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Kapitel

      „Es ist wirklich okay, wenn ich dich allein lasse?“, fragte Pauline zum wiederholten Mal und schwang sich auf eines der Leihfahrräder, die Jule aus dem Schuppen geschoben hatte. Sie drehte eine Proberunde auf dem Parkplatz und hielt vor Jule an.

      Jule nickte und tätschelte Paulines Arm. „Natürlich. Mach dir einen schönen Tag.“

      Nachdem sie den Sattel tiefer gestellt hatte, hängte sich Pauline ihre Tasche über die Schulter. „Bis nachher. Wenn es brenzlig wird, kannst du mich übers Handy erreichen. Ich komm dann sofort zurück.“

      „Nun fahr schon. Ich komme klar.“

      Nach den ersten Metern drehte sich Pauline noch einmal um und winkte. „Ich bin bald zurück. Versprochen!“ Sie atmete tief durch und freute sich darauf, durch die Straßen von Nebel zu spazieren, die Windmühle und die Kirche zu sehen. Später würde sie es sich in einem der Cafés ausruhen. Pauline genoss die Fahrt auf dem Radweg, der am Kiefernwäldchen hinter den Dünen entlangführte, und nach einer Viertelstunde kam sie in Nebel an. Sie radelte über den Strunwai bis zur Windmühle, wo das Heimatmuseum untergebracht war. Sie zückte ihren Fotoapparat und machte ein Erinnerungsfoto. Ins Museum ging sie nicht, es zog sie weiter zum Öömrang Hüs, für sie das interessanteste Gebäude der Insel. Schon bei ihrem ersten Amrumaufenthalt hatte sie gemeinsam mit Jule und Jan-Erik dieses historische Friesenhaus bewundert. Wenn sie sich recht erinnerte, standen Küche und Wohnstube zur Besichtigung offen. Ach ja, da gab es auch noch eine Stube, die früher nur zu besonderen Anlässen benutzt wurde. Die musste sie sich unbedingt noch einmal ansehen. Am Eingang stellte Pauline fest, dass das Haus nur nachmittags geöffnet war. Also würde sie später noch einmal zurückkommen müssen. Sie ließ ihr Rad hier stehen und schloss es ab. Zu Fuß würde sie die besondere Atmosphäre des Ortes mit seinen blumengeschmückten Friesenhäusern viel besser aufnehmen können.

      Pauline fand es noch genauso schön, wie sie es in Erinnerung hatte. Zuerst steuerte sie einen kleinen Laden an, der eine Vielzahl an hübschen Accessoires und allerlei Kleinigkeiten anbot. Stundenlang konnte sie in solchen Geschäften stöbern und schon oft hatte sie ein Heidengeld für schöne, aber eigentlich unnütze Dinge ausgegeben. Tatsächlich musste sie sich auch dieses Mal zusammenreißen, um nicht schon das Geld auszugeben, das sie erst noch bei Jule verdienen musste. Aber bevor sie wieder nach Hause fuhr, würde sie sich hier ein Andenken aussuchen. Vielleicht, nein, ganz bestimmt, würde sie ein Dankeschöngeschenk für Jule kaufen. Bevor sie ihrem Vorsatz untreu wurde, verließ Pauline das Geschäft. Was nun? Zur Kirche und über den alten Friedhof spazieren? Oder sich in eines der gemütlichen Lokale setzen? Noch während sie grübelte, sah sie einige Meter entfernt einen blonden Lockenkopf. War das etwa …? Er war es und er kam in ihre Richtung. Er schien Pauline auch erkannt zu haben, denn seine Miene hellte sich auf, als er näher kam und er lächelte sie an. Paulines Herz pochte plötzlich heftiger. Sollte sie warten, ob er sie ansprach, oder sollte sie ihn ansprechen? Die Entscheidung wurde ihr abgenommen.

      „Hallo. Schön, Sie wiederzusehen.“ Er reichte Pauline die Hand.

      Graublau. Seine Augen sind graublau, bemerkte Pauline in dem Augenblick, als sie seine Hand ergriff. „Guten Tag. Schöner Tag heute, nicht? Was machen Sie denn hier?“

      Ach du Schande, was für einen Blödsinn man manchmal von sich gibt.

      „Vielen Dank noch mal für Ihren Büchertipp. Sie haben mich damit aus einer blöden Situation gerettet.“

      Ach ja, er hatte ja eine Frau. So was Doofes aber auch.

