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Der Werwolf. Alexis Willibald
Читать онлайн.Название Der Werwolf
Год выпуска 0
isbn 9783752933741
Автор произведения Alexis Willibald
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
“Ich gestehe Euch, dass auch mich unterweilen solche hässliche Träume beunruhigen; aber der Grund liegt ganz anderswo. Hier belauscht uns niemand, lieber Freund. – Lasst die Augustiner und Franziskaner, und die Gelehrten von allen Universitäten sich rühren, was sollte es uns rühren, wir bleiben im Possess; aber die bekannte Lust, die unser gnädigster Kurfürst schon von seinen jungen Jahren an hat, in Theologices zu stänkern, die ist es, welche mich manches Mal besorgt macht; wenn er mich am Knopf fasst, und über dieses Dogma und jene Institution disputiert. Noch neulich beim Hofball zog er mich in die Fensterblendung, und eine Stunde lang hielt er mir ein Kollegium über die Erbsünde, und warum die Doktrin der Pelagianer ketzerisch sei. Gott weiß, wo er's her hat, ob's im Blut liegt, oder wer's ihm angetan, aber wenn's nach ihm ginge, sind wir alle ihm nicht orthodox und konform genug. O, er hat Entwürfe im Kopf von Klosterzucht und Kirchenregiment und neuen und alten Spitalrittern und Spitalweibern und möchte die Bischöfe zurechtsetzen und die Päpste dazu, und Konzilien berufen, wo der wahre Glaube bis aufs kleinste aufgeschrieben und festgesetzt würde. Und Konkordate möchte er schließen und Bistümer bei den Heiden anlegen, und Gott weiß was alles.“
„Es bleiben aber doch immer Entwürfe.“
„Das ist das einzige Gute dran.“
„Er liebt den geistlichen Stand; man hätte nicht zu besorgen, dass er in unsere Rechte griff, noch unsere Einkünfte schmälerte.“
„Das weiß kein Mensch. Wenn er heute liebt und ans Herz drückt, wer weiß, ob es morgen noch so ist! – denkt doch nur an den Adel. Hat er ihn nicht zugeritten wie ein wildes Pferd, mit seinen Schenkeln gepresst, dass er Zeter und Wehe schrie, mit seinen Sporen zerrissen, dass das Blut noch auf den Landstraßen klebt; und im Grunde des Herzens, ich sage es Euch, liebt er ihn. Werde daraus ein anderer klug. Wer um ihn ist und seinen Gedankensprüngen folgen muss, glaubt es mir, der hat seine Not. Heute in Gunst und morgen abgetan, und dann wieder in Gunst. Eine wahre Gunst für uns noch, dass, als man's kaum mehr erwartete, andere Grillen und Leidenschaften ihn gepackt haben. Er ist ein wilder Jäger geworden und –“,
Der Abt und der Bischof begegneten sich mit einem vielsagenden Blicke.
„Die Kirche wird in diesem Punkte milder sein als die durchlauchtigste Kurfürstin,“ lächelte der Abt.
„Ihren vollen Segen darüber! Denn dem verdanken wir es vielleicht, dass er die Reformation so lange vergaß.“
„Und nun! Wird der Mönch ihn nicht wecken?“
Ein Blick fast wie Schadenfreude, oder wie ihn der Stolz auf ein höheres Wissen dem Weltmann entlockt, traf den Lehniner.
„Wie wenig kennt Ihr ihn! Joachim hört nur auf sich selbst, er glaubt nur an sich. Gerade dadurch, dass der Mönch in Wittenberg etwas auszusprechen wagt, was er allein zu verstehen, was er allein glaubt wagen zu dürfen, sind wir gerettet. Und wenn, was Joachim mit der Kirche vorhatte, auf einen Punkt mit dem zusammenträfe, was der Augustiner im Kopf hat, wird der Kurfürst von Brandenburg das nachtun wollen, was der vor ihm tat? Wird er es ihm nur vergeben, dass dieser arme tölpische Bauernsohn sich durch sein Tun untersteht, ihn zu erinnern, dass er, der große kluge Fürst, nur geträumt und nichts getan hat? Der Vorwurf wird, sag ich Euch, an ihm nagen wie ein Wurm, gestehen wird er's niemand, aber im Innern –“,
„Er könnt es ihm aber nur zuvor tun wollen.“
„Kurfürst Joachim mit einem Barfüßer um die Wette rennen! Mein Lieber, er ist so stolz auf seine fürstlichen Ahnen als auf seine eigene Weisheit. Er duldet keine Gleichen um sich. Nun gerade – ich meine, wenn Euer Lucer auf den Wegen fortgeht, wie Ihr glaubt – nun wird er keinen stärkeren Widerpart finden, als unseren Markgrafen. Unterstützt ihn der Sachse, desto besser. Rüttelt er an unseren Domstiftern, unseren Bischofshüten, desto fester wird Joachim sie halten. Je weiter der vorwärts will, so mehr Rosse spannen wir hinten an. Dann lass sehen, wer stärker ist.“
„Ihr beruhigt mich.“
„Ruhen, lieber Bruder, heute ja; aber morgen nicht mehr. Ihr habt mich etwas beunruhigt, dass ich's Euch gestehe. Auch auf mich hatte der Mönch gleich anfangs einen seltsamen Eindruck gemacht, aber ich gebe nichts auf augenblickliche Eindrücke; ich hatte es fast vergessen, als Eure Observationen sie wieder erweckten. Saht Ihr ihn essen?“
„Ich zog ihn einst an meine Tafel.“
„Er rührte die Speise aber wohl nur an?“
„O nein, er aß wie ein hungriger Mann mit gutem Magen.“
„So schlang er die Bissen hinunter, ohne zu kosten?“
„Die gute Kost schien ihm zu behagen. Auch trank er“.
