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leuchtend die Farben. Alle zeigten Stadtlandschaften in einfachen klaren Formen, aber fast jedes einzelne Feld war in sich noch einmal gemustert. Die Formen waren so angeordnet worden, dass das Auge unweigerlich zu einem Punkt sehr weit hinten gezogen wurde, beinahe hinter das Bild, dachte Olivia. Wenn die Bilder am Boden lägen, würde man vielleicht hineinspringen wollen wie in die Bilder des Pflastermalers in ›Mary Poppins‹.

       »Hier hat, glaube ich, Edith gewohnt… diesen Maler mochte sie offenbar besonders. Ich denke jedenfalls, dass alle Bilder von demselben Künstler sind. Vielleicht ein Freund aus früheren Zeiten, heute malt man eher anders.«

       »›VC‹ – immer dieselben Buchstaben«, teilte Richard mit. »Mrs Munroe sah abends eher fern oder hörte Musik, dürfen wir aus den Geräten schließen. Ihre Plattensammlung und Filme sind staubsicher hinter diesen Schranktüren, nehme ich an. Es ist mir von Rechts wegen nicht erlaubt, sie zu öffnen, also lasse ich es im Moment auch lieber. – Komm, wir gucken uns in Mrs Campbells Räumen um, bevor sie zurückkommt.«

       Im Stockwerk darunter war alles vollkommen anders. Es begann damit, dass die Räume untereinander verbunden waren, einschließlich des Badezimmers. Helen hatte ihre Wände farbig gestrichen: das Zimmer zur Straße in einem dunklen warmen blaugrau, den Raum zur Balustrade in einem hellen blaugrau, die Fensterfronten beider Räume und der Durchbruch strahlten in einem stillen Lindgrün, dass sich in sehr hellem Ton unter der Decke wiederholte. Die Möbel schienen zusammengesucht und alt zu sein, in den verschiedensten Farben ihrer Umgebung anempfunden. Beide Räume waren Wohnräume, auch wenn im vorderen ein Bett stand. Und überall war Wolle, lagen Muster, gestrickt, gezeichnet, Bücherstöße und Wollkataloge. Neben der offenen Tür auf den Balkon hinaus stand eine Strickmaschine, ein auberginefarbenes Teil war in Arbeit. Und zwischen all dem standen Zimmerpflanzen, der Blick auf den Balkon hinaus war wie der Blick in einen Garten – Pflanzen überall. »Dies muss Helen Campbells Reich sein«, entschied Olivia, »jetzt verstehe ich auch, warum sie so wenig im Laden ist.«

       Richard nickte zustimmend, er hatte sich um anderes gekümmert. »Ich denke, es sieht nicht nach einem überstürzten Aufbruch aus. Sie ist einfach gegangen, um nachher weiterzuarbeiten. Mehr steht uns im Moment nicht zu, festzustellen.« Sie gingen wieder hinunter. Helen Campbell kam noch immer nicht.

       Vor dem Küchentisch stehend zog Richard sein Handy aus der Tasche und bestellte ein Team zur Tatortsicherung. »Du hältst also Mord für möglich?« erkundigte Olivia sich anschließend.

       »Ich halte es für möglich, ja.« Sie waren wieder durch die Küche hinausgegangen. »Der Gesichtsausdruck der Toten und die Hand am Ausschnitt können auf eine Vergiftung deuten, die Ersticken hervorruft«, fuhr Richard fort, »sie können natürlich auch die Folge einer Krankheit sein, von der wir nichts wissen. Da wird uns der Hausarzt weiterhelfen. Außerdem will ich wissen, woran die Katze drüben in der Truhe gestorben ist. Ihr Kadaver ist mir zu viel des Zufalls.«

       Mit den Händen in den Hosentaschen musterte er die Reste auf dem Gartentisch. »Das alles sieht völlig normal aus.« Er warf einen sorgfältigen Blick auf den Küchentisch und blieb schließlich in der offenen Tür stehen, beide Tische im Blick. »Aber es ist nicht normal. Schau dir den Küchentisch an: Zwei Personen haben dort den Lunch vorbereitet. Sie haben das Notwendige hinausgetragen und alles andere stehen und liegen lassen. Das spricht für einen Gast. Wären es die beiden Schwestern gewesen, hätte eine zumindest die Salatabfälle aufgeräumt, während die andere die Schale und das übrige hinaustrug. Das schließe ich aus der ansonsten sehr ordentlichen Küche und den Augusttemperaturen. Bei dieser Hitze beseitigt ein ordentlicher Mensch die Essensreste. Gut. Wenn nun ein Gast aufbricht, zumal wenn er wie hier bei den Vorbereitungen zur Mahlzeit mithilft, ist das Verhältnis normalerweise so, dass man ihn zur Tür begleitet, das heißt hier: zur Ladentür. Käme Edith Munroe nun zurück, würde sie als erstes, vermutlich völlig mechanisch, die Reste hineintragen. So war es aber nicht, sie setzte sich in ihren Sessel. Unter welchen Umständen ist das plausibel?«

       »Sie fühlte sich nicht gut.«

       »Hätte sie dann nicht den Sessel gleich hier bei der offenen Tür genommen, statt um den Türflügel herum zu ihrem Sessel am Tisch zu gehen?«

       Olivia überlegte sich die Situation: »Wahrscheinlich hätte sie das, noch wahrscheinlicher wäre sie in der Küche auf einen Stuhl gesunken, es ist drinnen kühler, das ist angenehm, wenn einem nicht gut ist.«

       »Stimmt.«

       »Sie blieb demnach sitzen, als ihr Gast aufbrach, weil sie sich bereits nicht gut fühlte.« Olivia wurde beklommen bei der Vorstellung.