      Paulines Laune sank. „Ah ja?“

      „Ich hätte vermutlich noch bis Ladenschluss vor dem Regal gestanden und nicht gewusst, was ich kaufen soll. Dank Ihrer Hilfe konnte ich die Bücher noch am gleichen Tag zu meiner Schwester schicken.“

      „Ihre Schwester?“

      „Ja, meine Schwester hat heute Geburtstag und ich brauchte unbedingt ein Geschenk, das ich ohne Weiteres per Post verschicken konnte.“

      Pauline fiel ein Stein vom Herzen und fast wäre sie ihrem Gegenüber vor Freude um den Hals gefallen. Die Bücher waren für seine Schwester, jubelte sie im Innern. Aber halt! Das hieß noch lange nicht, dass er ungebunden war. Das Leben war aber auch kompliziert.

      „Darf ich Sie zum Dank in ein Café einladen?“ Er strahlte Pauline an.

      „Ähm, ja, also … ich weiß nicht.“ Ihr schoss die Hitze ins Gesicht.

      „Wartet jemand auf Sie? Ihr Mann vielleicht?“

      Pauline schüttelte den Kopf. „Es wartet niemand. Ich bin allein hier.“ Allein, weil mich ein Idiot betrogen hat, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie gab sich einen Ruck. Warum nicht? Selbst, wenn er eine Frau hatte, konnte sie sich von ihm einladen lassen. Da war doch nichts dabei. „Geht auch ein Eis?“

      Er lachte. „Na klar. Nichts dagegen. Ich bin übrigens Paul.“ Pauline stutzte, prustete los und lachte, bis ihr die Tränen über die Wangen kullerten. Paul! Das war doch wohl ein Witz.

      Paul starrte sie irritiert an. „Was ist?“

      „Sie … Sie heißen wirklich Paul?“

      „Ja. Was ist so lächerlich daran?“

      „Pauline. Ich heiße Pauline.“ Pauline kicherte immer noch.

      „Ernsthaft?“ Paul stimmte in ihr Lachen ein. „Wenn das kein Grund ist. Darauf müssen wir anstoßen. Wir könnten da drüben hingehen.“ Er zeigte über die Straße auf ein Reetdachhaus mit kleinem Garten davor. Rosencafé stand in schwungvoller Schrift über dem Eingang. Über einem Holzzaun rankten sich rote und gelbe Rosenbüsche. Das sah sehr romantisch aus. „Da gibt es auch leckeres Eis.“

      Das war natürlich ein Grund mehr, auf Pauls Einladung einzugehen, wenn auch nicht der Hauptgrund. Der war nämlich, dass er ihr Herz zum Rasen brachte, wenn er sie so anlächelte.

      Paul fasste unter Paulines Arm und führte sie hinüber in den Rosengarten. Kleine Holztische und Klappstühle mit bunten Sitzkissen luden zum Verweilen ein. Auf jedem Tisch stand eine Vase mit einer roten und einer gelben Rose. Die stammten sicherlich von den Büschen, die den Zaun überwucherten. Sie nahmen am hinteren Tisch Platz.

      „Es ist sehr nett hier.“

      „Ich bin gern hier“, sagte Paul. „Ich mag dieses familiäre Ambiente. Außerdem backen sie den Kuchen selbst.“ Mit erhobener Hand winkte er die Bedienung heran.

      „Das ist natürlich ein Grund.“ Pauline zog die Eiskarte heran. Sie entschied sich für einen großen Früchtebecher mit Sahne. Paul bestellte einen Pott Kaffee und ein Stück Brombeersahnetorte.

      Er legte seine Arme auf dem Tisch ab und neigte seinen Kopf in Paulines Richtung. „Es freut mich, dass wir uns getroffen haben.“

      Pauline überlegte, ob sie zugeben sollte, dass sie sich ebenso freute. Da trat die Bedienung schon mit dem Eis an ihren Tisch und so nickte Pauline nur.

      „Essen Sie, bevor es schmilzt.“ Paul wartete noch auf Kaffee und Kuchen.

      Das ließ sich Pauline nicht zweimal sagen. Es war schon eine gefühlte Ewigkeit her, seit sie am Ankunftstag ein Eis gegessen hatte. Es gab für sie in diesem Moment nichts Schöneres, als hier neben diesem Mann zu sitzen, den sie kaum kannte, und ihr Eis zu genießen.

      Paul bekam seinen Kaffee und ein großes Stück Torte, garniert mit zwei dicken Brombeeren.

      „Sieht sehr lecker aus“, sagte Pauline.

      „Sieht nicht nur so aus.“ Er pikste mit der kleinen Gabel in die Spitze der Torte.

      Zu Paulines Erstaunen hielt er ihr den ersten Happen hin. Pauline konnte nicht widerstehen und beugte sich mit leicht geöffnetem Mund dem Leckerbissen entgegen. Sie schloss die Augen, als sie die süße, cremige Masse auf der Zunge spürte. Es kam noch ein wenig die leichte Säure der Brombeere durch. „Mmh … herrlich.“

      „Finde ich auch“, murmelte Paul mit

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