„Hastig? Er stürzte hinunter, was man ihm einschenkte, und dann sprudelte es von seinen Lippen.“
„Er schlürfte den guten Wein mit Wohlbehagen und sagte, es wäre eine gute Gabe Gottes.“
„Der Mann kann gefährlich werden. Er ist kein Schwärmer. Es wäre am gescheitesten, ihm eine fette Pfründe in den Mund zu stopfen.“
„Wenn er sich nun den Mund nicht stopfen ließe!“
„Er will ja kein Heiliger werden. Er isst und trinkt. Widerruf, Abt eine Pfründe oder ein Scheiterhaufen. Kennt Ihr einen vierten Fall? Meine Logik weiß nur diese Drei.“
Der Abt, der eine Weile still geschwiegen, lächelte plötzlich heiter auf, wie jemand, den ein Gedanke, welcher Licht ins Dunkel bringt, angenehm überrascht.
„Der Herr von Bredow, Hochwürdigster! Wir vergessen ihn.“
Es musste ein guter Gedanke sein. Der Bischof stieß ein kurzes, lautes, aber herzliches Gelächter aus, wie etwa jemand, den im Schlaf ein Gespenst erschreckt hat, und nun entdeckt es sich, dass es ein Tuch an der Leine, eine Nachtmütze auf einer Stange war, oder eine polternde Katze.
„Frater Henricus!“, rief er. „Der mag ihn belehren.“
„An der Absicht wird es ihm mindestens nicht fehlen,“ entgegnete der Abt. „Bis jetzt bedauerte er ihn nur; denn ich ließ mir sein Wort geben, dass er nicht losplatze, bis wir fort wären.“
„Benissime!“, sagte der Bischof. „Es hätte viel Gelärm verursacht. Das ist auch ein Reformator, den der Satan ausgeschickt hat. Meine Domherren erklärten, sie liefen fort, wenn er mal einen Stuhl bekäme.“
„Darum schicktet Ihr ihn zur Pönitenz zu uns. Meine Konventualen sind den Herren in Brandenburg dafür sehr verpflichtet. Seine Bußpredigten jagen uns die Hühner vom Hofe. Neulich drang er in den Keller, als Unsere ein kleines stilles Konvivium darin feierten; auf die Treppe hatte er sich postiert, dass keiner hinaus konnte. Der Pater Kellermeister erzählte mir Wunderdinge von der Litanei. Ihren Gesang hat er überschrieen, und das will was sagen, wenn meine beim Weine sind.“
„Das muss Euch doch oben stören in Eurem Stüblein beim Meditieren, Herr Bruder.“
„Man muss auch zuweilen die Ohren zuhalten“.
„Und die Augen zudrücken,“ setzte der Bischof hinzu. „Wenn doch die Leute diese goldene Regel ad notam nähmen, es stünde besser um die Welt.“
„Und der Pater beschwört's, sie wären nachher blass und bleich geworden, so hat er gesprochen.“
„Probatum sit! Herr Bruder, und wenn er den Mönch in Wittenberg zum Säulenheiligen macht, da oben wird er uns nichts schaden. Ich wollte selbst an den Heiligen Vater schreiben, dass er ihn kanonisiert. St. Luther auf einer Säule, da mag er in den Wind predigen, und wir unten hören's nicht – ein guter Gedanke – gute Nacht, Herr Bruder!“
Ob sie eine gute Nacht gehabt? Ihre Köpfe sanken mit gar verschiedenen Gedanken in die weichen Kissen. Der Abt dachte lächelnd: “Wie er sich überhebt! Schimpft ihn einen Bauer, und vergisst, dass er selbst eines Bauern Sohn ist. Wie hoch sie durch Zufall steigen, die Art kann sich doch nimmer verleugnen.“ Herr Hieronymus von Brandenburg