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hat aus dem Brunnen, und stellt den Eimer an seinen Platz; dann entfernt sie ein Steinchen aus dem Goldlacktopf, geht in die Küche, begrüßt Efix und fragt ihn, ob er schon seinen Kaffee bekommen habe.

      »Ja, ja – schon lange, Herrin.«

      Inzwischen war auch Noemi mit dem Telegramm in der Hand heruntergekommen. Aber sie entschloss sich nicht, es vorzulesen; es bereitete ihr fast ein heimliches Vergnügen, die bange Neugier des Knechts auf die Folter zu spannen.

       »Esther«, sagte sie und setzte sich auf die Bank neben dem Herd, »warum legst du dein Tuch nicht ab?«

      »Heute Vormittag ist Messe in der Basilika, ich gehe gleich wieder. So lies doch vor!«

      Auch Esther setzte sich auf die Bank, und Fräulein Ruth folgte ihrem Beispiel. Und wenn die drei Schwestern so nebeneinandersaßen, sahen sie sich seltsam ähnlich; nur daß sie eben drei verschiedene Lebensalter verkörperten: Noemi die Jugend, Esther die Reife und Ruth das Alter – ein rüstiges, von heiterer Ruhe verklärtes Alter.

      Der Knecht war vor sie hingetreten und wartete; aber nachdem Fräulein Noemi das gelbe Papier auseinandergefaltet hatte, betrachtete sie es starr, als wenn sie die Worte darauf nicht entziffern könnte, und schüttelte es schließlich ärgerlich in der Hand.

      »Nun, er telegraphiert, dass er in wenigen Tagen hier sein wird. Das ist alles.«

      Sie erhob die Augen und errötete, als ihr strenger Blick auf Efix' Gesicht fiel; auch die beiden anderen schauten ihn an.

      »Verstehst du? Ganz so, als wenn er hier zu Hause wäre.«

      »Was sagst du dazu?« fragte Fräulein Esther, mit einem Finger durch den Spalt des Tuches zeigend.

      Efix leuchtete über das ganze Gesicht; die vielen kleinen Fältchen um seine lebhaft blitzenden Augen sahen wie Strahlen aus, und er versuchte seine Freude nicht zu verbergen.

      »Ich bin zwar nur ein armer Knecht, aber ich sage mir, der Himmel weiß schon, was er tut.«

       »Gottlob, endlich einmal ein vernünftiges Wort«, sagte Fräulein Esther.

      Noemi aber war wieder totenbleich geworden. Entrüstete Worte drängten über ihre Lippen, und obgleich sie sich wie immer vor dem Knecht zu beherrschen verstand – sie gab übrigens nicht viel auf seine Meinung –, erwiderte sie doch:

      »Damit hat doch der Himmel nichts zu tun, und darum handelt es sich ja auch nicht. Es handelt sich«, setzte sie nach kurzem Zögern hinzu, »ja, es handelt sich darum, ihm kurz und bündig zu antworten, dass in unserem Haus kein Platz für ihn ist.«

      Da breitete Efix die Arme aus und beugte ein wenig den Kopf zurück, als wollte er sagen: Nun, weshalb fragt ihr mich dann um Rat?

      Esther aber lachte scharf auf, erhob sich und schlug zornig die schwarzen Zipfel ihres Tuches zurück. »Und zu wem soll er dann gehen? Vielleicht zum Herrn Pfarrer, wie die Fremden, die kein Obdach finden?«

      »Ich würde ihm eher überhaupt nicht antworten«, schlug Fräulein Ruth vor und nahm Noemi das Telegramm aus der Hand, das diese unruhig immer wieder auf- und zu faltete. »Kommt er trotzdem, so ist's gut. Dann können wir ihn wie jeden Fremden aufnehmen. Tritt ein, bring Glück herein!« setzte sie hinzu, als wenn sie einen in die Tür tretenden Gast begrüßen wollte. »Und wenn er nicht gut tut, ist es noch immer Zeit, ein Wort zu sagen.«

       Aber Esther sah lächelnd ihre Schwester an, die die schüchternste und unentschlossenste von allen dreien war, neigte sich auf sie zu und legte die Hand auf ihre Knie: »Ihn fortzujagen, meinst du wohl? Ausgezeichnet, liebe Schwester! Und wirst du das Herz dazu haben, Ruth?«

      Efix überlegte. Plötzlich hob er den Kopf und legte die Hand beteuernd an die Brust.

      »Dafür werde ich schon sorgen«, versprach er feierlich.

      Da begegneten seine Augen denen Noemis, und er, der stets Angst hatte vor diesen hellen, kalten, abgrundtiefen Augen, begriff, dass die junge Herrin sein Versprechen ernst nahm.

      Doch er bereute es nicht. Er hatte ja schon ganz andere Verantwortungen auf sich genommen in seinem Leben.

      Er blieb den ganzen Tag im Dorf.

      Zwar war er unruhig wegen des Gutes – obwohl es in dieser Jahreszeit dort wenig zu stehlen gab –, aber ihm schien, dass ein heimlicher Zwiespalt seine Herrinnen bekümmerte, und er gedachte nicht aufzubrechen, bevor er sie nicht einig sah.

      Fräulein Esther räumte in der Küche auf und ging dann wieder fort, um sich in die Basilika zu begeben. Efix versprach, bald nachzukommen; aber als Fräulein Noemi nach oben ging, trat er wieder in die Küche und bat Fräulein Ruth, die auf dem Boden kniete und etwas Teig auf einem niedrigen Schemel knetete, leise um das Telegramm. Sie hob den Kopf und schob mit der mehlbestäubten Faust das Tuch aus der Stirn.

      »Hast du gehört?« spielte sie leise auf Noemi an. »Sie bleibt stets die alte! Der Stolz beherrscht sie ...«

       »Richtig«, bekräftigte Efix sinnend. »Wer adligen Geblütes ist, der bleibt es auch, Fräulein Ruth. Sie finden eine alte Münze auf dem Boden, glauben zunächst, sie sei aus Eisen, weil sie ganz schwarz angelaufen ist; doch reiben Sie sie dann blank, so sehen Sie, daß sie aus lauterem Gold ist ... Gold bleibt Gold ...«

      Ruth erkannte, dass sie Noemis verwerflichen Stolz nicht zu entschuldigen brauchte vor Efix, und da sie sich stets willig der Meinung der anderen anschloss, heiterte sich ihr Gesicht wieder auf.

      »Weißt du noch, wie stolz mein Vater war?« sagte sie und wühlte die roten, blaugeäderten Hände wieder in den blassen Teig. »Er sprach genauso. Er hätte Giacinto sicher nicht einmal erlaubt, an Land zu gehen. Was meinst du, Efix?«

      »Ich? Nun, ich bin zwar nur ein armer Knecht, aber ich meine, Don Giacinto wäre trotzdem an Land gegangen.«

      »Du meinst, er ist der Sohn seiner Mutter«, seufzte Ruth, und auch der Knecht seufzte leise. Immer und immer wieder umhüllte sie der Schatten der Vergangenheit.

      Aber der Alte machte eine abwehrende Geste, wie um diesen Schatten zu verscheuchen, und während er mit aufmerksamen Augen die Bewegungen der roten Hände verfolgte, die den weißen Teig walkten, kneteten und schlugen, fuhr er ruhig fort:

       »Er ist ein guter Junge, und der Himmel wird ihm helfen. Aber man muss darauf achten, dass er sich nicht das Sumpffieber holt. Ferner sollte man ein Pferd für ihn kaufen, weil die Leute dort – auf dem Festland nicht gewohnt sind, zu Fuß zu gehen. Aber das lasst meine Sorge sein. Das Wichtigste ist, dass die Herrinnen untereinander einig sind.«

      »Und sind wir das nicht? Hast du uns vielleicht streiten hören? Willst du jetzt nicht lieber zur Messe gehen, Efix?«

      Da begriff er, dass sie ihn verabschiedete, und ging in den Hof. Aber er blickte um sich, ob er nicht auch noch gleich mit Fräulein Noemi sprechen könnte. Ah – dort steht sie ja auf der Veranda und holt gerade die Decke herein. Sie herunterzubitten, ist wohl zwecklos; nein, er muss schon selbst zu ihr hinaufgehen.

      »Fräulein Noemi, dürfte ich Sie etwas fragen? Freuen Sie sich eigentlich?«

      Erstaunt, mit der Decke unterm Arm, sah Noemi ihn an.

      »Über was denn?«

      »Nun, dass Don Giacinto kommt. Sie werden sehen, er ist ein guter Junge.«

      »So? Wo hast du ihn denn kennengelernt?«

      »Das sieht man doch schon aus seinen Briefen. Er wird es bestimmt zu etwas bringen. Man muss ihm ein Pferd kaufen ...«

      »Und auch die Sporen dazu, natürlich ...«

      »Hauptsache ist, dass die Herrinnen untereinander einig sind. Ja, das ist das Wichtigste.«

      Sie zupfte ein Fäserchen von der Decke und warf es in den Hof; ihr Gesicht hatte sich verdüstert.

      »Wann sind wir schon einmal nicht einig gewesen? Ich denke, bisher doch immer.«

       »Ja – aber – mir scheint, Sie freuen sich nicht

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