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sie kennen?«

      »Ja, ich kenne sie flüchtig. Ihr Bruder ist ein feiner, wohlerzogener Mensch; er ist Darcys bester Freund, glaube ich.«

      »Ja, sein allerbester«, erwiderte Elisabeth trocken. »Mr. Darcy ist die Liebenswürdigkeit selbst gegen Mr. Bingley und kümmert sich ganz erstaunlich viel um dessen Angelegenheiten.«

      »Nun, Bingley scheint auch oft jemanden zu brauchen, der sich um ihn kümmert. Auf der Herfahrt erzählte mein Vetter mir etwas, das mich veranlasst zu glauben, dass Bingley ihm sehr verpflichtet ist. Das heisst, ich weiß nicht genau, ob Bingley gemeint war. Aber ich entnahm es aus seinen Worten.«

      »Worum handelte es sich denn?«

      »Es ist eine Geschichte, die Darcy natürlich nicht allgemein bekannt werden lassen möchte; denn wenn die Familie der betreffenden Dame davon hörte, könnte es Unannehmlichkeiten geben.«

      »Ich erzähle bestimmt nichts weiter.«

      »Schön! Vergessen Sie aber nicht, dass ich keinen Grund habe, anzunehmen, dass Bingley gemeint war. Er sagte nur, dass er sich freue, einen Freund vor einer unvernünftigen Heirat bewahrt zu haben, nannte aber keine Namen und erzählte auch keine Einzelheiten; ich schloss nur auf Bingley, weil ich ihn zu der Sorte junger Männer zähle, die leicht in eine solche Situation geraten können, und weil ich weiß, dass mein Vetter und er den ganzen Sommer über zusammengewesen sind.«

      »Erzählte Mr. Darcy auch, warum er sich da eingemischt hatte?«

      »Mir wurde nur so viel klar, dass irgendwelche zwingenden Gründe gegen die Wahl dieser Dame vorliegen mussten; welche, weiß ich aber nicht.«

      »Und durch welche List gelang es ihm, die beiden zu trennen?«

      »Er erwähnte nichts von irgendeiner List«, antwortete Fitzwilliam lächelnd, »er sagte nichts weiter, als was ich Ihnen jetzt berichtet habe.«

      Elisabeth sagte nichts darauf und ging stumm weiter; sie war voll Erbitterung. Fitzwilliam fiel ihr plötzliches Schweigen auf, und er fragte sie, weswegen sie so nachdenklich aussähe.

      »Ich muss an das denken, was Sie mir da eben erzählt haben«, sagte sie. »Ich kann das Verhalten Ihres Vetters nicht billigen. Wer erlaubte ihm, sich in dieser Weise einzumischen?«

      »Sie finden sein Verhalten wahrscheinlich sehr anmaßend?«

      »Ich begreife nicht, woher Mr. Darcy sich das Recht nahm zu entscheiden, ob die Neigung seines Freundes vernünftig oder unvernünftig sei, und ich begreife auch nicht, wie er es wagen konnte, von sich aus zu bestimmen, in welcher Weise sein Freund glücklich werden solle. Aber«, fuhr sie fort und versuchte, ihre Erregung zu meistern, »da wir ja nichts Genaues wissen, wäre es ungerecht, ihn voreilig zu verurteilen. Man muss wohl annehmen, dass die Neigung, die die beiden füreinander hatten, nicht sehr groß gewesen sein kann.«

      »Darin dürften Sie nicht so unrecht haben«, meinte Fitzwilliam, »wenn die Annahme auch den Erfolg meines Vetters erheblich schmälert.«

      Er sagte dies in scherzendem Ton, aber Elisabeth war so überzeugt davon, dass Darcy triumphierend an seinen Erfolg dachte, dass es ihr unmöglich wurde, darauf einzugehen. Sie ließ also den Gegenstand fallen und sprach von anderen gleichgültigen Dingen, bis sie am Pfarrhaus anlangten.

      Nachdem sie sich verabschiedet hatten, fand sie in der Einsamkeit ihres Zimmers die nötige Ruhe, um sich ungestört das Gehörte noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Es war unmöglich, dass irgendwelche anderen zwei Menschen gemeint sein konnten als ihre Schwester und Bingley, und es war ebenso ausgeschlossen, dass es in der Welt noch einen Menschen gab, der so unter Darcys Einfluss stand. Dass er bei der Trennung der beiden seine Hand mit im Spiel hatte, daran war niemals ein Zweifel in ihr aufgetaucht; aber bisher hatte sie geglaubt, dass diese Verschwörung von Caroline ausgegangen sei. Und nun stellte es sich heraus, dass er und sein Dünkel und seine prinzlichen Launen der eigentliche Anlass waren für alles, was Jane hatte erdulden müssen und noch erduldete, es müsste denn sein, dass auch in diesem Fall seine Einbildung ihn die Rolle, die er dabei gespielt hatte, überschätzen ließ. Jedenfalls hatte er auf unabsehbare Zeit jede Hoffnung auf Glück und Zufriedenheit für den warmherzigsten, liebsten aller Menschen zerstört. Wie lange das Unheil, das er angerichtet hatte, sich auswirken werde, konnte niemand vorhersagen.

      »Es lagen zwingende Gründe gegen sie vor«, waren Fitzwilliams Worte gewesen; und diese Gründe bestanden wahrscheinlich darin, dass sie einen Onkel hatte, der Anwalt in einer kleinen Provinzstadt war, und einen anderen, der in London ein Geschäft besaß.

      »Gegen Jane selbst kann doch kein Mensch etwas haben? So freundlich und gut, wie sie ist! So vernünftig, ruhig und lieb! Und auch gegen meinen Vater lässt sich doch nichts Nachteiliges vorbringen«, dachte Elisabeth, »denn er besitzt trotz all seiner Eigenheiten so viele gute Seiten, dass sich selbst ein Darcy ihrer nicht zu schämen brauchte, und dazu noch einen so grundanständigen Charakter, wie Darcy ihn niemals haben wird!«

      Der Gedanke an ihre Mutter stimmte Elisabeth allerdings etwas nachdenklich; aber mochte man auch an ihr vieles auszusetzen haben, so konnte das ihrer Meinung nach für Darcys Urteil nicht maßgebend gewesen sein; war sie doch überzeugt, dass der Mangel an gesellschaftlichen Verbindungen bei seiner hochmütigen Gesinnung weitaus schwerer ins Gewicht fiel als der Mangel an Intelligenz, den man ihrer Mutter wohl zu Recht vorwerfen konnte. Und so kam Elisabeth endlich zu dem Schluss, dass seine Handlungsweise zum Teil von übermäßigem Standesdünkel, seiner hervorstechendsten Eigenschaft, bestimmt war, zum Teil aber auch von dem Wunsch, seine Schwester mit Bingley zu verheiraten. Sie war schließlich so erbittert und so durchwühlt vom vielen Grübeln, dass es ihr den Kopf zu sprengen drohte. Und da sie jetzt am wenigsten Darcy begegnen konnte, bat sie ihre Gastheber, sie möchten sie heute auf Rosings entschuldigen. Charlotte sah auch sofort, dass sie sich nicht gut fühlte, und drängte sie daher nicht weiter; aber Mr. Collins konnte seine Besorgnis nicht verhehlen, dass Lady Catherine ihr Fortbleiben vielleicht unfreundlich aufnehmen werde.

      Vierunddreissigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Als die anderen gegangen waren, beschäftigte sich Elisabeth, als wollte sie ihre Wut auf Darcy noch auf alle erdenkliche Weise steigern, mit den Briefen, die Jane ihr hierher nach Hunsford geschrieben hatte. Sie enthielten weder Klagen über das, was hinter ihr lag, noch eine Schilderung ihres gegenwärtigen Kummers. Aber auf keiner Seite, in keiner Zeile fand sich jene ruhige Fröhlichkeit wieder, die sonst Janes Briefe ausgezeichnet hatte und die ihrem ausgewogenen Gleichmaß, ihrer freundlichen Gesinnung gegen jedermann entsprungen war.

      Elisabeth glaubte jetzt beim erneuten Lesen aus jedem Satz eine Unruhe und eine Traurigkeit herauszuhören, die ihrer Aufmerksamkeit anfangs entgangen war; dass Darcy obendrein noch so schamlos sich brüstete, solches Leid verursacht zu haben, ließ Elisabeth den Kummer ihrer Schwester nur noch stärker empfinden. Es war ein Trost, wenn auch nur ein kleiner, dass der Besuch dieses Menschen auf Rosings morgen zu Ende ging, und ein großer war es, dass sie selbst in weniger als zwei Wochen wieder bei Jane sein würde, um ihr mit aller Liebe, deren sie fähig war, zu neuer Fröhlichkeit zu verhelfen.

      Der Gedanke an Darcys Abreise erinnerte sie auch daran, dass sein Vetter ihn begleiten werde; das tat ihr leid, aber Fitzwilliam hatte ihr ja deutlich zu verstehen gegeben, dass er in bezug auf sie keinerlei Absichten habe, und wenn sie ihn auch sehr nett fand, sie hatte nicht vor, sich etwa einzubilden, dass sie seinetwegen unglücklich sei.

      Während sie so noch mit ihren Gedanken beschäftigt war, hörte sie plötzlich die Türglocke läuten, und einen Augenblick dachte sie mit einer trotz aller guten Vorsätze freudigen Erwartung, es könne Fitzwilliam sein, der schon einmal so spät am Abend herübergekommen war und der jetzt vielleicht die Gelegenheit benutzen wolle, um sich ohne Zeugen von ihr zu verabschieden. Aber dieser Hoffnung durfte sie sich nicht lange hingeben, und ihre frohe Stimmung schlug in das Gegenteil um, als sie zu ihrem unaussprechlichen Erstaunen Darcy eintreten sah. Er begann sogleich sich auffallend hastig nach ihrem Befinden zu erkundigen;

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