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Gestalten eucharistischer Anbetung. Stefanie Maria Höltgen
Читать онлайн.Название Gestalten eucharistischer Anbetung
Год выпуска 0
isbn 9783429064167
Автор произведения Stefanie Maria Höltgen
Жанр Документальная литература
Серия Bonner dogmatische Studien
Издательство Bookwire
In keiner Weise sucht er nach Bestätigung seiner selbst oder dessen, was er tut. Alles, woran ihm gelegen ist, ist, wie der Herr in Nazareth unerkannt zu bleiben. Aus diesem Grund verrichtet er im Kloster der Klarissen bewusst und ausschließlich die niedrigsten Arbeiten. Darin lässt sich erneut der alles entscheidende Wille Foucaulds wiedererkennen: Diese gewöhnlichen Arbeiten nehmen ihm nämlich keinen Ruhm weg, sondern ermöglichen ihm die fortdauernde Betrachtung und das ununterbrochene Gebet, das ständige Bei-Gott-sein. Sie geben ihm letztendlich etwas, das in seinen Augen weitaus mehr Wert hat als jede bezahlte Leistung.
Auch hier ist es die Zeit vor dem Tabernakel, die ihn davon abhält, etwas Großes durch eigenes Machen für sich selbst herzustellen. Das Größte, was er je besitzen wird, befindet sich unmittelbar vor ihm: das eucharistische Brot. Die Größe des Lebens, den Wert eines jeden Lebens gibt man sich selbst so wenig wie das Leben selbst. Nichts vermag einem unbedeutenden Menschenleben Größe zu geben außer Gott. In der Wirklichkeit der Eucharistie, in welcher der Wille Gottes, den Menschen unwiderruflich anzunehmen, erfahrbar wird, zeigt sich für Foucauld zugleich die Nichtigkeit menschlicher Anstrengung. Das Einzige, was dem Menschen Zukunft geben kann, ist die geschenkte Liebe des hinabgestiegenen Sohnes. Und hier beginnt der aktive, initiative Teil des Menschen innerhalb der Beziehung mit Gott: „Wer absteigt, ahmt mich nach[…] wer absteigt, wandelt auf meinem Weg und deshalb in der Wahrheit, und er befindet sich am besten Platz, um das Leben zu gewinnen und es den andern zu geben“98. In der eucharistischen Anbetung nimmt Charles de Foucauld den Anspruch wahr, der mit diesem ungeheuren Geschenk einhergeht. Eine erwidernde Liebe, die logischerweise dazu führen muss, die Art Gottes, in der er sich dem Menschen offenbart hat, nachzuahmen. Dann nur kann die dargebotene Liebe Gottes wirklich an ihr Ziel kommen. Denn nur wer sich selbst ganz zurücknimmt, wer sich leer macht und erniedrigt, das heißt nichts für sich selbst, für das eigene Ego, den eigenen Stolz oder das eigene Lob zurückbehält, nur der kann sich von dieser Liebe selbst bestimmen lassen. Die Erniedrigung verliert somit ihren Schrecken und wird wünschenswert, weil sie frei macht, Christus in sich aufzunehmen. Charles de Foucauld kann sich klein und niedrig machen, weil ihm in der eucharistischen Anbetung der erniedrigte, verkannte Jesus Christus begegnet, er gleichzeitig aber darum weiß, dass gerade die unüberbietbare Erniedrigung am Kreuz das in der Liebe mitgegebene Heil zur Folge hat. Es ist die Größe des Leidens Jesu, die Foucauld eben auch zugleich die Größe seiner Liebe und ihres endgültigen Triumphes zeigt. Das Leiden Christi wird somit nicht von ihm angeprangert, sondern angenommen als Zeichen seiner Liebe und seines Gehorsams zum Vater, und im eigenen Leiden mitvollzogen. Die Erniedrigung und das Leiden Jesu stehen für ihn daher an der richtigen Stelle und haben ihren Grund: Die Liebe Jesu und sein Leiden bedingen sich insofern, als das Leiden Jesu zum direkten Ausdruck seiner Liebe wird. Aus diesem Verständnis heraus deutet Foucauld sein eigenes Leiden und das der Menschheit99. Das aktiv getragene Leid und die eigene Erniedrigung bieten eine Möglichkeit, die Liebe zu Gott auszudrücken, sie an sich wirklich werden zu lassen100. In diesem Kontext tritt dann ebenfalls Foucaulds Wunsch nach dem Opfer seines Lebens, dem Märtyrertod, in Erscheinung. Denn er weiß, dass diese letzte Form der Hingabe die größte ist, die er zu geben imstande ist.
Charles de Foucauld will sich sein Heil nicht verdienen. Das Heil, die Liebe Gottes ist von Anfang an ungeschuldet und vor aller Gegenliebe der Menschen. Das wird ihm in aller Deutlichkeit im Dasein Jesu Christi in der heiligen Eucharistie bewusst. Dort schenkt sich Gott dem Menschen immer schon, ohne eine Antwort erhalten zu haben. Dies macht es aber nur um so notwendiger, dem daraus entstehenden Anspruch gerecht zu werden101.
1.2.3 Marabut in der saharischen Wüste (1901-1916)
Nachdem die Klarissen-Äbtissin von Jerusalem Charles de Foucauld davon überzeugt hatte, dass es seinen Ordensgründungsplänen förderlich sei, Priester zu werden, ist für ihn klar, dass er die Nachfolge Jesu nur vervollkommnen kann, wenn er das Messopfer darbringen und die Sakramente spenden kann. Foucauld kehrt 1900 nach Frankreich zurück, um die Priesterweihe zu empfangen. Während der Vorbereitungsmonate reift in ihm der Plan, das verborgene Leben Nazareths in Nordafrika zu führen, in der Absicht, Jesus all denen, die ihn nicht kennen, bekannt zu machen. Nach seiner Priesterweihe siedelt er über nach Beni-Abbès, einer kleinen Oasen- und Garnisonsstadt am Rande der Sahara nahe der marokkanischen Grenze; er errichtet dort eine weitläufige Eremitage in der festen Hoffnung, in Zukunft nicht mehr allein zu sein.
Hier entdeckt Foucauld nun die zweite Verwirklichungsform von Nazareth: Der Tag ist zwar noch geprägt von ausgedehnten Gebetszeiten, die er vor dem Allerheiligsten kniend verbringt, aber mehr und mehr öffnet sich Charles de Foucauld der saharischen Bevölkerung. Er kann angesichts vieler Missstände, für die er die französische Regierung in der Verantwortung sieht, nicht mehr schweigen und lässt sein Ideal der Nachfolge zunehmend in die Aktion münden. Leidenschaftlich richtet sich Foucauld gegen die geduldete Sklaverei und schreibt mehrere Briefe an das Parlament in Paris. „Man muß sagen, oder durch einen Zuständigen sagen lassen: «non licet», «vae vobis hypocritae», ihr setzt auf eure Briefmarken und überallhin die Worte «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Menschenrechte» und schmiedet die Ketten der Sklaven; ihr verurteilt Banknotenfälscher zur Galeere und erlaubt, dass Kinder ihren Eltern geraubt und öffentlich verkauft werden; ihr bestraft den Diebstahl eines Huhnes und gestattet den eines Menschen“102. Nach einiger Zeit kann er die ersten Erfolge verzeichnen, als die Kommandanten der Oasen erste Maßnahmen gegen die Sklaverei ergreifen. Doch er hat nicht nur die einheimische Bevölkerung im Blick: Auch die stationierten französischen Soldaten in Beni-Abbès können sich seiner Hilfe sicher sein und trotz seines Einsiedlerdaseins zeigt er sich häufig gesellig und gesprächsbereit. Der Andere, sein Mitmensch, begegnet Foucauld mehr und mehr als derjenige, in dem ihm Jesus konkret begegnet.
Zunehmend reift in ihm der Wunsch, in der afrikanischen Wüste auch missionarisch tätig zu sein, wobei er besonders den marokkanischen Teil der Sahara ins Auge fasst. Entgegen der allgemeinen Auffassung ist er der festen Überzeugung, der Islam sei durchaus geeignet, die Frohe Botschaft Jesu zu vernehmen103.
Charles de Foucauld muss jedoch den Plan, Marokko zu missionieren, wenig später wieder fallen lassen; denn immer noch hatten sich keine Brüder eingefunden, die bereit waren, das strenge Leben von Bruder Karl zu teilen. Zudem wurde das Gebiet um Beni-Abbès vermehrt von schweren Unruhen heimgesucht, die viele Soldaten das Leben kosteten. Sein Freund, Oberst Laperrine, will in den Süden der Sahara vorstoßen und macht ihm den Hoggar, das Land der Tuareg, schmackhaft. Foucauld ist fasziniert von dieser Idee und begibt sich mit auf die beschwerliche Reise. Zwar kehrt er noch einige Male nach Beni-Abbès zurück, doch beginnt er, von 1901 an, verstärkt dort zu wirken.
Bei den Tuareg findet das Nazareth-Ideal eine weitere Verwirklichungsstufe: Zwar bleibt der kontemplative Grundzug erhalten – viele Stunden verbringt Charles de Foucauld weiterhin vor dem Allerheiligsten – doch wird er mehr und mehr das, was heute eher Entwicklungshelfer genannt werden könnte104. Seine Achtung und Offenheit gegenüber dem so fremden Volk ist enorm und seine Hinwendung zum Nächsten findet in seinem Verhältnis zu ihm ihren einzigartigen Ausdruck. So ist er zum Beispiel als politischer und ökonomischer Berater des „Königs“ der Tuareg und der französischen Kolonialoffiziere tätig. Er begeistert sich für alle Techniken, wie z.B. Eisenbahn oder Telegraphie, die der Entwicklung der Sahara förderlich sein könnten. Er gibt Ratschläge in Dingen der Landwirtschaft, Medizin und Textilverarbeitung. Er durchleidet mit ihnen eine große Hungersnot, und er kämpft weiterhin auch hier mit vollstem Herzen gegen die Sklaverei; vor allem aber lernt er die Sprache und die literarische Tradition der Tuareg kennen und arbeitet bis zum Letzten an einem großen Wörterbuch Französisch-Tuareg (Tamaschek), das erst nach seinem Tode veröffentlicht wird und bis heute das einzige in seiner Qualität ist105. Er übersetzt die Evangelien in das Tamaschek und lebt, obwohl allein, konsequent die Nachfolge Jesu Christi. Trotz der völlig anderen Kultur um ihn herum bleibt er dem Christentum verbunden und dem Allerheiligsten ganz nah.
Zweimal reist er in dieser Zeit nach Frankreich, um für seine Gemeinschaft zu werben, doch er ist nicht erfolgreich und bleibt bis zu seinem Tod 1916 allein.
1.2.3.1 Mission: Sich aussetzen mit dem in der Hostie ausgesetzten