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Diskussion war, haben sich über die Zeit doch verschiedene Kritikpunkte daran ergeben212: So zeigt schon das obige Beispiel der Reduktion der Thermodynamik auf die statistische Mechanik, dass Nagel seinen Reduktionsbegriff vornehmlich für die Reduktion von Theorien entwickelt hat. Dies macht ihn jedoch für die geistesphilosophische Diskussion ungeeignet, da es hier ausschließlich um die Reduktion von Eigenschaften geht.213 John Dupré kritisiert außerdem, dass die Reduktion selbst im Fall von Nagels Hauptbeispiel sehr viel komplexer und diskussionswürdiger sei, als von diesem gedacht.214 Darüber hinaus lässt sich mit Lawrence Sklar feststellen, dass es in der Wissenschaftsgeschichte kaum Beispiele von Reduktionen im Sinne des Nagelschen Modells gibt.215 Das vielleicht gravierendste Problem des Nagelschen Reduktionsmodells hat jedoch Jaegwon Kim aufgezeigt. Er weist darauf hin, dass die Existenz von Brückengesetzen mit einer Reihe nicht-reduktionistischer Theorien kompatibel ist:

      „The philosophical emptiness of Nagel reduction, at least in contexts like mind-body reduction, if it isn‘t already evident, can be plainly seen from the following fact: a Nagel reduction of the mental to the physical is consistent with, and sometimes even entailed by, many dualist mind-body theories, such as the double- aspect theory, the theory of preestablished harmony, occasionalism, and epiphenomenalism. It is not even excluded by the dualism of mental and physical substances (although Descartes‘ own interactionist version probably excludes it). This amply shows that the antireductionist argument based on the unavailability of mind-body bridge laws – most importantly, the multiple realization argument of Putnam and Fodor – is irrelevant to the real issue of mind-body reduction or the possibility of giving a reductive explanation of mentality. Much of the debate over the past two decades about reductionism has been carried on in terms of an inappropriate model of reduction […].“216

      Aufgrund ihrer Kompatibilität mit nicht-reduktionistischen Ansätzen sind Brückengesetze somit keine notwendige Bedingung für einen Reduktionsbegriff. Außerdem unterliegen sie einem weiteren gravierenden Problem: Wenn sie nicht weiter erklärt werden, sind sie ontologisch und explanatorischleer‘, denn sie sagen uns weder etwas über die Relation zwischen dem Mentalen und dem Physischen, noch etwas über die jeweiligen funktionalen oder kausalen Rollen dessen, was sie reduzieren.217 Wie jedoch Joseph Levine betont hat, ist eine Reduktion nur unter bestimmten Bedingungen wirklich explanatorisch zufriedenstellend und damit vollständig: Nämlich nur dann, wenn durch die Reduktion einer Eigenschaft oder eines Gegenstandes die Mechanismen erklärt werden, durch welche die kausale Rolle realisiert wird, welche für die Eigenschaft oder den Gegenstand konstitutiv ist.218 Eine gerade in diesem Hinblick geeignetere Alternative zum Nagelschen Reduktionsbegriff stellt das funktionale Modell der Reduktion dar.

      7.3 Das funktionale Modell der Reduktion

      Der bekannteste Vertreter eines funktionalen Modells der Reduktion ist Jaegwon Kim. Wie Kim selbst betont hat, finden sich die zentralen Ideen dieses Konzepts – ohne dass sie explizit im Zusammenhang mit Modellen der Reduktion formuliert worden wären – schon in den Schriften von David Lewis (1966)219 und David Armstrong (1968)220.221 Aus der Zahl weiterer Autoren, die laut Kim ähnliche Überlegungen zu seinem funktionalen Modell der Reduktion aufweisen222, ist besonders Joseph Levine von Interesse, da er, wie Eronen schreibt, die entsprechenden Ideen als vielleicht erster Autor in seinem Artikel „On Leaving Out What It Is Like“223 (1993) in einem umfassenden Modell der Reduktion umgesetzt hat.224

      Levine ist Verfechter einer explanatorischen Reduktion. Diese gilt Levine dann als erreicht, wenn man – unter Berücksichtigung der Fakten, die in der Reduktion beschrieben werden – verstehen kann, warum sich die reduzierten Dinge so verhalten, wie sie es tun:

      „The basic idea is that a reduction should explain what is reduced, and the way we tell whether this has been accomplished is to see whether the phenomenon to be reduced is epistemologically necessitated by the reducing phenomenon, i.e. whether we can see why, given the facts cited in the reduction, things must be the way they seem on the surface.“225

