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ihren Einkäufen

       für Dinge, welche aus Deutschland kommen und dort eine Mark kosten, vielleicht den zehnfachen Preis bezahlen; kurz,

       was sie ihm einflößen, ist nichts weniger als das Gefühl der Hochachtung, und wenn sie von Jedermann mit den Worten

       »Bakschisch« angerufen und verfolgt werden, so dürfen sie sich nicht etwa denken, daß man unter dieser »Gabe« ein

       unverdientes Almosen versteht, sondern sie als einen Tribut betrachtet, welchen der Einheimische zu fordern berechtigt

       und der Fremde aber zu geben verpflichtet ist. Ich habe noch keinen Wirt, Händler, Führer, Dolmetscher und Eselsjungen

       gesehen, der nicht überzeugt gewesen ist, diesen ihrem Erklärer immer hilflos nachlaufenden Christen weit, weit

       überlegen zu sein. Und dieses Urteil ist stets ein verallgemeinerndes. Der Orientale braucht nur einen einzigen Punkt zu

       bemerken, in Beziehung auf welchen er dem Abendländer über ist, so steht sofort in ihm die Ueberzeugung fest, daß

       dieser Vorzug auch in jeder anderen Hinsicht vorhanden sei. Natürlich wird diese falsche Annahme vor allen Dingen auch

       auf den Glauben ausgedehnt. Der Tourist, besonders der sogenannte »Herdentourist«, hat seine Individualität daheim

       gelassen und bringt nichts als nur seine Neugierde und seinen Geldbeutel mit; er ist ein personifiziertes Bakschisch,

       welches das Abendland dem Morgenlande bringt. Dieses Bakschisch zieht dort den Betrug, die Habsucht und die Lüge

       groß, fließt meist in die Kassen nicht einheimischer Geschäftsleute und bringt dem eigentlichen Oriente wohl keinen, am

       allerwenigsten aber einen geistigen Nutzen. Seine Seele aber bleibt nicht unberührt.

       Das Sträuben Sejjid Omars war nichts als eine Aeußerung dieser Seele, welche sich dagegen empört, ihre

       Heiligtümer der fremden Neugierde gegen ein Trinkgeld von einigen Halbpiastern preiszugeben. Und es fand seine mehr

       als genügende Begründung in dem moralischen Werte oder Unwerte desjenigen Christentums, welches er kennen gelernt

       hatte. Wer ein scharfes, offenes Auge besitzt, der wird von Alexandrien und Port Said oder Suez an bis nach Assuan hinauf

       in unzähligen Fällen die Behauptung bestätigt finden, daß überall, wo von einem Gewinn um jeden Preis die Rede ist, ein

       Christ die Hand im Spiele hat. Zwar handelt es sich da meist nur um griechische, levantinische oder überhaupt

       morgenländische Christen, aber dem Mohammedaner ist dieser Unterschied nicht geläufig; Christ gilt als Christ bei ihm,

       und der abendländische hat es sich zunächst gefallen zu lassen, daß er genau so wie der orientalische beurteilt wird.

       Sejjid Omar war kein dummer Mensch; er hatte sogar, wie ich später erfuhr und was bei den dortigen Verhältnissen

       selbst für Eselsjungen möglich ist, einige Jahre lang in der Azharmoschee Theologie studiert, doch mangelte auch ihm

       die nötige Einsicht, Christ von Christ zu unterscheiden. Lernte er in einem Christen zugleich auch einen guten Menschen

       kennen, so lag die einzige Lösung dieses Rätsels für ihn in der Annahme: »Er muß, obgleich ein Christ, ein Liebling

       Allahs sein, denn Allahs Sonne scheint ja auf die, die sich von ihm gewendet haben.« Die Bedingungen, welche er mir

       gestellt hatte, konnten mich keineswegs abhalten, ihn zu engagieren; sie bildeten vielmehr eine Empfehlung für ihn. Wer

       das, was ihm heilig sein soll, nicht achtet, wird höchst wahrscheinlich kein treuer, zuverlässiger Diener sein. Ich nahm mir

       vor, zunächst seine Sattelfestigkeit auf dem Pferde zu prüfen und zu diesem Zweck morgen mit ihm nach Gizeh und dann

       nach Sakkara zu reiten. Mancher Eselsjunge, welcher wahre Kunstreiterstückchen ausführt, ist aber, solange er lebt, nicht

       auf ein Pferd gekommen und mit der Behandlung desselben vollständig unbekannt. Ich brauchte einen Diener, der sich

       vor monatelangem Reiten auf jeder Art von Pferden nicht zu fürchten hat.

