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ist es wie bei Autoersatzteilen, Designerklamotten oder Uhren – es wird gefälscht, was gutes Geld bringt.«

      »Ihre Tante sagte uns, dass Doktor Westphal Ihnen nachgestellt haben soll«, sagte Freudensprung. Aische zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Stimmt das nicht? Es soll der Grund gewesen sein, warum Sie Ihren Job im Laden aufgegeben haben.«

      »Ich arbeite nicht mehr in der Galerie, weil ich jetzt in einer PR-Agentur jobben kann«, antwortete Aische.

      »Sie haben die Frage nicht beantwortet«, hakte Pfeffer nach. »Ist Doktor Westphal Ihnen zu nahe getreten?«

      Aische sah aus dem Fenster und sagte nach einigen Sekunden bestimmt: »Nein! Ist er nicht.«

      »Was wissen Sie über sein Privatleben? Hatte er eine oder mehrere Freundinnen? Können Sie uns seine Geschäftspartner nennen? Sagt Ihnen die Abkürzung PU etwas? Kurz, mit wem hatte er Kontakt und wer hätte ein Motiv für so eine grausame Tat?«, fragte Pfeffer.

      »Wissen Sie was?« Aische zog sich eine dicke Daunenjacke an. »Ich muss jetzt wirklich zur Uni, wenn ich die Klausur nächste Woche verbocke, kann ich das Semester vergessen. Falls ich heute Nachmittag etwas Zeit habe, werde ich Ihnen eine Liste von allen Personen machen, mit denen Westphal zu tun hatte. Zumindest von den Personen, die ich kenne. Ist das ein Vorschlag?«

      »Na, Chef! Alles klar, Gaudihupf?!«, begrüßte Annabella Scholz ihre Kollegen im Büro und schwenkte ihre modische Brille mit der linken Hand. »Wohl doch kein so leichter Fall. Das hier ist die Kiste mit allem, was wir an Unterlagen auf, neben und unter seinem Schreibtisch gefunden haben. Ziemlicher Chaot.«

      Pfeffer wühlte kurz in dem Umzugskarton. Rechnungen, Schriftverkehr, zwei englische Lexika über afrikanische Kunst, ein paar ältere Bücher. Er nahm die Bücher heraus und legte sie sich auf den Schreibtisch.

      »Was hast du rausgefunden, Bella?«

      »Ich habe mit Westphals Mutter gesprochen und mit seiner letzten festen Freundin. Zumindest mit der letzten Freundin, von der seine Mutter wusste«, antwortete Annabella Scholz. »Nicht sehr ergiebig. Die Ex ist schon seit einem halben Jahr verheiratet und hat nur gesagt, dass unser Opfer tatsächlich ein ziemlicher Schürzenjäger gewesen sein muss. Die Mutter weiß von seinen Geschäften gar nichts.«

      »Hast du sie gefragt, ob sie mit PU etwas anfangen können?«, fragte Pfeffer.

      »Nein. Kann ich aber noch nachholen«, antwortete Annabella. »Und zu einer gewissen Figur konnte ich nichts recherchieren, da gewisse Kollegen besagte Figur einfach mitgenommen haben.« Sie sah Pfeffer frech an.

      »Und die Gerichtsmedizin? Wie weit sind die?«

      »Deine Freundin Gerda Pettenkofer hat mich rausgeschmissen. Sie sagt, dass ihre Abteilung momentan von einer Grippewelle heimgesucht wird. Sie war sogar so reizend, mich mit ihrem Nikotinatem demonstrativ anzuhusten. Du möchtest dich bitte noch etwas gedulden, denn die verbrannte Leiche aus der Isar ginge vor.«

      »Gerda bekommt nie wieder eine Zigarette von mir.«

       06

      »Sansibar war immer mein Traum. Sansibar – schon der Name allein verheißt die süßesten Träume von Exotik«, pflegte ich immer zu sagen, wenn mich jemand fragte, warum ich nach Afrika gekommen war. Sansibar, allein der Klang des Namens! Nun, es hatte nicht sollen sein. Sansibar sollte immer ein unerreichter Traum für mich bleiben. Ein Traum, der allmählich weiter und weiter in Vergessenheit gerät, seit ich hier bin. Hier in dem Land, das für mich eine zweite Heimat geworden ist, obwohl es mit meiner geliebten Heimat im fernen Königreich Bayern rein gar nichts gemein hat. Absolut gar nichts. Ich habe Sansibar gegen Kamerun eingetauscht. Wie konnte ich ahnen, daß ein primitiver Negerstamm und ein kleines Negerpüppchen mir das vollkommene Glück bringen würden? Doch ich greife vor und muß nun von vorne beginnen. Im Jahre 1890, in dem alles seinen Anfang fand:

      Mit einem kräftigen »Patsch« erschlug ich bestimmt die tausendste Mücke. Ihr zerdrückter Körper und die paar Tropfen Blut, die sie mir abgezapft hatte, bildeten ein pittoreskes Muster auf meinem Handrücken. Mich ekelte, so schnippte ich den toten Plagegeist in das Urwalddickicht. »Patsch«, die nächste, und »patsch«, wieder eine. Warum tat ich mir nur diese Hölle an?! Wie hatte ich je so wahnsinnig sein können, Bertram Jacobsens Drängen nachzugeben? Oh ja, die unermeßlichen Reichtümer lockten, doch dafür mußte ich durch die Hölle gehen. Doch was für eine! Zwar heiß, aber nicht lavarot, sondern dschungelgrün. Trotz allem die schönste und verführerischste, die man sich vorstellen kann. Eine Hölle, die süchtig macht, die mich gefangenhält. Und ich bin gerne ihr Gefangener.

