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Nächste, was wir über Sallust erfahren, stammt aus der Feder von Cassius Dio: Sallust wird im Jahre 50 v. Chr. aus dem Senat geworfen,22 angeblich wegen seines unsittlichen Lebenswandels. Bekannt war, dass Sallust zu einem früheren Zeitpunkt eine Affäre mit Fausta, der Tochter von Sulla, unterhalten hatte und die beiden einmal von Faustas Ehemann Milo ertappt worden waren. Erst nach einer gehörigen Portion Schläge und der Bezahlung einer „Reparatur“-Summe konnte Sallust fliehen.23 Um das Bild abzurunden, meldete sich auch Lenaeus, ein Grammatiker und Freigelassener des Pompeius, der, vielleicht als Vergeltung für die feindliche Einstellung des Sallust gegenüber Pompeius, den Historiker mit „Schuft, Schlemmer und liederlichem Individuum“ betitelte.24 Die Tatsache, dass Sallust ein Parteigänger von Caesar war, hat sicher bei seinem Rauswurf eine Rolle gespielt und außerdem die Optimates wollten sich für ihre Niederlage im Fall Milo rächen. Im Jahr 49 v. Chr. machte Caesar ihn erneut zum Quästor, sodass Sallust in den Senat zurückkehren konnte.25 Mit dem Beginn des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius finden wir Sallust an der Seite von Caesar als Befehlshaber einer Legion, die in Illyrien engagiert war, am Ende jedoch von den Pompeianern geschlagen wurde.26

      Die nächste militärische „Operation“ von Sallust verlief auch nicht erfolgreicher: Caesars Truppen waren im Jahr 47 v. Chr. in Kampanien stationiert, wo sie sich auf ihre nächste Kampagne in Afrika vorbereiteten. Diesmal konnte Caesar die großzügigen Versprechungen, die er seiner Truppe gegeben hatte, nicht in vollem Umfang erfüllen, weswegen es zu einer Meuterei kam. Caesar schickte Sallust nach Kampanien, um die Gemüter zu beruhigen, doch, so berichtet Cassius Dio:27

       Diese Leute hätten den Sallust .... beinahe umgebracht. Als er dann ihren Händen glücklich entronnen, zwecks Berichterstattung über die Vorfälle nach Rom zu Caesar eilte, folgten ihm viele Rebellen, die niemanden auf ihrem Wege schonten und neben anderen, denen sie begegneten, auch zwei Senatoren ermordeten.

      In Rom angekommen, wollten die Rebellen mit Caesar sprechen; sie beklagten sich über all die Strapazen und Gefahren, die sie für ihn auf sich nehmen mussten, und verlangten zusätzlich zu der ihnen bereits versprochenen Belohnung, dass er sie aus seinem Dienst entlasse. Cassius Dio schreibt in diesem Zusammenhang:

      ….sie wollten nicht wirklich ins Privatleben zurückkehren – dies lag ihnen ja durchaus fern, da sie schon lange an die Vorteile des Kriegerlebens gewöhnt waren – sondern weil sie meinten, auf solche Weise Caesar einschüchtern und alle erdenklichen Wünsche durchsetzen zu können: er stand ja unmittelbar vor dem Feldzug nach Afrika.

      Aber Caesar kannte seine Leute: Er tat so, als ob er einverstanden wäre:

      „Nun, meine Mitbürger, ihr habt recht, ihr seid natürlich erschöpft und wundenbedeckt!“ Dann entließ er sie alle auf der Stelle, wie wenn er offensichtlich ihrer Hilfe nicht mehr bedürfe.

      Auf diese Wendung waren die Soldaten nicht vorbereitet. Besonders erschüttert waren sie, weil er sie Bürger und nicht Soldaten genannt hatte. Am Ende entschließen sich daraufhin doch die meisten dafür, im Dienste Caesars weiterzukämpfen. Caesar setzte nach Afrika über, wo er seine Kontrahenten nach ersten Schwierigkeiten schließlich besiegen konnte. Im Rahmen dieser Kampagne gewann er für Rom die Provinz Numidien (ein Teil des heutigen Algeriens und Tunesiens), die den Name Africa nova erhielt. Sallust kämpfte in diesem Krieg an der Seite Caesars und es wird berichtet, dass er große Mengen an Getreide für das Heer Caesars von der Insel Cercina (heute Kerkenna) holen konnte. Dafür wurde Sallust reichlich belohnt; Cassius schreibt:28

      ….[Caesar] machte die Numidier zu Untertanen und überließ sie dem Sallust, angeblich um sie zu beherrschen, in Wirklichkeit aber, um sie gründlich auszuplündern. Jedenfalls nahm dieser Mann so viele Bestechungsgelder entgegen und ließ sich derartige Räubereien zuschulden kommen, dass er angeklagt wurde und schwerste Schande auf sich lud; denn nachdem er solche Schriften, wie er sie verfasst und darin zahlreiche bittere Bemerkungen über die Blutsauger gemacht hatte, handelte er nicht seinen Worten entsprechend.

