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      Aber das Stroh raschelte bald wieder; draußen heulte der Wind und die Ampel am Balken schaukelte sich hin und her, während ein leiser Luftzug die schweren Gehänge bewegte. Als der Bischof sich aufrichtete, um das Tuch, das ihm zur Nachtmütze dienen musste, fester um die Ohren zu binden, sah er schon den Abt halb aufgerichtet sitzen, den Kopf im Arme.

      „Ihr lägt auch lieber in Eurer warmen Kämmenate in Lehnin; und wenn ich denke, um welche Lumperei – wir uns auf diesem Stroh wälzen müssen“.

      „Es ist eben das, was Ihr Lumperei nennt, Hochwürdigster, was mir nicht aus dem Sinn will. Erlaubt, dass ich Euch morgen am Tage meine Gedanken darüber mitteile.“

      „Kleinigkeiten muss man schnell abtun. Wälzt ab, was Euch auf dem Herzen liegt.“

      „Ihr kamt nach mir, verweiltet auch kürzere Zeit in Wittenberg, überdies als Kirchenfürst, dem man mit allen Rücksichten, die Eurer hohen Würde gebührten, entgegenkam. Aber, verzeiht, ich habe mehr gesehen und erfuhr mehr. Es ist nicht das Volk allein, nicht die Bürger, Studenten, Professoren; der Anhang dieses Mönches geht weiter in Sachsen, als wir denken. Doch Ihr wisst es besser als ich, wie er aus der kurfürstlichen Kanzlei Vorschub erhält, wie der Kurfürst selbst ihm die Stange hält. Das dürfte uns freilich in Brandenburg nicht kümmern. Aber Ihr hättet die gedrängt volle Kirche sehen sollen, wenn er predigt, wie aller Augen auf seinen Lippen hangen, wie, wenn er sie öffnet, es wie ein Zauber ist. So hörte ich noch keinen Menschen predigen in deutscher Sprache.“

      „Man sagt, er predigt nicht in Niederdeutsch. Wie verstehen sie ihn denn?“

      „Das vergisst sich alles. Es ist ein Deutsch, was man noch nicht hörte, eine kräftige, körnige, ja sogar ist's eine wohlklingende Sprache.“

      „Dann ist's ein Hexenmeister, Abt. Wer Deutsch wohl reden kann, tut's nimmer mit rechten Dingen.“

      „Er verdreht nicht die Augen, er streckt nicht die Arme aus, wie die Dominikaner, er sucht nicht zu erschüttern durch schreckliche Bilder, noch die Herzen der Frauen durch sanfte Vorstellungen und Klagen zu erweichen. Man möchte sagen, er redet von der Leber weg, er redet von der Kanzel, wie er zu Hause reden würde. Bisweilen erhebt sich wohl seine Stimme, wo er in Zorn gerät, dann rollt es wie ein Donner und man sieht erschrocken hin, wo es wohl einschlagen wird. Aber dann steht er wieder oben, wie ein Kind, das selbst nicht weiß, welche Macht ihm gegeben ist. Er spricht zu den Hörern wie auf der Straße, im Haus, wie ein guter Mann zu Zänkern in der Herberge sprechen würde; zutraulich, freundlich, als bitte er sie um Rat in einer gemeinsamen Sache, wo er ihnen doch Rat gibt. Hochwürdigster Herr, da in dieser Weise widersteht ihm keiner; er könnte mehr sagen, Irrtümer, Torheiten, selbst Ketzereien, sie würden ihm auch folgen, glauben. Ich glaube, wenn der Teufel diesen Mann gewönne, ich meine im Augenblick, wo der Feuerstrom seiner Worte die Gemeine mit sich reißt, der Erbfeind könnte noch einmal auf der Erde siegen.“

      „Lebe einer in Wittenberg vierzehn Tage, und höre, sehe das mit an, und bleibe ruhig!“

      „Ei, Ihr seid selber fortgerissen.“

      „Wie heißt er doch gleich; ich vergesse immer wieder den Namen, Lucer oder Luder?“

      „Er nennt sich Luther.“

      „Meinethalben auch Luzifer. Was liegt am Namen. Er will berühmt werden. Die Kirchengeschichte weiß von vielen Mönchen, bei denen es rappelte, und ihre Namen sind vergessen trotz ihrer Predigten, und die Weiber lagen doch in Verzückungen vor der Kanzel.“

      „Ich bekam keine Verzückungen, im Gegenteil durchschauerte es mich zuweilen, wie ein Frost, wenn ich an die Zukunft dachte. Als Ihr ankamt, beschiedet Ihr ihn zu Euch. Er kam mit demütiger Miene, fast erschrocken über die Ehre, die Ihr ihm erwiest. Er versprach, nachzudenken, innezuhalten, wenn Ihr es ihm beföhlt. Das war nur die Wirkung des augenblicklichen Gefühls der Ehrfurcht vor Eurer Würde und Eurer Person. Aber er kann gar nicht innehalten, sage ich Euch, er ist eine Natur, wo heraus muss, was drinnen lodert; wie ein Feuer nicht innehält, ein Sturm nicht schweigt, wie eine Orgel nicht plötzlich auf einen Druck aufhört, kann er auch nicht aufhören. Als ich zu ihm kam, der Ritter Jagow war mit mir, war er zuerst auch betroffen, da ich mich ihm zu erkennen gab, er hatte es nicht gedacht, dass sein einfältig Reden bis zu uns gedrungen sei, und wir's für etwas mehr hielten, als die Meinung eines schlichten Mönches. Da ließ er sich auf die Schulter klopfen und sank zusammen. Das dauerte jedoch nur geringe Zeit, und als ich ausgeredet hatte, erhob er sich wieder Zoll um Zoll, bis er so groß schien, als der schwarze hohe Ofen in seiner Zelle, an den er sich lehnte. Das sprudelte und floss von seiner Lippe, Dinge, die er nicht verantworten konnte, die nicht von ihm kamen, über Papst, Kirche, Konzilien, Gottes Wort. Das ging wie ein brausender Sturm hin, und ich war ungewiss, ob er selbst alles wüsste, was er sprach.“

      „Zitterte er dabei wie Besessene?“

      „Nein. Besessene kenne ich. Da erscheint es wie von außen eingeblasen, wassersüchtig, schwammig, die Augen glühen irr. Davon nichts bei ihm. Es schüttelte ihn wohl, aber wie ein körniger, gesunder Mensch, der's in Überfülle von Kraft an einem frischen Morgen tut, und die Augen strahlten wie Diamant, dass ich meine senken musste.“

      „Und da sprach er von der Verderbnis der Kirche.“

      „Aber wie!“

      „Ein altes Lied. Verschont meine Ohren damit. Jedes Kind singt es, aber wie's besser zu machen, da sperrt der Gescheiteste wie ein Ochs das Maul auf, wo es handeln gilt. Macht die Menschen anders, so könnt Ihr auch die Einrichtungen anders machen. Zapft Adams Blut ab, gießt Fischblut, Vogelblut, Engelblut in unsere Adern, dann versucht's! Bis dahin sind alle Verbesserer von Welt und Kirche Narren. Meinethalben nennt's ein zerbrechlich, baufällig Haus, aber es steht anderthalbtausend Jahre, Ihr werdet kein anderes bauen. Also schichtet Euch ein, 's ist warm drin, sucht die besten Winkel; vor Regen und Sturm schützt es schon noch, wer sich zu ducken weiß.“

      „Ich bin kein Reformator“, sagte der Abt verwundert über die Heftigkeit.

      „Ihr nicht, aber es gibt noch ganz andere als den läppischen Mönch.“

      „Und das ist's, was ich fürchte,“ hub der Abt an, mit einer so festen, ernsten Stimme, als die des Bischofs eben heftig und sprudelnd war. „Das Klagelied hat die Welt durchdrungen, es summt aus allen Winkeln wieder. Alle Ketzergerichte haben es nicht totgemacht, im Gegenteil, sie haben ihm nur immer neuen Stoff gegeben. Die Kirche freilich auch, vor allem das ärgerliche Leben der Welschen, die vielen Doppelpäpste haben vorm Volke die Autorität der Kirche angegriffen –“

      „Lieber Freund und Bruder, lest mir kein Kollegium, ich muss es täglich hören, wenn ich in Berlin bin.“

      „Aber die deutsche Nation muss es hören von den Kathedern herab, aus den Buchdruckereien, die Gelehrten sind es ja, die das Volk aufwiegeln. In Basel, Straßburg, Rotterdam, wo wird nicht gedruckt, dass die Geistlichen ein abscheuliches Leben führen, dass die Klöster Konvente der Faulheit, des Ungehorsams und der Unzucht sind, dass die Prälaten im Fette schwimmen, wo werden nicht unsere Bäuche verschrieen. In Gesetzbüchern liest man's sogar, wir wären unkeusch, gefräßig, habsüchtig und was weiß ich. Alle die Gelehrten, die in hohem Ansehen stehen, die Reuchlin, Erasmus, spitzen ihre Federn gegen uns.“

      „Lateinisch! Das Latein ist eine herrliche Sprache, schon darum, weil das Volk sie nicht versteht.“

      „Aber Luther spricht deutsch, er spricht deutsch, er wird auch deutsch drucken lassen, wie ich hörte. Erwägt das, Hochwürdiger; in die großen Haufen des Volkes geht das Gift nun über, das in den einzelnen Schalen und Gefäßen uns keinen Schaden tat. Es spritzt in alle Adern.“

      „Es ist längst da.“

      „Wie Asche, unter der der Funke glimmt, wie Zunder, der sich danach sehnt, wie eine Mine, die der Feuerwerker gelegt, um eine Festung in die Luft zu sprengen. Nur eines Funkens bedarf es, sie zu entzünden. Dieser Wittenberger, dieser Mönch aus dem Volke, ich fürchte, er wird der Funke sein. Man sagt, er geht damit um, die Vulgata ins Deutsche zu übersetzen; mag er übersetzen, was er Lust hat, aber er übersetzt in lebendige Rede die Stimmungen und das Missvergnügen

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