       »Oder sie war schon tot«, stellte Richard sachlich fest. »In dem Fall sind zwei Rückschlüsse möglich: Der Gast floh in panischem Entsetzen. Dagegen spricht sein Sessel hier am Gartentisch, er steht zu nah und gerade am Tisch. So sieht das nicht aus, wenn jemand in Panik aufspringt. Zu der korrekten Position des Sessels passt die geschlossene Verbindungstür zwischen Wohnbereich und Geschäft. Ein derart geordneter Abgang angesichts einer toten Gastgeberin – lass es mich so neutral wie möglich ausdrücken – erinnert mich wieder daran, dass ich Mord nicht ausschließen will. Man kann aber auch sagen: Der Mörder oder die Mörderin verdrückte sich so unauffällig wie möglich, als das Ziel erreicht war.«

       »Dachte er oder sie jedenfalls.«

       »Mit dem Denken probieren wir es alle«, er grinste, »im Laufe der Ermittlungen entdeckt man fast immer noch mehr Möglichkeiten. Ich glaube, ich höre Motorengeräusche, vielleicht sind meine Leute schon da. Inzwischen ist es relativ leer auf Londons sommerlichen Straßen.« Er ging mit ausgreifenden Schritten durchs Haus, das ihm vertraut zu werden begann, und entriegelte die Tür zur Straße. Einige Männer luden gerade ihr Gerät aus. Im Verhältnis zu Stativ und Kamera war ein Arztkoffer eine handliche Sache, genauso wie der Behälter für die Sicherung von Fingerabdrücken. Olivia sah dem allen durch die große Fensterscheibe interessiert zu, bis sie Helen Campbell erblickte. In einem schmalen, langen Baumwollkleid in hellem Lindgrün, die noch immer dunklen Haare hochgesteckt, stand sie mit einer Mischung aus Entsetzen und Empörung im Gesicht unbeweglich, wie festgewachsen, einige Meter von dem Polizeiwagen entfernt. Sie musste durch den Fußgängerdurchgang von der Old Church Street her gekommen sein. Es war neunzehn Uhr dreißig.

       Olivia beobachtete sie einige Atemzüge lang. Als sie erkannte, dass die Frau völlig erstarrt war, passte sie eine Pause in dem Hin und Her durch die Ladentür ab und eilte hinaus. Helen hörte ihre Begrüßung nicht, nahm sie selbst auch nicht wahr, bis Olivia schließlich sanft eine Hand auf Helens Arm legte, während sie sie zum wiederholten Male anrief. Unter der menschlichen Nähe löste sich die Erstarrung, die Augen nahmen Olivia auf und damit verschwand der Rest Empörung aus Helens Blick und blankes Entsetzen blieb zurück. »Was ist geschehen?« fragte sie tonlos.

       »Wir wissen es noch nicht. Bitte, kommen Sie herein.« Mitfühlend nahm Olivia ihr die Einkaufstasche ab, führte sie in den kühlen Laden und drückte sie ebenso behutsam wie entschlossen auf das rote Samtsofa. Sie setzte sich daneben. Inzwischen war es hier vollkommen ruhig, die Leute vom Yard waren mit dem Tatort beschäftigt.

       Irgendwann begannen Helens Augen ihre Umgebung wieder aufzunehmen. »Warum steht die Truhe offen?« wollte sie wissen, ohne den Blick davon abzuwenden.

       »Darin liegt eine riesige, tote Katze.«

       »Aha. – Wo ist Edith?«

       »Edith ist hinten im Garten, sie ist tot.«

       »Tot…«

       »Ja, wir wissen die Ursache noch nicht. – Mein Freund Richard Bates kümmert sich darum. Deshalb auch die vielen Leute.«

       Lange schwieg Helen. Bis ein Schauer ihren ganzen Körper erschütterte. Sie raffte sich zusammen und sah nun Olivia wirklich an. »Die vielen Leute… was macht ihr Freund?«

       »Er ist Chief Inspector bei Scotland Yard.« Olivia holte tief Luft. »Wir sind nicht sicher, ob Edith eines natürlichen Todes gestorben ist.«

       Helen schüttelte langsam den Kopf: »Für einen normalen Tod gibt es wenig Grund. Sie war gerade munter dabei, die neue Lieferung auszupacken, als ich wegging. Und sie hatte dazu Ruhe genug, im August kauft kaum jemand Wolle.« Ihr Blick glitt über die Tresen, über

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