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Weide und die Identifikation von Entwicklungspotenzialen – beispielsweise im Hinblick auf den Ertrag oder die Artenvielfalt –, aber auch von Bewirtschaftungsfehlern. Die Beurteilung des Pflanzenbestandes ist deshalb in praktischer Hinsicht für die Landwirtschaft und die übergeordnete Planung der Bewirtschaftung, beispielsweise im Rahmen von Meliorationen, von Vernetzungsprojekten oder Betriebs- und Alpplanungen, von zentraler und weitreichender Bedeutung.

      Besonders drei Methoden haben sich bewährt, um die Standortbedingungen und die Bewirtschaftung anhand des Pflanzenbestandes einschätzen und beurteilen zu können: Die Verwendung von Zeigerwerten (Kap. 3.2), die Analyse der funktionellen Gruppen (Kap. 3.3) und die Identifikation des Wiesentyps (Kap. 5). Bei der Beurteilung des Wieslandes ist die Qualität und Quantität des Futters oft der wichtigste Gesichtspunkt. Doch das Wiesland hat zahlreiche weitere Funktionen, die je nach Aufgabenstellung und Kontext mehr oder weniger zentral in die Beurteilung miteinbezogen werden müssen (Kap. 1.3). So wird bei zunehmender Steilheit die Befahrbarkeit und damit die Qualität der Grasnarbe zunehmend wichtiger. Oder im extensiver genutzten Bereich ist die Artenvielfalt von besonderer Bedeutung, kommen hier doch oft seltene und gefährdete Arten vor, deren Erhaltung gesetzliche Pflicht ist.

      Die Multifunktionalität des Wieslandes ist heute bei allen ganzheitlich orientierten Betriebsplanungen, Nutzungsplanungen und Bestandesbeurteilungen ein integraler Bestandteil.

      Die Artenzusammensetzung kann mithilfe der ökologischen Zeigerwerte wichtige Hinweise auf die Standortbedingungen geben (ELLENBERG 1974). Für die Schweizer Flora hat diese Zeigerwerte vor allem LANDOLT (1977 und folgende) entwickelt. Zeigerwerte beruhen weitgehend auf der Erfahrung und auf Beobachtungen von Feldbotanikern und beinhalten bei jeder Art einen kleineren oder grösseren Unschärfebereich. Die Aussagekraft der Zeigerwerte in Bezug auf die Standortbedingungen, insbesondere den Wasser- und Nährstoffhaushalt sowie das Mikroklima, haben unzählige Studien und praktische Anwendungen immer wieder bestätigt. Um zuverlässige Aussagen machen zu können, sind die Werte möglichst vieler am Standort vorkommender Pflanzenarten zu mitteln, gegebenenfalls unter Berücksichtigung ihrer Mengenanteile. Einzelne Arten weisen zudem bessere Indikatoreigenschaften auf als andere. So gibt es typische Feuchte-, Nährstoff- oder Säurezeiger, deren Vorkommen ausreicht, um mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Standorteigenschaft zu schliessen (Tab. 3).

      Die Ausprägung der drei funktionellen Gruppen Gräser, Kräuter und Leguminosen ist einer der wichtigsten Gesichtspunkte für die Beurteilung einer Naturwiese im Hinblick auf ihre Ertragsfähigkeit und Stabilität.

      Ausdauernde Gräser bilden das Grundgerüst der Naturwiesen Mitteleuropas und sind damit hauptsächlichen für den Ertrag und die Stabilität des Bestandes verantwortlich. Nur Gräser sind fähig, einen dichten, stabilen Wasen zu bilden, und dieser wiederum ist in steileren Lagen für die Befahrbarkeit und den Erosionsschutz entscheidend.

      Aus futterbaulicher Sicht wird in produktionsorientiert genutztem Naturwiesland ein Anteil ausdauernder Gräser von 50 bis 75 Massenprozent angestrebt. Sofern dagegen Artenreichtum oder Ästhetik im Vordergrund stehen, ist ein geringerer Gräseranteil erwünscht, weil die Gräser viel weniger Arten aufweisen als die Kräuter, Kräuter zudem für mehr Insektenarten Nahrung bieten (z. B. Nektar), und ein starker Graswuchs, vor allem von rasenbildenden Arten, die Kräuter konkurrenzieren und ihre Vielfalt unter Umständen stark vermindern kann. Auch aus ästhetischer Warte ist ein höherer Kräuteranteil attraktiver, sind doch solche Bestände blütenreicher, farbiger und von den Wuchs- und Blattformen her vielfältiger.