      Levine verwendet als Beispiel die Reduktion einiger Eigenschaften von Wasser: Wenn man bestimmte Eigenschaften von Wasser erklären will, wie z.B., dass es bei Raumtemperatur flüssig ist, am Gefrier- bzw. Siedepunkt jedoch zu gefrieren bzw. zu kochen beginnt, so geschieht dies unter Bezug auf die chemischen Eigenschaften des Wassers. Der Grund hierfür liegt darin, dass die chemischen Eigenschaften kausal verantwortlich für die entsprechenden oberflächlichen Eigenschaften („superficial properties“226) des Flüssigseins, Frierens oder Kochens des Wassers sind. Interessant ist hierbei, dass Levine zwar keine Brückengesetze, so doch in manchen Fällen terminologische Brückenprinzipien („bridge principles“227) für nötig hält: Sind nämlich das Vokabular, in dem die zu erklärende Eigenschaft (z.B. die Durchsichtigkeit von Wasser) beschrieben wird und das Vokabular der erklärenden Theorie verschieden, so bedarf es Brückenprinzipien, welche die zu erklärende Eigenschaft in das Vokabular bringen, das den Theorien eigen ist, auf die sich die Erklärung bezieht. Entsprechend muss, um z.B. die Eigenschaft der Farblosigkeit von Wasser zu reduzieren, erst einmal eine Reduktion der Farblosigkeit auf die Eigenschaft erfolgen, eine spezifische spektrale Reflexion von Licht zu sein, da Farblosigkeit keine chemische Eigenschaft ist. Erst danach lässt sich die Farblosigkeit von Wasser in Bezug auf die molekulare Struktur des Wassers und die Art und Weise, wie diese Strukturen mit Lichtwellen interagieren, erklären.228 Levine fasst die Idee der explanatorischen Reduktion folgendermaßen zusammen:

      „Our concepts of substances and properties like water and liquidity can be thought of as representations of nodes in a network of causal relations, each node itself capable of further reduction to yet another network, until we get down to the fundamental causal determinants of nature. We get bottom-up necessity, and thereby explanatory force, from the identification of the macroproperties with the microproperties because the network of causal relations constitutive of the micro level realizes the network of causal relations constitutive of the macro level. Any concept that can be analysed in this way will yield to explanatory reduction. Notice that on this view explanatory reduction is, in a way, a two-stage process. Stage 1 involves the (relatively? quasi?) a priori process of working the concept of the property to be reduced ‘into shape’ for reduction by identifying the causal role for which we are seeking the underlying mechanisms. Stage 2 involves the empirical work of discovering just what those underlying mechanisms are.“229

      Den sich aus diesem Modell ergebenden engeren Gehalt eines Konzepts – wie z.B. das des Wassers –, bezeichnet Levine auch als „‘functional role’ view“230, da es durch die inferentiellen Beziehungen zwischen der Gruppe an Auffassungen determiniert ist, die man über das jeweilige Konzept hat.231

      Kims funktionales Modell der Reduktion weist große Ähnlichkeit zu diesen Überlegungen auf. Als Hauptbeispiel – wobei die Wiedergabe hier eng an der Originalpassage orientiert ist – verwendet er die Reduktion von Genen auf DNA-Moleküle: So schreibt er, dass man, um das Gen zu reduzieren, zuerst einmal eine funktionale Interpretation von ihm geben, das heißt, es in Bezug auf seine kausale Rolle beschreiben muss. Demnach ist die Eigenschaft, ein Gen zu sein, die Eigenschaft, eine bestimmte Eigenschaft zu haben (oder ein bestimmer Mechanismus zu sein), welche eine bestimmte kausale Rolle erfüllt. Die kausale Rolle der Gene ist die Übertragung von Informationen über phänotypische Charakteristika von Eltern auf ihre Nachkommen. Diese kausale Rolle wird durch DNA erfüllt, und da Theorien existieren, die besagen, wie genau DNA-Moleküle dieses bewirken, lässt sich mit gutem Grund sagen, dass das Gen auf DNA reduziert wurde.232 Im Detail beschreibt Kim die funktionale Reduktion einer Eigenschaft E auf ihre Realisierungsbasis B als einen Dreischritt. Dabei gilt es zuerst einmal E funktional zu beschreiben:

      „Step 1: E must be functionalized – that is, E must be construed, or reconstrued, as a property defined by its causal/nomic relations to other properties, specifically properties in the reduction base B.“233

      Kim schreibt in diesem Zusammenhang, dass ein wichtiger Aspekt der Funktionalisierung darin

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