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natürlich. Volker hat mir schon ein bißchen was erzählt. Du hast ein sehr hübsches Zimmer, nicht wahr?”

      “Ja, ein einmalig schönes Zimmer. Mit Blick auf Bad Seeburg. Und auch das Essen ist wirklich sehr gut..”

      Die alte Frau schien nicht recht bei der Sache zu sein. Natürlich wollte auch sie, daß es der Schwiegertochter gut ging, doch da sie sie in guten Händen wußte, war das Thema 'Kinder' weitaus wichtiger für sie. Tina fürchtete, sie könnte eine weitere Salve über Lissy auf Lager haben, deshalb versuchte sie, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen und begann, ihr ausführlich zu berichten, was sie an Untersuchungen schon über sich hatte ergehen lassen müssen, und welche Anwendungen ihr der Stationsarzt für die nächste Zeit verordnet hatte.

      Kaum hatte sie aufgelegt, klingelte das Telefon erneut. Entweder hatte Schwiegermama etwas vergessen, dachte sie, oder es war Lissy, die sich nun ihrerseits über die Oma beschweren wollte. Doch dann meldete sich jemand, mit dem sie so gar nicht gerechnet hatte. “Hallo, Tina, ich bin's. Laura.”

      Laura war ihre Kollegin von der M21, der Station im Koblenzer Krankenhaus, auf der sie über Jahre zusammen gearbeitet hatten. Auch als sie mit der Herzmuskelentzündung auf der Nachbarstation gelegen hatte, hatte es sich Laura nicht nehmen lassen, trotz der zusätzlichen Arbeit, die durch ihren Ausfall auf ihr lastete, täglich wenigstens kurz nach ihr zu sehen. Tina hatte ihr eine Karte von Bad Seeburg mit der Telefonnummer geschickt, nun freute sie sich, daß sie sich gemeldet hatte.

      “Das ist lieb von dir, daß du anrufst, Laura, - trotz der vielen Arbeit. Bist du noch immer im Dienst, oder schon zu Hause?”

      “Ich bin zu Hause, ich habe heute frei. Wir sind bei meinem Bruder zum Geburtstag eingeladen, daher kann ich jetzt auch nicht lange mit dir reden, Tina. Wir sind eh' schon viel zu spät dran, und Wolfgang drängelt schon. Ich wollte dich nur schnell fragen, ob es dir recht ist, wenn ich dich am nächsten Wochenende besuchen komme?”

      “Da fragst du noch?” Tina war begeistert. “Aber sag, ist es nicht ein bißchen weit, nur um einen Krankenbesuch zu machen?”

      Laura lachte. “Das wäre es tatsächlich, aber ich kann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir sind für eine Woche bei Wolfgangs Tante in Kempten eingeladen, und ich konnte ihn dazu überreden, mich von dort aus für einen Nachmittag in Richtung Bad Seeburg ziehen zu lassen.”

      “Das war eine gute Idee, ich freu mich riesig. Weißt du schon, wann du kommst? Ich meine, vormittags oder nachmittags? Nicht, daß ich gerade auf Achse wäre, wenn du eintriffst.”

      “Ich werde gleich nach dem Mittagessen losfahren und so gegen zwei Uhr bei dir sein. Ist das in Ordnung?"

      “Aber ja doch. Ich werde dich in der Halle erwarten.”

      “Prima. Eigentlich wollte ich dich an deinem Geburtstag überraschen, aber das klappt nicht, denn am Montag fahren wir schon wieder nach Hause. Machen wir's also kurz jetzt, Tina. Morgen in einer Woche sehen wir uns, dann haben wir Zeit genug, um in aller Ruhe zu quatschen.

      "Ich freu mich, Laura."

      "Ich freu mich auch, Tina."

      *****

       Inzwischen habe ich mich für die hübsche Brünette entschieden. Nicht, daß mir die kleine Lebhafte nicht gefallen würde. Im Gegenteil, es wäre eine Herausforderung, diese kleine quirlige Person zu bezwingen, sie zum Stillhalten und ihren hübschen Mund zum Schweigen zu bringen, doch ich fürchte, sie könnte mir größere Schwierigkeiten machen, als die sanftere dunkelhaarige Schönheit. Der Name der Brünetten ist Christina, und ja, sie hat etwas, was mich total fasziniert. Es ist schwer zu beschreiben. Sie ist von einer mädchenhaften Schönheit und Natürlichkeit, von einer Anmut, die mich erschauern läßt, wenn ich sie beobachte. Sie gleicht einer Prinzessin, und es wird etwas ganz Besonders sein, sie eines Tages zu berühren...

       Doch ich darf nichts übereilen, - je länger ich warten kann, desto größer wird sie eines Tages sein, die Glückseligkeit...