      Sansibar war einst der Grund für mich, München und meine heißgeliebten Eltern zu verlassen, und in Bremen in die Dienste des Handelshauses Jacobsen & Co. einzutreten. Vermutlich hatte ich das gleiche Fernweh geerbt, das meinen Bruder Josef weiland in die Marine eintreten ließ, um die weite Welt zu sehen. Mich trieben die faszinierenden Berichte der berühmten deutschen Afrikaforscher Gerhard Rohlfs und Gustav Nachtigal, die dem dunklen Kontinent mutig Geheimnis um Geheimnis entrissen. Doch meine Hoffnung, die während meiner Lehrjahre in Bremen ständig neu genährt wurde, nach der Ausbildung in die Niederlassung nach Sansibar versetzt zu werden, zerschlug sich an dem Tag, als der Seniorchef Jacobsen beschloß, eine weitere Niederlassung in Kamerun zu eröffnen. Der Kautschuk-, Elfenbein- und Palmölhandel verhieß größte Gewinnspannen. Also wurde ich gemeinsam mit seinem jüngsten Sohn Bertram nach Duala geschickt, zwei weitere Faktoreien zu den bereits seit langem betriebenen drei Faktoreien der Firma Jacobsen & Co. aufzubauen und zu leiten.

      So wurde mein afrikanischer Traum in Kamerun Wirklichkeit. Jacobsen & Co. besaß an der Westküste Afrikas Niederlassungen an den Gestaden Gabuns, die älteste bereits seit 1867, in Liberia und in Dahomey und galt neben den Firmen C. Woermann und Jantzen & Thormählen als eines der wichtigsten Handelshäuser für die reichen Schätze dieses fernen Erdteils. Jacobsen sen. selbst hatte einst an jenen historischen Tagen im Juli 1884 gemeinsam mit den Herren Woermann, Jantzen und Thormählen den Vertrag ausgehandelt, in dem die Könige Bell, Dido und Akwa die Hoheitsrechte ihrer Länder an die deutschen Firmen übertrugen.

      Als das Schiff im Jahr 1887 in Duala eintraf, das Bertram Jacobsen und mich in die neue Heimat brachte, war Sansibar für mich mit einem Schlag in weite Ferne gerückt. Der beeindruckende Berg der Götter, der Kamerunberg, dessen scharf umrissener duftiger Gipfel mit einem Mal aus der blauen Flut auftaucht und schon weit vom Meer aus sichtbar den Seefahrer zu sich lockt! Mächtige Gebirgszüge mit schneebedeckten Kuppen, die sich über dem dichten Grün wildwachsender Gebüsche und Wälder erheben. Welch gigantisches Eingangstor hat die Natur hier zum Herzen Afrikas erschaffen! Freilich – das überwältigende Panorama, das man von See aus hat, weicht beim Näherkommen einem öden Küstenbild. Dichtes Mangrovengebüsch bedeckt die Landschaft, die nur selten durch die aus dem Buschwerk herauslugenden Hütten eines Fischerdorfes belebt wird. Ab und an kreischt irgendwo ein Papagei. Nach gut zwei Stunden Fahrt wurde das Bild für uns Neulinge endlich anziehender, der Regierungssitz am rechten Ufer des Kamerunflusses kam in Sicht, ebenso mehrere europäische Anlagen und einige Negerdörfer.

      Diese betörende Üppigkeit der Tropen, die den Ankommenden begrüßt! Der augenscheinliche Überfluß an Nahrungsmitteln und wertvollen Rohstoffen überstieg schon damals alle unsere Erwartungen. Dazu noch die uns Deutschen freundlich gesinnten Neger.

      Doch wir mußten auch schnell lernen, daß sich die Natur niemals nur gütig zeigt. Die Tropen warten mit Gefahren auf, die uns Europäer nur allzuoft bis ins Mark erschüttern. Das Klima, die Hitze und die Feuchtigkeit setzten uns bald schwer zu. Ebenso manch Ungeziefer und Gewürm. Und nie werde ich unseren panischen Schrecken vergessen, der uns bei dem ersten tropischen Gewitter überfiel. Dieses Krachen, als würde sofort die Welt untergehen. Man erwartet, in wenigen Sekunden vor dem Schöpfer zu stehen. Auch heute noch bereitet mir ein besonders heftiges Gewitter Unbehagen.

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