      Es war natürlich nicht unüblich, dass sich die Prokonsuln auf Kosten ihrer Provinzen bereicherten, aber offensichtlich gab es im römischen Senat doch noch einen Rest von Anstand, sodass die zurückkehrenden Herrscher oftmals vor Gericht gestellt wurden. Im Fall von Sallust wissen wir aus mehreren Quellen, dass ihm im Jahr 45 v. Chr. der Prozess gemacht wurde, aber auch, dass Caesar, mittlerweile der absolute Herrscher in Rom, seine schützende Hand über ihn hielt, wahrscheinlich gegen einen entsprechenden „Kick-back“.29 Ein Jahr später wurde Caesar ermordet. Nach seinem Tod sah Sallust keine Möglichkeit mehr, sich im römischen Politikdschungel zu bewähren, und zog sich in seine Villa zurück. Er selbst berichtet:30

       Als ich daher nach vielen Leiden und Widerwärtigkeiten wieder zur Ruhe gekommen und fest entschlossen war, den Rest meines Lebens fern von Staatsgeschäften zu verbringen, da war es nicht meine Absicht, in sorglosem Nichtstun die schöne Muße zu vergeuden oder gar mein Leben lang mit Ackerbau oder Jagd mich zu beschäftigen, wie es die Sklaven tun. Nein, ich wandte mich der früheren Liebhaberei wieder zu, von der mich einst die leidige Ehrsucht ferngehalten hatte, und beschloß, die Geschichte des römischen Volkes in Auswahl darzustellen …

      Im Gegensatz zu Sallust sah Cicero nach der Ermordung Caesars seine große Chance gekommen, von Neuem eine wichtige Rolle in der römischen Politik zu spielen. Er versuchte, den jungen Octavian zum Krieg gegen Antonius zu bewegen, und hielt mehrere Hetzreden (Philippiken) gegen Letzteren. Cicero provozierte Antonius so lange, bis dieser seine Schergen auf ihn ansetzte. Der junge Octavian, noch nicht Augustus, hatte sich inzwischen mit Antonius versöhnt und tat nichts, um Cicero zu schützen, der daraufhin versuchte, sich in den Hafen von Gaeta zu flüchten. Als er jedoch von seinen Verfolgern eingeholt wurde, ließ er die Sänfte, in der er saß, auf dem Boden absetzen und streckte seinen Kopf heraus, den ihm Antoniusʼ Schergen daraufhin abschlugen.31

       3. Ist alles wahr?

       Die alten Historiker und Schriftsteller haben sich nicht nur mit Kriegen, Staatsbildung und Heldentaten beschäftigt, sondern haben ihre Erzählungen oft mit pikanten Details aus dem Privatleben ihrer berühmten Charaktere gespickt. Das haben auch Sallust und Cicero getan, doch sie konnten nicht vermeiden, dass spätere Historiker über sie genauso frei und frech berichteten. Aber ist alles wahr, was man über Sallust erzählt hat? Moderne Historiker haben ihre wahre Freude daran, die interessantesten Klatschgeschichten der Antike zu demontieren. Niemand möchte als naiver Zeuge einer unzuverlässigen Quelle dastehen und so werden im Kreis der Historiker Zweifel an der Wahrheit einiger Berichte über Sallust kultiviert, zum Beispiel an der seiner angeblichen Eskapade mit Milos Frau. Sie wird von Aulus Gellius erzählt, der sich wiederum auf den Historiker Varro, „einen Mann von großer Vertrauenswürdigkeit und Autorität“, beruft. Zweifel herrschen auch im Hinblick auf den vermutlichen Kick-back, den Sallust Caesar zukommen lassen musste, um sich dem Prozess wegen der Plünderung von Africa nova entziehen zu können. Nur der Pseudo-Cicero gibt eine genaue Summe an: 12.000 Sesterzen. Die Historiker schrecken noch nicht einmal vor einem Heiligen und Kirchenvater wie Hieronymus zurück: Seine Aussage über die Ehe des Sallust mit Ciceros Exfrau Terentia gilt mittlerweile als erfunden. Cicero hatte sich von Terentia scheiden lassen und dann die fünfzehnjährige Publilia geheiratet.32 Hieronymus erzählt, dass Terentia nach ihrer Scheidung von dem berühmten Redner seinen „Feind“ Sallust heiratete, bevor sie schließlich die Frau von Messala Corvinus wurde, der ebenfalls als Schriftsteller tätig war, bei seinen Zeitgenossen aber anscheinend kein allzu großes Renommee genoss. Keine andere Quelle bestätigt, dass Terentias „Karriere“ in der Form verlaufen ist, doch Hieronymus bemerkt genüsslich, dass Terentia mit den drei Ehen mehrere Stufen in der Skala der Eloquenz heruntergepurzelt ist. Zugegeben, Hieronymus gilt als einer der Begründer der Anti-Sex-Theologie der katholischen Kirche, und die Geschichte über Terentia ist Teil seines frauenfeindlichen Pamphlets Adversus Jovinianum33, zusammen mit anderen berühmten unverschämten Berichten über Ehefrauen, beispielsweise über Xantippe, die Ehefrau von Sokrates. Dieses Pamphlet hatte den Zweck, die Männer, insbesondere die damals noch verheirateten Priester, vor den Machenschaften

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