       Kurz nachdem Omar bei mir gewesen war, ging ich auf mein Zimmer, um noch ein Stündchen zu arbeiten, brachte

       aber nichts fertig, denn die vier Personen an meinen Nachbartischen kamen mir nicht aus dem Sinne. Meine Gedanken

       kehrten immer wieder zu ihnen und ihrem Gespräch zurück, und besonders war es der Missionar, der mich in Anspruch

       nahm, weil ich mir das unerlaubt selbstbewußte Gebaren eines Mannes nicht erklären konnte, dessen Beruf ihn das Wort

       des Jesaias hätte beherzigen lassen sollen, daß die Schritte der Boten, welche auf den Bergen Gottes den Frieden

       predigen und das Heil verkündigen wollen, leise und lieblich zu klingen haben. Ich ließ also Papier, Tinte und Feder sein

       und legte mich schlafen.

       Ich schlief auch bald ein; aber die Gedanken waren nicht auch eingeschlafen; sie beschäftigten mich im Traume fort.

       Ich sah diesen Mr. Waller die verschiedensten und unglaublichsten Arbeiten verrichten, die aber alle zerstörend waren. Er

       riß Häuser ein, stürzte Pfeiler um, schlug Bäume nieder und hatte stets und stets eine Axt, ein Brecheisen oder sonst ein

       derartiges Werkzeug in der Hand. Ich sah Kruzifixe stehen, Kapellen, Kirchen, griechische, indische, assyrische Tempel,

       Moscheen, Statuen von heidnischen Göttern und christlichen Heiligen; er schlug sie alle, alle nieder, ohne das Christliche

       zu schonen. Er arbeitete wie ein Verrückter, im Schweiße seines Angesichts, bis eine Stimme donnernd rief: »Saulus,

       Saulus, warum verfolgst du mich!« Da brach er zusammen, und ich erwachte.

       Der Mond schien so hell, daß alle Gegenstände, auch die kleinsten, zu unterscheiden waren, zur offenen Balkontür

       herein, und ich war so froh, daß ich nur geträumt und nicht etwas Wirkliches gesehen hatte. Dennoch dachte ich darüber

       nach. Der Saulusruf paßte nicht für einen christlichen Missionar, aber wer kann von einem Traume die Ueberlegung

       verlangen, ob das, was er bringt, auch passend sei! Ich hoffte, bald wieder einzuschlafen, und schloß die Augen wieder

       zu, mußte aber gleich wieder an den Traum und seine zertrümmerten Tempel und Kirchen denken. Da stieg ein

       warnendes Wort und noch eins in mir auf; beide gestalteten sich zum Verse, dem sich ein zweiter, dritter und dann auch

       vierter zugesellte; sie fügten sich zur gereimten, vierzeiligen Strophe zusammen, und ich stand auf, um sie

       niederzuschreiben. Ich hielt diese Strophe für geeignet, den Anfang eines Gedichtes zu bilden, welches später in meine

       »Himmelsgedanken« aufgenommen werden konnte. Als ich im Mondscheine die Zeilen auf das Papier geworfen hatte,

       legte ich mich wieder nieder. Die Nachtluft war nach dem Khamsin des vorigen Tages so erquickend kühl, ein

       Hochgenuß, den man im Schlaf nicht mehr bewußt genießen kann, und so nahm ich mir vor, zu der aufgezeichneten

       Strophe noch eine zweite, dritte und vierte zu schreiben. Ich zerlegte den Hauptgedanken in seine Teile und sann über die

       Verbindung zwischen ihnen nach, um zu einer festen, logisch klaren Disposition zu kommen; aber der unverwüstliche, alte

       und wohlbekannte Papa Morpheus schien sich aus den Tempeltrümmern meines Traumes heraus- und über mich

       hergemacht zu haben, und er wurde mit mir eher fertig, als ich mit meiner Disposition. Und er gab mich für dieses Mal

       nicht eher frei, als bis ein lautes Klopfen an meiner Tür ihn

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