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Cat's Rest. Gerda M. Neumann
Читать онлайн.Название Cat's Rest
Год выпуска 0
isbn 9783748507710
Автор произведения Gerda M. Neumann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Natürlich«, antwortete Helen mechanisch. Sie wollte aufstehen, doch Olivia hielt sie davon ab.
»Bleiben wir hier. Da hinten sind wir der Spurensicherung nur im Weg. Nachher können Sie Edith sicher sehen. Was haben Sie heute gemacht?«
Lange sah Helen in die dunklen braunen Augen neben sich, dann glitt ihr Blick wieder über die Wolle und Stoffe auf den Tresen. »Ich war in Kew Gardens. Im Moment finde ich das Licht in den schattigen Teilen dort zusammen mit den Blättern mehrerer Pflanzen besonders ungewöhnlich. Ich studiere die Farbwirkungen und versuche, neue Muster für meine Arbeit zu finden. Die Natur bringt mich immer wieder auf völlig neue Farbkombinationen und da es natürliche Farben sind, kann man sie auch immer irgendwie herstellen. – Ich war in der letzten Woche schon einmal dort«, ergänzte sie, jetzt wieder völlig mechanisch.
Die beiden Frauen saßen still nebeneinander. Die Geräusche aus Küche und Garten drangen zu ihnen wie Signale aus einer anderen Welt, die sie nichts angingen. Und doch würden sie Helen helfen, nach und nach die veränderte Wirklichkeit zumindest soweit an sich heranzulassen, dass sie imstande sein würde, sich Richards Fragen zu stellen. Diesen vorbereitenden Moment der Ruhe konnte Olivia ihr noch verschaffen.
Es dauerte nicht mehr allzu lange, bis Richard im Türrahmen erschien. Sein Hemd war wieder getrocknet und die Haare frisch gekämmt. Er machte sich mit Helen Campbell bekannt und fasste die dramatische Lage in wenigen ruhigen Sätzen zusammen. Gemeinsam gingen sie nach hinten. Olivia schloss sich ihnen nicht an, es waren auch ohne sie mehr als genug fremde Menschen dort um die Wege, wenn sie bedachte, was Helen sehen würde. Sie machte sich ihre eigenen Gedanken. Gerade als sie bei der Ansicht angelangt war, dass Helen über Nacht nicht allein bleiben sollte, wurde ein schmaler Metallsarg an ihr vorbeigetragen. Sie stand auf, als wollte sie der Toten ihre Ehre erweisen. Bald genug war der Sarg aus ihrem Blickfeld verschwunden. Sie seufzte leise und traurig und folgte dann doch Helen und Richard in den Garten.
Sie standen mitten auf dem Rasen, der um diese Tageszeit im Schatten lag. Die Temperatur war angenehm geworden. Helen Campbell hatte gerade von ihrem Besuch in Kew Gardens berichtet, jetzt fragte Richard nach genauen Einzelheiten. Sie war gegen halb zwölf Uhr von Zuhause weggegangen und mit dem Bus nach Kew gefahren; davor war sie in einem Geschäft für Wohnungseinrichtung in der King’s Road gewesen. Wann sie in Kew angekommen war, wusste sie nicht. Gegen sechs Uhr abends, das wusste sie, hatte sie sich auf den Rückweg gemacht, war am Carlyle Square ausgestiegen und hatte in der King’s Road einige Einkäufe gemacht, vor allem für das Essen der nächsten Tage. Dann war sie nach Hause gekommen.
Zaghaft sah Helen zum Haus. Als sie erkannte, dass die Leute vom Yard den äußeren Teil geräumt hatten, bat sie, sich setzen zu dürfen. Richard gruppierte drei Sessel im Halbrund mit Blick auf den Garten. »Erwartete Ihre Schwester Besuch zum Lunch?« fuhr er fort.
»Nein, ich denke nicht, das hätte sie mir erzählt. Wir hatten auch keinen Feldsalat im Haus«, stellte sie mit dieser gerade wieder ins mechanische abgleitenden Stimme fest, »und keinen Granatapfelsaft, den haben wir nie.«
»Alle anderen Sachen waren da?«
»Das weiß ich nicht, ich habe nicht genau geschaut, aber die zwei Sachen hatten wir sicher nicht.«
»Welcher von Ediths Freunden oder Freundinnen fällt Ihnen ein, der spontan zu einem Lunch vorbeikommen und gemeinsam mit ihrer Schwester in der Küche sitzen und Salat rupfen würde?«
»Ich weiß es wirklich nicht.« In die mechanische Sprechweise mischte sich Verzweiflung. Wieder ging ein Zucken durch Helens Körper, Olivia beobachtete diese Schockreaktionen mit wachsender Anspannung. »Was wollen Sie mit ihrer Frage? Denken Sie, derjenige, der zum Lunch diese Dinge mitbrachte, ist für Ediths Tod verantwortlich? Glauben Sie das? Und dann wollen Sie von mir wissen, wer das gewesen sein könnte? Das wagen Sie, so direkt zu fragen?« Die wie mechanisch wirkende Starre war wieder abgefallen, empört sah sie Richard an.