      Besonders deutlich zeigt sich die Wirkung einer Übermacht der Gräser in vielen Wiesentypen beim Brachfallen. Durch die ausbleibende Nutzung nehmen einige Grasarten stark überhand, je nach Standort beispielsweise die Fiederzwenke oder der Rotschwingel. Diese Gräser können innerhalb von wenigen Jahren einen dichten Filz bilden, welcher kaum mehr weitere Arten aufkommen lässt (Abb. 26).

      Umfangreiche Ansaatversuche haben gezeigt, dass auf der anderen Seite das Fehlen von mehr oder weniger konkurrenzfähigen Grasarten den Pflanzenbestand instabil werden lässt. Wurden nämlich in blumenreichen Ansaatmischungen wüchsigere Gräser ganz weggelassen, konnten sich die Wiesenblumen anfänglich tatsächlich besonders üppig entfalten. Bereits nach wenigen Jahren brachen ihre Massenanteile und Artenzahlen aber ein und gingen deutlich unter die Werte einer ausgewogenen Ansaatmischung mit einem geeigneten Gräseranteil zurück (BOSSHARD 1999). Auch aus Naturschutzsicht ist deshalb ein minimaler Gräseranteil von mindestens 30 Massenprozent wichtig, um die Stabilität des Bestandes sicherzustellen.

      In funktioneller Hinsicht trägt die Unterscheidung zwischen Horst- und Rasengräsern viel zum Verständnis des Ökosystems Wiese bei (z. B. DIETL und LEHMANN 2006), eine Einteilung, die auf eine alte englische Futterbautradition zurückgeht (THAER 1801). Horstgräser bilden kräftige Horstbüschel, aber keine Ausläufer. Sie durchwurzeln den Boden kräftig und eher tief und wachsen tendenziell rasch in die Höhe. Dadurch bilden sie relativ rasch viel Biomasse und Ertrag. Horstgräser werden in der Regel nur wenige Jahre alt und müssen regelmässig absamen können, um sich im Bestand zu halten.

      Rasengräser dagegen vermehren sich vor allem über – oberirdische oder unterirdische – Ausläufer. Sie sind entsprechend nicht auf eine Vermehrung über Samen angewiesen und ertragen damit häufigen Schnitt meist problemlos oder werden durch diesen sogar noch gefördert. Viele Rasengräser bilden einen stabilen, mitunter dichten Wasen («Rasen»), wurzeln aber nur oberflächlich. Der Ertrag vieler Rasengräser ist deutlich geringer als von Horstgräsern. Die ertragreichsten Rasengräser sind das Englische Raygras, das Wiesen-Rispengras und der Wiesenfuchsschwanz; futterbaulich geringwertig sind das Gewöhnliche Rispengras oder verschiedene Straussgrasarten.

      Während Horstgräser vor allem andere Horstgräser konkurrenzieren, lassen sie zwischen den Horsten relativ viel Platz für zahlreiche weitere Arten, insbesondere Kräuter, aber auch Rasengräser. Rasengräser neigen dagegen zu Monokulturen (Abb. 26), wobei es je nach Standort, Bewirtschaftung und Grasart grosse Unterschiede gibt.

      Die von der Artenzusammensetzung wie bezüglich mechanischer Belastbarkeit stabilsten Wasen entstehen bei einem ausgewogenen Anteil sowohl an Horst- wie Rasengräsern. Fehlen stabile Rasengräser, weist eine Wiese nach der Mahd viele (Tab. 3) offene Bodenstellen auf, welche beispielsweise die Befahrbarkeit in steilem Gelände oder nach Regen gefährlich mindern können (Abb. 8). Solche Lücken lassen aber auch Platz für die Besiedlung des Bestandes mit «Lückenbüssern» – Pflanzen also, die futterbaulich minderwertig, wertlos oder in seltenen Fällen sogar giftig sind, beispielsweise Fadenehrenpreis, kriechender und scharfer Hahnenfuss oder Kerbelarten. Dominieren dagegen Rasengräser zu stark, nimmt die Artenvielfalt ab und Horstgräser können sich nicht mehr genügend etablieren durch Versamung. Dadurch kann der Ertrag einer Wiese deutlich zurückgehen, und in steileren Flächen kann infolge der nur flachen Durchwurzelung die Erosionsgefährdung ebenfalls zunehmen (Abb. 26 rechts).

      Einige Rasengräser, vor allem solche, die in intensiver genutzten Wiesen vorkommen, wie das Gemeine Rispengras, bilden nur ein sehr schütteres, oberflächliches Rasengeflecht und können

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