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werden, denn er hat, was sie sagen, über die Schnur gehauen, und der Tezel verkauft den Ablass für den Papst; nämlich eigentlich für den Erzbischof Albrecht von Mainz, unseres allergnädigsten Kurfürsten Bruder, von dem er die Einnahme gepachtet hat, der aber teilt den Erlös mit dem Papst zu Rom, und dafür wird die neue große Kirche in Rom gebaut. Also hat der Augustinermönch sich unterstanden, gegen den allerheiligsten Papst selbst zu reden, da das Geld in dessen Säckel fließt; aber sagen, sie von der andern Seite, weil das Geld so aus dem Land geht, werden die großen Herren und Fürsten, die's im Grund nicht gern sehen, wohl ein Auge zudrücken, und der Wittenberger wird wohl noch mit 'nem blauen Auge davonkommen, dass er das Maul so weit aufgerissen. Daher erklären sie's auch, dass der allergnädigste Kurfürst den hochwürdigsten Bischof zu ihm geschickt. Der soll ihm zureden, dass er widerruft, und dann bleibt alles beim Alten.“

      „Beim Alten!“, sagte nachdenklich die Edelfrau. „Was wird denn aus dem Tezel?“

      „Wird auch schon zu uns kommen.“

      „Zu uns!“, rief die Burgfrau und ihr Auge blickte wieder so scharf und hell, als man's nur sah in ihren kräftigen Jahren. „Wer den Dominikaner sieht, tut ihm wohl den Dienst und sagt ihm, hierher möcht er nicht kommen. Die alte Bredow rät's ihm. Mein Haus steht jedem guten Mann offen, aber mit seinem Kasten soll er nicht über meine Schwelle: Mir graute davor. Er hat zu viel Sünde ausgekauft, die stinkt schmutzig, und will's rein bei mir haben, rein bis zu meinem seligen Ende. Und will's rein halten, das merkt Euch, unter Euch allen, grad' wie's Not tut für Hohenziatz, und dazu brauch ich Wasser, Seife, Besen, und was sonst, aber keine Ablassbriefe, und wären sie noch weiter her als Rom.“

      Die Spinnstube war aufgehoben.

      Da stand der Meier mit der großen Hauslaterne vor der Frau, und wie sie den Schlüsselbund aus Ruprechts Hand nahm, schien, es wieder die Frau von Bredow, die auch dem Alter kein Recht gönnen wollte, wenn es in ihre Rechte eingriff.

      „Gnädige Frau, heute?“, sagte der Meier mit fragender Miene.

      „Es stürmt und heult,“ setzte Knecht Ruprecht hinzu. „Lasst mich den Umgang tun und den Meier; wir sehen schon scharf zu, dass keine Tür aufsteht, und kein Funken glimmt.“

      „Die Anne Liese hat Euer Stüblein oben tüchtig geheizt, auch warme Becken zu Füßen ins Bett gelegt und einen Wolfspelz auf die Dielen, dass Ihr Euch nicht verkühlt beim Einsteigen.“

      Die Edelfrau antwortete nicht, was den Knechten Mut machte, fortzufahren.

      „Der Ritter hat's uns aufs gewissen gebunden letzthin, und die junge gnädige Frau noch mehr. Wie sehen sie's ungern, dass Ihr noch immer hier in dem öden Haus wirtschaftet, als wär's wie sonst. In ihrem warmen Hause in der Brüderstraße zu Köln möchten sie's Euch so gut machen, zumal in der bösen Winterzeit.“

      „Als wär's wie sonst!“ wiederholte Frau von Bredow mit einem leisen Seufzer. „Ja, ja, es ist wohl anders. Was hilft da all unser Arbeiten, das wir vorauswissen, wir werden einmal schwach.“

      Aber der Umgang unterblieb nicht, und wer sie so treppauf, treppab steigen sah und wie ihr Auge durchs Dunkel schaute, hätte nicht gemeint, dass sie schwach geworden.

      Nun saß sie wieder in ihrer warmen Stube, wo der große Ofen dampfte, und der Wolfspelz lag vorm Bett, und sie trank die Schale gewürzter Biersuppe, welche Anne Liese zum Schlaftrunk gebracht.

      Die Anne Liese wäre, dünkt uns, ziemlicher zur Gesellschaft gewesen bei der Burgfrau, als der Knecht Ruprecht um diese Stunde. Aber er ging nicht und sie hieß ihn nicht gehen. Die Anne Liese war eine treue Magd, aber plaudern konnte die Frau von Bredow nicht mit ihr, wie sie es liebte, und wenn sich manches in ihr und um sie geändert, das war nicht anders geworden, dass sie gern plauderte, und am liebsten mit solchen, die mit ihr zu plaudern verstanden.

      Aus dem Dampf der würzigen Suppe tauchten alte Bilder vor ihr auf.

      Zweites Kapitel

      Die späten Gäste

      Das Gespräch musste lebhaft gewesen sein, denn der Zeiger zeigte schon auf die elfte Stunde, und noch lag Frau Brigitte nicht im Bette, und noch saß der Knecht Ruprecht auf der Ofenbank.

      „Und darum bist Du nicht im Rechten“, sagte sie jetzt. „Denn als Gott den Menschen schuf, schuf er ihn nach seinem Ebenbilde, so steht's geschrieben, nicht nach den Tieren. Und wie soll's nun kommen, dass man des Menschen Zukunft und was ihn angeht, lesen soll in dem Geschnatter oder Geflatter von wilden Gänsen! Der Vogel weiß nicht mehr, als was er wusste, da der Herr ihn geschaffen hat; noch hat der Fisch was zu gelernt, seit die Welt steht. Sie tun, die Kreaturen, wie ihre Art ist. Aber mit der Menschenkreatur ist's ein anderes Wesen, Ruprecht; das ist nicht Abrichtung, als wie's ein guter Reiter mit 'nem guten Pferde macht. Der Reiter sitzt in der Kreatur, da sprosst's und treibt's, denk ich, und schlägt aus, und gar nicht dahin, wohin man denkt. Darum kann niemand voraussagen, wohin er kommt.“

      „In die Grube“, erwiderte der Knecht. „Sechs Bretter sind unser aller letztes Haus.“

      „Aus dem Haus geht man aber in ein anderes.“

      „Ich meine so, wenn der Sargdeckel fällt und die Erde darauf geschaufelt wird, ist's mit uns aus, nämlich hier auf der Erde. Was nachher kommt, ist Gottes Gnade, aber wenn durch Gottes Ungnade einer wiederkehrt, nämlich als Geist, der kann nun spuken, wie es ist, aber er hat kein Recht und Fug hier, und schafft und treibt so wenig was, als das Wasser von Silberschaum in den Krippeln die Mühlen treibt.“

      „Wenn einer ein schönes großes Auge hatte“, erwiderte nach einer Weile freundlich die Burgfrau, „und er sah Dir recht in Dein Auge, ich denke, Du siehst das noch immer, auch wenn er fort, auch wenn er längst Staub ist. Denk an den gottseligen Markgrafen. Wer den Johann Cicero einmal so recht anschaute, der vergisst's nicht. Ich meine, solch ein Auge kann auch gar nicht untergehen. Ein Reh hat auch schöne Augen, auch ein Ross kann furchtbar schön blicken, doch wenn sie gefallen sind, bleibt nichts zurück. Aber eines Menschen Blick, Ruprecht, kann wie der Zunder zünden, und die Flamme brennt noch lange fort, wenn der Funke verglommen ist. Und ist auch die Flamme verlöscht, so bleibt wohl wieder ein Funke, der wieder ein Feuer anzündet. So denk ich mir manches Mal, ist's mit dem Geiste des Menschen, das wenn sein Körper längst Moder ist und seine Seele im Himmelreich, der noch fortschafft auf dieser Erde. Sieh, des Schreiners Arbeit und gar des Maurers, wie lange lebt's nach ihm fort. Und der Orgelbauer, dessen Stimme schallt noch nach hundert Jahren zu den Menschenkindern, die nichts von ihm wissen.“

      „Und erst der Glockengießer, Gestrenge!“

      „Und wer zuerst die schönen Kirchenlieder sang, davon das Herz sich hebt. Ruprecht ist nicht mit uns aus, wenn der Sargdeckel fällt. Wer rechtschaffen gelebt und gearbeitet hat, der arbeitet noch fort in Kind und Kindeskind; man merkt's nur nicht.“

      „Ich meine“, entgegnete Ruprecht, „der Mensch will's, wie die Bäume tun, die möchten auch immer höher hinauf, aber in der Schrift steht geschrieben, es ist dafür gesorgt, dass sie nicht in den Himmel wachsen. Ich meine nun, der Mensch hat nur das voraus, vor dem grünen Gewächs und vor dem Vieh, dass er denkt, er könnt's anders und besser machen, als es ist. Und das, mein ich, geradewegs vom Bösen. Das ist der Hochmut, dass wir bauen, denn die höchsten Türme stürzen am Ersten ein, wie der von Babylon. Und wenn alle Menschen zusammenblasen mit ihren Lungen, können sie noch nicht fliegen, wie der kleinste Maikäfer. Wir könnten viel lernen noch, sagen sie, wo lernt denn aber einer mir das, was ihm gut ist, und frisst doch kein Hase Kraut, was ihm nicht gut ist. Ja, lernen ist schon gut, aber es sollte eine Kreatur von der anderen lernen, dazu hat sie unser Herrgott so untereinander gewürfelt, die Pflanze von den Steinen, die wollen gar nicht wachsen, die Tiere von den Pflanzen und die Menschen von den Tieren.“

      „Von den Tieren, Ruprecht, Gottes Ebenbild?“

      „Die Vögel haben Nester gebaut, eh' der Mensch sich Wohnungen machte, der Bär kriegte seinen Winterpelz, eh' der Mensch sich Kleider webte. Die Schwalbe hat gewiss eher den Frühling gewittert, ehe denn Adam merkte, dass der Winter vorüber wäre, und er wieder raus muhte zum Graben. Darum ist das mein Sinn, dieweil die Tiere sind

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