»Mrs Campbell, gegenwärtig wissen wir noch nicht einmal sicher, warum Ihre Schwester gestorben ist. Vielleicht ist der Tod ganz natürlich vor sich gegangen. Doch da wir nun einmal hier beisammen sind und es Grund dafür gibt, sich Fragen zu stellen, stelle ich sie. Ich interessiere mich für Fakten, nicht für Schlüsse daraus, das kann ich auch noch gar nicht.«
Helen zitterte unter einem langen Seufzer und zog sich wieder in sich zurück. Richard wartete. Da sie keine weiteren Reaktionen zeigte, störte er sie nach kurzer Pause wieder auf. »Ich bitte Sie noch einmal um Antwort: Welche Freundinnen kommen manchmal zum Lunch vorbei? Wir wenden uns nur an sie, wenn es nötig ist, verstehen Sie? Doch wenn es nötig ist, könnten wir dann ohne Verzug mit unserer Arbeit beginnen. Also – wer fällt Ihnen ein?«
Helens Blick belebte sich schließlich, blieb aber auf den Garten gerichtet: »Eigentlich niemand. Unsere Freunde arbeiten alle, wissen Sie. Sollte jemand von ihnen um die Mittagszeit in der Nähe sein, würde er vielleicht kommen, aber er – oder sie, um polizeipräzise zu sein, – würde fertige Sandwiches oder so etwas mitbringen, Edith würde einen Kaffee kochen und schon säße man draußen und unterhielte sich. Ich verstehe das alles nicht.«
»Das wäre auch zu viel verlangt«, schaltete Olivia sich ein. »Helen, Sie sollten heute Nacht nicht allein in diesem Haus bleiben. Wen könnten wir anrufen und bitten, für eine Nacht hierher zu kommen? Mit wem würden Sie gerne reden?«
»Marian – meine Tochter – aber sie ist nicht in London…« Es folgte nur ein Schauder.
»Wenn Ihre Tochter im Moment nicht in der Stadt ist, gibt es vielleicht eine Freundin?«
»Marilyn. Sie wohnt nicht weit weg, auf der anderen Seite der King’s Road.«
»Und sie ist in London?«
»Ja, ist sie.« Mechanisch wandte Helen sich Olivia zu. Unter dem ruhigen Blick, der versuchte, ihr Mut zuzusprechen, raffte sie sich erneut zusammen. »Auf Ediths Schreibtisch steht das Telefon, sie heißt Marilyn Fleming. Würden Sie sie anrufen? – Danke.«
Als Olivia im Arbeitszimmer telefonierte, erhob Richard sich. Er akzeptierte, dass Helen ihm heute nichts mehr sagen konnte, bis auf eine letzte Frage: »Würden Sie so freundlich sein und im Laden einen Blick auf die Katze werfen? Vielleicht haben Sie sie schon einmal gesehen.« Er ging voran.
Schaudernd starrte Helen auf das große Tier: »Wie grässlich! Ich habe sie gelegentlich hier in den Straßen gesehen – aber ich weiß nicht, wem sie gehört. Können Sie sie bitte mitnehmen!« Richard konnte, die Spurensicherung war noch nicht abgefahren. Sie steckten das Tier in eine große Folie, untersuchten den Truheninhalt, der jetzt frei lag, und gingen endlich. Schweigend hatte Helen dem zugesehen. Sie wirkte erleichtert, als die Männer und die Katze verschwunden waren. Auch Richard verabschiedete sich, Olivia wollte bleiben, bis Marilyn kam.
»Helen, wäre es möglich, dass wir diese Knäule aufschreiben und ich sie dann mitnehme?« startete Olivia einen Versuch zurück zur Routine.
»Ja, sicher.« Ruhig und selbstverständlich nahm Helen Papier und Stift und tat, was sie immer in dieser Situation tat. Aber sie achtete nicht auf die Farbauswahl und machte keine eigenen Vorschläge. Als alles erledigt war, blieben sie an die Tresen gelehnt stehen.
»Mögen Sie mir von Marilyn erzählen? Wie lange kennen Sie einander schon?«
Ein Seufzer verlor sich in der Stille, bevor Helen antwortete: »Ewigkeiten. Jahrzehnte, um etwas präziser zu sein. Wir haben uns in Saint Martin’s kennengelernt, auf der Mode- und Designschule, vielleicht haben Sie davon gehört? Sicher, sie ist ja berühmt genug. Wir waren derselbe Jahrgang.«
»Und wann war das?«
»In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, der wilden, aufregenden Sechziger, die hier in Chelsea, in der King’s Road am allerspannendsten waren. Manchmal fast zu spannend…«
»Gibt es das? Zu spannend, wenn man jung ist?«
»Gerade wenn man jung ist, glaube ich.« Helen sah Olivias fragenden Blick und nickte: »Meiner Einsicht nach gibt es zwei Hauptwege, kreativ zu sein, und das sollte man ja wohl zu sein versuchen, wenn man sich hauptberuflich mit dem Entwerfen