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gehört ihm die Aufmerksamkeit der Wüstenbewohner. Zwar verbringt Charles de Foucauld, wann immer möglich, viele Stunden vor dem Allerheiligsten, aber meistens wird er von den Menschen um ihn herum gefordert und beansprucht. Keinen von ihnen will er abweisen. Wie vorhergehend schon erwähnt, erkennt Foucauld angesichts der eucharistischen Wirklichkeit Jesu Christi die Notwendigkeit, die zuteil gewordene Liebe nicht für sich selbst zu behalten, sondern an die Menschen weiterzugeben. Bestimmte, einschneidende Erlebnisse erscheinen Foucauld wie Sinnoffenbarungen122, und viele seiner Aufzeichnungen geben Zeugnis von seinen Erfahrungen, in denen ihm der konkrete Mitmensch als der Anspruch des in der Monstranz ausgesetzten Christus begegnet.

      Vor dem Allerheiligsten kniend offenbart sich ihm der Jesus, der sein Leben am Kreuz hingegeben hat für die Vielen, für das Heil eines jeden Menschen. Weil er sich in die Lebenshingabe Jesu für die Vielen versenkt, drängt es Foucauld in die Nachfolge radikaler Proexistenz123. Er will sich mit Jesus zur Hostie gestalten lassen für die Menschen, die sich bei ihm einfinden124. Der Nächste begegnet Foucauld somit als der ganz Andere, als ein von Gott Gerufener und Gewollter und dadurch als unhintergehbarer Anspruch. Wenn Gott das Heil eines jeden Menschen will und er sich in der heiligen Eucharistie einem jeden Menschen schenkt, wie sehr steht man dann in der Pflicht, dem Nächsten zu eben diesem Heil zu verhelfen?125 Wie wichtig ist es dann, den Menschen die Eucharistie zu bringen und ihnen durch das eigene Leben und das gütige Handeln an ihnen die Liebe Gottes zu erkennen zu geben? Foucauld erkennt im Nächsten eine Gegenwärtigkeit Christi wie in der Hostie selbst. Von nun an verbringt er die Stunden vor dem eucharistischen Brot vor allem, um nicht mehr nur sich, sondern stellvertretend auch die Menschen seiner Umgebung vor Gott hinzutragen. Der Akt der Liebe innerhalb der Anbetung verbleibt nicht mehr nur zwischen dem Du Gottes und dem Ich des Anbetenden: das Geschehen der Liebe dringt nach außen, lässt die Menschen daran teilhaben, indem Foucauld sich ihnen bis zum Letzten zuwendet und sie hineinnimmt in eine Beziehung zum eucharistischen Christus: „So weit sollen wir alle Menschen lieben, daß wir durch die Liebe in ihnen leben und nicht in uns, daß wir eins sind mit ihnen durch die Liebe, nicht um ihretwillen, sondern um Gottes willen, «daß sie eins seien in Uns», daß unsere Liebe zu Gott uns so sehr mit allen Menschen verbinde“126.

      Charles de Foucauld bemüht sich besonders um jene, die er am weitesten von Christus entfernt glaubt; doch schließt er letztendlich niemanden von seiner Hilfe aus. Durch das Leermachen seiner selbst durch die Zurücknahme des eigenen Ego, das Streben nach Gleichförmigkeit mit Jesus und durch die Hingabe an den Nächsten wird Foucauld mit Leib und Seele ein Zeichen der Liebe Christi und dessen Werkzeug zur Rettung der Menschen127. Allein durch seine Gegenwart, durch sein Sich-Aussetzen in der Weise des eucharistischen Christus will er den Tuareg ein Zeugnis der christlichen Offenbarung sein: „Das Beispiel ist das einzige äußere Werk, durch welches man Seelen beeinflussen kann, die sich Christus gegenüber vollkommen ablehnend verhalten“128.

      Indem Foucauld für sich „den letzten Platz“ wählt, kann er den Tuareg anders als die französischen Kolonialherren auf Augenhöhe begegnen, kann er ein wirkliches Miteinander mit den Tuareg leben und sich einen Zugang zu ihrer Kultur verschaffen129. Nur an diesem letzten Platz wird für Charles de Foucauld wirkliche und vor allem wirksame Nächstenliebe möglich, die europäischem Überlegenheitsdenken keinen Raum mehr lässt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch seine Haltung zum Mitleiden mit den Menschen: Das Mitleid mit dem Nächsten ist ebenfalls imstande, die Liebe zu Gott auszudrücken, an sich wirklich zu machen und auf diese Weise die Liebe Gottes für die Menschen an sich sichtbar, spürbar und erfahrbar zu machen. Mitleid ist für Foucauld nicht das distanzierte Mitleiden, sondern das aktive Mittragen, das gemeinsame Aushalten und Hoffen auf den Herrn.

      Mit dieser inneren Haltung, die auf Foucaulds eucharistischer Frömmigkeit beruht, kann er den Tuareg trotz aller scheinbaren Verschiedenheit wirklich zum Nächsten werden. Die Erfahrung des Reichtums des Tabernakels begründet seine Hinwendung zu den Armen der Welt und die Bekämpfung ihrer materiellen Armut: Indem Foucauld sich selbst zu den Armen trägt, trägt er den Reichtum des Tabernakels zu ihnen. Indem er sich selbst ganz klein macht, um Jesus Raum zu geben, kann er Jesus veranschaulichen.

      48 Besonders die Verfolgung und Ermordung armenischer Christen, die Foucauld in Akbès hautnah miterlebt, bewegen ihn erstmals zu dem Gedanken, dass das kontemplative Leben sein Glaubwürdigkeitskriterium im konkreten Einsatz für Unterdrückte und Leidende findet.

      49 In einem späteren an Guérin, den Apostolischen Präfekten der Sahara, gerichteten Brief schreibt er: „Von halb vier bis halb sechs Anbetung: das ist, nach der Messe und der Nacht, der beste Teil des Tages: die Arbeit ist getan, und ich darf nur noch Jesus anschauen…Es ist eine Stunde voll Süße“. FOUCAULD, Schriften, 383.

      50 FOUCAULD, Schriften, 136.

      51 Vgl. FOUCAULD, Schriften, 130.

      52 Foucauld schreibt in seinen Betrachtungen über das Evangelium (Lk 4,42): „Das immerwährende Gebet genügt nicht: wie der Herr uns hier lehrt, muß es in jedem Leben, selbst in einem Leben, das in sehr heiliger Weise dem Dienst am Nächsten gewidmet ist, bestimmte Zeiten der Sammlung, des Stillschweigens, der einsamen Betrachtung zu Gottes Füßen geben…Dies ist eine Pflicht der Ehrfurcht dem Schöpfer gegenüber, der Liebe gegenüber unserm Geliebten,[…].“ FOUCAULD, Schriften, 135.

      53 FOUCAULD, Platz, 21.

      54 FOUCAULD, Schriften, 116. Zuvor schreibt er an dieser Stelle: „Welcher Art diese verschiedensten Gebete sein mögen, ob stumm oder gesungen, ob ohne tiefes Denken oder stark reflektiv, was ihnen ihren eigentlichen Wert gibt, ist die Liebe, mit der sie verrichtet werden.“

      55 Vgl. FOUCAULD, Schriften, 132.

      56 Vgl. FOUCAULD, Aufzeichnungen, 22.

      57 Vgl. SIX, