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daraus, dass sie wohl die erste war, die es gewagt hatte, soviel hochgeborene Unverfrorenheit für nichts zu achten.

      »Über zwanzig können Sie doch bestimmt nicht sein — da haben Sie es doch noch nicht nötig, Ihr Alter zu verheimlichen.«

      »Über zwanzig bin ich schon, aber noch nicht über einundzwanzig.«

      Der Tee war getrunken; die Herren gesellten sich wieder zu den Damen, und die Kartentische wurden aufgestellt. Lady Catherine, Sir William und Mr. und Mrs. Collins nahmen an dem einen Tisch Platz; und die beiden jungen Mädchen durften zusammen mit Mrs. Jenkinson an dem anderen Tisch mit Miss de Bourgh spielen. Sehr geistvoll ging es hier nicht zu; gesprochen wurde nur, soweit das Spiel es erforderte, außer wenn Mrs. Jenkinson ihrer Besorgnis Ausdruck verlieh, es könne Miss de Bourgh zu warm oder zu kalt, zu hell oder zu dunkel sein.

      Am anderen Tisch führte Lady Catherine das große Wort, rügte die Fehler, die die anderen machten, und erzählte allerlei Geschichten, in denen sie die Hauptrolle spielte. Mr. Collins erfüllte seine gewöhnliche Aufgabe, das heisst, er sagte ja zu allem, was Lady Catherine sagte, dankte ihr für jedes gewonnene Spiel und bat um Entschuldigung, wenn er glaubte, zu oft gewonnen zu haben. Sir William hatte keine Zeit zum Reden; er war bemüht, sich alles, was er hörte, vor allem die erlauchten Namen genau zu merken.

      Als Lady Catherine und ihre Tochter genug hatten, wurde das Spiel abgebrochen, Mrs. Collins der Wagen angeboten, das Angebot dankbar angenommen und der Befehl zum Vorfahren gegeben. Man stand noch eine Weile am Feuer, um Lady Catherine das Wetter für morgen bestimmen zu hören. Dann wurde der Wagen gemeldet, und unter allen Dankesphrasen, die Mr. Collins zu Gebote standen, und ebensovielen Verbeugungen von Sir William verabschiedete man sich. Kaum saß man im Wagen, als Elisabeth von ihrem Vetter aufgefordert wurde, ihr Urteil über alles Gesehene und Erlebte abzugeben. Aber so sehr sie auch mit Rücksicht auf Charlotte vorgab, von allem entzückt zu sein, Mr. Collins war keineswegs zufrieden, und bald sah er sich genötigt, seiner Cousine das Wort zu entziehen, um selbst Lady Catherines Lob in gebührlicher Weise zu singen.

      Dreissigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Sir William blieb nur eine Woche in Hunsford; aber die Woche genügte ihm, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass seine Tochter es ausgezeichnet getroffen habe und dass sie einen Gatten und eine Nachbarschaft besaß, die ihresgleichen suchten. Solange Sir William noch da war, pflegte Mr. Collins ihn in seinem kleinen zweirädrigen Wagen spazierenzufahren; nach seiner Abreise kehrte das Haus zu seinen alltäglichen Gewohnheiten zurück. Elisabeth hatte gefürchtet, dass das ein häufigeres Zusammensein mit Mr. Collins mit sich bringen könnte, aber das war nicht der Fall: ihr Gastgeber verbrachte die meiste Zeit zwischen Frühstück und Abend mit Gartenarbeiten, Lesen und Schreiben oder auch nur damit, die Aussicht von seinem Fenster zu genießen. Seine Bibliothek lag nach vorne, das Zimmer, in dem sich Charlotte meist aufhielt, nach hinten. Zunächst wunderte es Elisabeth, dass ihre Freundin nicht das Esszimmer als Wohnzimmer benutzte, war es doch größer und dabei auch gemütlicher; aber sie bemerkte bald, dass Charlotte einen guten Grund hierfür hatte, ihr Mann hätte sich bestimmt nicht so viel in seinem eigenen Zimmer aufgehalten, wäre ihm das hintere Zimmer nicht zu unfreundlich gewesen.

      Kaum ein Tag verging, an dem Mr. Collins nicht nach Rosings hinübergegangen wäre; meist begleitete ihn dabei seine Frau. Elisabeth konnte sich das zunächst nicht erklären, bis ihr einfiel, dass Rosings ja wohl außer Lady Catherine auch noch andere Pfründen zu vergeben hatte. Hin und wieder beehrte Lady Catherine die Collins mit ihrem Besuch. Während dieser Besuche entging ihrem kritischen Auge auch nicht die geringste Kleinigkeit. Sie wollte wissen, was jeder tat und trieb, prüfte alles, mäkelte an allem und wollte alles anders gemacht haben. Sie bemängelte die Aufstellung der Möbel und stellte fest, dass das Hausmädchen nicht genug zu arbeiten hatte; und wenn sie einmal zum Essen blieb, dann offenbar nur, um nachzuschnüffeln, ob Charlotte nicht zu große Braten für ihren Haushalt eingekauft hatte, was nach Lady Catherines Ansicht meistens der Fall war.

      Die hochgeborene Dame übte neben ihren anderen Beschäftigungen, wie Elisabeth bald bemerkte, mit großer Energie auch die Polizeigewalt in ihrem Gutsbezirk aus; selbst das unbedeutendste Vorkommnis erschien ihr wichtig genug, um sich darüber von Mr. Collins Bericht erstatten zu lassen. Und so oft es bei den Bauern Streit gab, Unzufriedenheit drohte oder jemand in Not geriet, machte Lady Catherine sich auf in das Dorf, um selbst einzugreifen und nötigenfalls so lange zu räsonieren, bis alles wieder in Ordnung war.

      Die Abendunterhaltung auf Rosings wurde regelmäßig zweimal in der Woche wiederholt, und abgesehen davon, dass infolge Sir Williams Abreise nur ein Kartentisch besetzt werden konnte, wurde jedesmal das gleiche Programm abgewickelt. Im übrigen verließ man das Pfarrhaus nur selten zu einem Besuch, da ein geselligeres Leben Mr. Collins’ Börse zu sehr beansprucht hätte. Elisabeth war es ja aber um Geselligkeit gar nicht zu tun, und sie freute sich, dass ihre Tage so geruhsam und ohne aufregende Ereignisse dahingingen; ein gelegentlicher kleiner Schwatz mit Charlotte und an schönen Tagen ausgedehnte Spaziergänge auf einsamen Wegen, das war alles.

      So verstrichen die ersten beiden Wochen ihres Besuches sehr schnell. Ostern stand vor der Tür, und in der Woche davor erwartete man auf Rosings Gäste; das versprach natürlich ein wichtiges Ereignis zu werden. Elisabeth hatte schon bald nach ihrer Ankunft erfahren, dass Darcy im Laufe der nächsten Wochen eintreffen werde. Jeden andern unter allen ihren Bekannten hätte sie zwar lieber wiedergesehen, aber da er nun einmal kam, war sie wenigstens darüber froh, endlich einmal wieder ein neues Gesicht auf Rosings zu sehen. Noch neugieriger war sie darauf, wie er sich gegenüber Miss de Bourgh verhalten würde; denn daraus konnte man wohl auf die Hoffnungslosigkeit von Caroline Bingleys Plänen schließen. Lady Catherine wenigstens schien fest entschlossen, die Partie zustande zu bringen, und sprach von Darcys bevorstehendem Besuch mit erwartungsvoller Zufriedenheit und von ihm selbst in den lobendsten Tönen und ärgerte sich unverhohlen darüber, dass Elisabeth und Maria bereits früher seine Bekanntschaft gemacht hatten.

      Seine Ankunft auf Rosings wurde gleichzeitig im Pfarrhaus bekannt; denn Mr. Collins war den ganzen Morgen in seinem Garten hin und her gegangen und spähte mit einem Auge immer auf die Parkeinfahrt. Er wollte sich später nicht vorwerfen müssen, er habe diesem wichtigen Ereignis nicht die genügende Beachtung gewidmet. Als der Wagen sich näherte, machte er eine tiefe Verbeugung und eilte dann stracks ins Haus zurück, um die große Neuigkeit bekanntzugeben. Er konnte kaum den nächsten Morgen erwarten, an dem er mit dem Frühesten in Rosings erschien, um seine Aufwartung zu machen. Er traf dort nicht nur einen, sondern zwei Neffen Lady Catherines; denn in Darcys Begleitung befand sich der Oberst Fitzwilliam, ein jüngerer Sohn seines Onkels.

      Als Mr. Collins zurückkehrte, begleiteten ihn die beiden Herren. Charlotte sah sie zufällig kommen und eilte, aufs höchste überrascht, zu ihren beiden Gästen, um sie auf den Besuch vorzubereiten.

      »Diese Artigkeit haben wir gewiss dir zu verdanken, Lizzy. Mr. Darcy hätte sonst nie so bald Besuch bei uns gemacht.«

      Elisabeth fand keine Zeit mehr, sich dagegen zu verwahren; denn die Torglocke ertönte soeben, und kurz darauf traten die Herren ein. Oberst Fitzwilliam war ein vornehmer, aber nicht sehr ansehnlicher Mann von etwa dreißig Jahren. Mr. Darcy sah aus wie immer und begrüsste Mrs. Collins mit seiner üblichen Zurückhaltung. Was er immer beim Anblick Elisabeths denken mochte, sein Gesicht verriet nichts als gleichgültige Höflichkeit. Sie selbst grüsste nur kurz, ohne etwas zu sagen.

      Oberst Fitzwilliam begann sogleich ein Gespräch mit der Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit eines Weltmanns; sein Vetter äußerte nur ein paar allgemeine Bemerkungen über das Haus und den Garten zu Mrs. Collins und saß eine ganze Weile stumm, ohne sich am Gespräch zu beteiligen. Schließlich ließ er sich aber doch dazu herbei, Elisabeth nach ihrem Befinden und dem ihrer Familie zu fragen. Sie antwortete so, wie solche Fragen immer beantwortet werden, und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: »Meine älteste Schwester hält sich schon seit drei Monaten in London auf. Sie haben sie wohl nicht zufällig einmal getroffen?«

      Sie wusste genau, dass das nie der Fall

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