist es nicht das, wonach du dich die ganze Zeit sehnst?, mutmaßte ihre Stimme und brachte sie zum Lächeln.

      »Kann es sein, dass du ihn magst?«, hakte Konrad stutzig nach und verschränkte die Arme vor der Brust.

      Peinlich berührt strich Ivy durch ihre Haare und druckste vor sich hin. »Kann sein.«

      »Seid ihr zusammen?«

      Verblüfft riss Ivy die Augen auf. »Nein, sind wir nicht! Wir sind Freunde.«

      »Gut. Nicht, dass du Papa vergisst«, erwiderte Konrad forsch und rutschte von ihrem Schoß herunter. Der Junge spürte den Blick seiner erstaunten Mutter und musterte sie. »Man vergisst Menschen, die gestorben sind.«

      »Konrad, ich würde nie deinen Vater vergessen können! Allein, wenn ich euch beide ansehe, erinnert ihr mich an ihn. Und selbst wenn ich mit Mikey enger befreundet wäre, würde er deinen Vater nie ersetzen können«, sprach sie zu ihm.

      »Versprich es.«

      Ivy zog ihn an sich heran und drückte ihn fest an sich. »Ich verspreche es dir. Hoch und heilig.« Sie verweilten einen Moment und Ivy sah Konrad an. »Komm, die anderen warten auf mich.«

      Als Ivy die Tür öffnete, fand sie die Kleidung, die sie tragen musste, in einem Wäschekorb. Ein unangenehmer Geruch stieg ihr entgegen. Seufzend griff sie danach und nahm den Korb mit ins Zimmer.

      *

      Als beide auf den Parkplatz kamen, standen Elmar, Mac und Klaas mit den Hoods und Ellen vor einer Rostlaube. Es war ein alter Mazda 5, der mehr Rostflecken als Farbe an der Karosserie aufwies. Die Anführer Illmers kamen hinzu und überreichten die Rucksäcke.

      »Überlebende, ja. Aber was ich nicht verstehen kann, sind diese stinkenden Klamotten«, beschwerte sich Klaas und wedelte den strengen Geruch von sich.

      »Habt ihr den Toten die Sachen geklaut?« Elmar roch am Kragen seines abgetragenen und verdreckten Hemdes.

      »Und das waren schon die besten Roben, die wir fanden«, sagte Linus. Er klopfte seinem Vater Mut machend auf die Schulter.

      Die Jägerin schritt zu den drein und gab jedem eine alte Uhr. »Die Hütte ist ungefähr zwanzig Kilometer von der Geisterstadt entfernt. Mikey hat seinem Erfindergeist freien Lauf gelassen. In diesen Schmuckstücken sind Mikrophone versteckt. Wir hören euch, aber ihr uns nicht. Wenn die Kapseln ausgegeben sind, macht ihr eine Meldung«, instruierte Ellen die drei Männer.

      Ivy konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie Elmar, Klaas und Mac sah. »Zum Glück ist das kein Wettbewerb, wer am schlimmsten aussieht.«

      »Sie hätten sie vorher waschen können«, meckerte Klaas weiter.

      Ellen ließ abfällig

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