      

      *****

      Das zweite Wochenende im Waldhof war also bereits gesichert, doch jetzt stand zunächst einmal das erste vor der Tür. Der Sonnabend drohte ein langweiliger Tag zu werden. Vormittags waren ein Massage- und ein Bädertermin so gelegt, daß es sich nicht lohnte, dazwischen etwas zu unternehmen. Die freie Zeit füllte Tina mit Lesen aus, sie hatte sich in der Klinik-Bücherei einen Krimi besorgt:

       Die Tote von Westwood Castle

      . Für den Nachmittag hatte Röslein eigentlich einem Spaziergang zugesagt, doch schon beim Mittagessen mußte sie absagen, weil sie sich nicht gut fühlte. Ihr Blutdruck war leicht angestiegen, ihr war schwindelig, und außerdem hatte sie Kopfschmerzen. Einerseits fand Tina das sehr schade, denn sie mochte Röslein und hätte gern mit ihr etwas unternommen, es war aber auch kein Beinbruch für sie, allein zu gehen. Ihr gefielen lange einsame Spaziergänge. Es gab wohl kaum eine bessere Gelegenheit, seine Gedanken zu ordnen und sich über dieses oder jenes Klarheit zu verschaffen, als irgendwo mutterseelenallein in der freien Natur. Sie hatte Bad Seeburg vorher nicht gekannt, und die Umgebung der Klinik war zauberhaft, selbst zu dieser Jahreszeit, da alles tief verschneit war. Sie war neugierig, wohin die schmalen gewundenen Bergsträßchen führten, denen sie vom Waldhof aus bereits so weit wie möglich mit den Augen gefolgt war.

      Sie zog sich warm an und machte sich auf den Weg, und trotz der kalten Witterung fand sie es herrlich. Sie lief ganz langsam und sog die frische kalte Luft tief in sich hinein. Beim Ausatmen schaute sie der kleinen weißen Wolke nach, die aus ihren Lungen strömte. Sie fühlte sich so fit und gesund, wie schon lange nicht mehr. Der Gedanke daran, daß es Volker lieber wäre, sie würde ihren Job nach der Reha aufgeben, bedrückte sie manchmal ein wenig, denn sie hielt sich für zu jung, um fortan die Hände in den Schoß zu legen. Außerdem liebte sie ihren Beruf und war überzeugt davon, daß sie ihn bald wieder ohne Probleme meistern konnte. Natürlich verstand sie, daß er sich Sorgen um sie machte, sie hielt sie aber für völlig unbegründet. Bisher waren die Ärzte mit ihrem Gesundheitszustand sehr zufrieden gewesen, und auch alle Nachuntersuchungen waren positiv verlaufen. Sie mußte unbedingt noch einmal mit Volker darüber reden, wenn sie erst wieder zu Hause war.

      Sie blieb stehen und schaute sich um. Hier im Gebirge war der Frühling noch längst nicht so weit, wie zu Hause in Koblenz. Die Bäume und Sträucher waren unter Eis und Schnee noch so kahl wie im tiefsten Winter, und die kleinen Pfützen aus tagsüber angetautem Schnee waren über Nacht wieder zugefroren und glitzerten in der Sonne, - sofern sie ausnahmsweise einmal schien. Sie mochte die Gegend um Bad Seeburg, die so ganz anders war, als daheim. Auf der einen Seite ging der Blick bis tief hinunter ins Tal, auf der anderen hinauf zu schneebedeckten Hängen, verschneiten Wäldern, und hier und da schroffen Felswänden, die den Himmel zu berühren schienen. Man fühlte sich wie in einem fremden Land, in einer fremden Welt, - ja, manchmal sogar, wie auf einem fremden Stern. Aber es war wunderschön. Aus einem Seitenweg bog plötzlich ein Mann in die Straße ein. Vermummt, wie sie selbst, eine weiße Atemwolke vor dem Gesicht. Als er näher kam, erkannte sie den Beobachter.

      “Verdammt kalt heute, was?”, bemerkte er.

      “Ja, verdammt kalt.”

      Unschlüssig blieben sie voreinander stehen und wußten nicht, was sie sagen sollten.

      “Was machst du hier so alleine?”, fragte er überflüssigerweise.

      “Wahrscheinlich dasselbe wie du.”

      Er nickte. “Ja, ich liebe die Einsamkeit auch. Es ist herrlich, mit sich und der Welt alleine zu sein und nachzudenken. Sich über verschiedenes klarzuwerden und Entschlüsse zu fassen... Wo könnte man das besser, als allein inmitten der Natur, unter freiem Himmel.”

      Sie schaute ihn zweifelnd an. Vor einigen Minuten hatte sie dasselbe gedacht, aber... Meinte er das wirklich ernst? Oder spielte er ihr nur Theater vor, weil er darauf hoffte, daß ihr das gefiel? Bisher hatte sie einen ganz anderen Eindruck von ihm gehabt. Tat sie ihm vielleicht unrecht?

      “Na

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