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auftretenden und wirtschaftlich bedeutsamen tierischen Schädlingen des Wieslandes zählen nur wenige Arten. Dazu gehören insbesondere Wühl- und Feldmäuse, Wildschweine sowie Engerlinge. Ihr Wirken ist nicht auf einzelne Pflanzenarten beschränkt. Entsprechend können sie in extremen Fällen die Pflanzendecke einer Wiese vorübergehend weitgehend zerstören.

      Hartnäckige unerwünschte Effekte können auch von einzelnen Pflanzenarten ausgehen. Dazu zählen in der Schweiz besonders die Blacke und der Klappertopf (Kap. 7.5.7). Im übrigen kann fast jede Wiesenpflanzenart bei übermässigem Auftreten eine unerwünschte Bestandesentwicklung, verminderte Futterqualität oder eine Ertragsreduktion zur Folge haben, bis hin zu Giftwirkungen, die im Extremfall für Raufutterverzehrer tödlich sein können (Details s. Kap. 3.3.2). Es gehört zu den besonderen Herausforderungen des Futterbaus, durch angepasste Nutzung und allenfalls Pflegemassnahmen solche Einseitigkeiten in der Artenzusammensetzung zu verhindern und gleichzeitig die erwünschten Futterpflanzen in ausgewogener Zusammensetzung besonders zu fördern (Kap. 3.3).

      Während Schädlinge und Kranheiten als unerwünschte biotische Faktoren sofort ins Bewusstsein treten, wird leicht übersehen, dass die positven Wirkungen der biotischen Faktoren viel wichtiger sind und auf vielschichtige Weise nichts weniger als die Voraussetzung für einen regelmässigen und guten Ertrag des Wieslandes sind. So erschliessen Mykorrhizapilze schwer verfügbare Nährstoffe für die Pflanzen (Exkurs 3), die Bodenorganismen sorgen für den Boden- und Humusaufbau und schaffen damit die Wachstumsbedingungen der Pflanzen überhaupt; und auch die Pflanzen selber treten untereinander in vielfältige positive Wechselwirkung. Während in der Ökologie lange fast ausschliesslich ihre Konkurrenz untereinander thematisiert worden ist, ist die Tatsache, dass sich die Pflanzen in vielerlei Hinsicht auch positiv beeinflussen, erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten stärker in den Fokus der Forschung getreten. So ermöglichen artenreichere Wiesenbestände unter gleichen Standorts- und Bewirtschaftungsbedingungen höhere Erträge als artenarme. Vor allem im extensiv genutzten Bereich ist dieser Zusammenhang überraschend gross, wie zahlreiche Versuche mittlerweile eindrücklich zeigen können (Abb. 15).

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      2.4 Wiesland und Biodiversität

      2.4.1 Bedeutung des mitteleuropäischen Wieslandes für die Biodiversität

      Für mehr als 2000 Pflanzen- und für ein Vielfaches an Tierarten ist das mitteleuropäische Wiesland Lebensraum (Korneck und Sukopp 1988). In vielen Regionen unterhalb der Waldgrenze ist mehr als die Hälfte der Pflanzenarten auf eine standortgemässe Wieslandnutzung angewiesen und kommt nur dank ihr vor (eigene Auswertung aus verschiedenen Vernetzungsprojekten im Kanton Zürich). Im Vergleich dazu ist der andere flächenmässig dominante Lebensraum, der Wald, deutlich artenärmer. Gemäss einer umfangreichen Stichprobe des Biodiversitätsmonitoring Schweiz finden sich auf 10 m2 im Wald durchschnittlich nur rund die Hälfte bis zwei Drittel so viele Arten wie im Wiesland, und dies, obwohl anteilsmässig ein grosser Teil der Stichproben intensiv genutztes, artenarmes Wiesland umfasste (STÖCKLIN et al. 2007, Abb. 16).

      Aussagekräftiger als Stichprobenvergleiche auf Kleinflächen sind flächendeckende Kartierungen. In einem über mehrere Jahre intensiv untersuchten repräsentativen Landschaftsausschnitt von 3 ha in der Ostschweiz mit hälftig Wald und Wiesland auf etwa 800 m ü. M. kamen von den 315 festgestellten Pflanzenarten 213 im – extensiv bis intensiv genutzten – Wiesland vor, dagegen nur 90 im Wald einschliesslich Waldrand (unpubl. eigene Daten). Der Landschaftsausschnitt umfasste lediglich trockene und wechseltrockene Standorte. Bei einer Ausweitung des Perimeters auf Gebiete mit Feuchtstandorten wie beispielsweise Streuwiesen verschiebt sich das Verhältnis noch mehr zugunsten des Wieslandes.

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      Nicht nur die Artenzahl, auch die Artendichte von artenreichem Wiesland ist ausserordentlich hoch. Auf einem einzigen Quadratmeter können in Mitteleuropa über 60 Pflanzenarten dauerhaft koexistieren (z. B. KLÖTZLI et al. 2010), global im Extremfall bis 89 Arten (Rekordhalter: Bergwiese in Argentinien, WILSON et al. 2012) – eine Zahl, die weltweit von keinem andern Lebensraum erreicht wird (WILSON et al. 2012) und von dem in Mitteleuropa alle anderen verbreiteten Lebensraumtypen wie Wälder, Auen oder Felsfluren mit Ausnahme vereinzelter, seltener Ruderalgesellschaften weit entfernt sind. Pro Pflanzenart rechnet man, so eine ökologische Faustregel, mit 8 bis 10 vorkommenden Tierarten.

      Entsprechend ist auch für viele Tiergruppen das Wiesland der weitaus wichtigste Lebensraum in Mitteleuropa. So sind 80 Prozent der 112 in der Schweiz heimischen Heuschreckenarten (SCHNEIDER und WALTER 2001) und 80 Prozent der gut 200 Tagfalterarten auf das offene Kulturland angewiesen, wovon wiederum gut 80 Prozent auf das eigentliche Wiesland spezialisiert beziehungsweise angewiesen sind (LACHAT et al. 2010). Auch bei den Wanzen, Zikaden oder Kleinschmetterlingen kommt ein grosser Teil der Arten ausschliesslich oder vorwiegend im Wiesland vor (LACHAT et al. 2010).

      Allerdings treffen all diese Aussagen nur für den extensiver genutzten, artenreicheren Teil des Wieslandes zu. Intensivwiesland weist dagegen nur noch wenige Pflanzenarten auf und gehört zu den botanisch artenärmsten Lebensräumen der Schweiz. Und für die meisten der oben genannten Tierartengruppen bietet Intensivwiesland keinerlei Lebensraum mehr (Kap. 8.2). Damit wird das enorme Spektrum zwischen artenreichem und artenarmem Wiesland deutlich, und es lässt sich bereits erahnen, welchen Einfluss die fast flächendeckende Intensivierung der Wieslandnutzung in den vergangenen 60 Jahren auf die Biodiversität hatte (Kap. 8).

      Tatsächlich spielen die artenreicheren, von der landwirtschaftlichen Nutzung geschaffenen und erhaltenen Wiesen und Weiden bei der Sicherung der Artenvielfalt Mitteleuropas eine Schlüsselrolle,

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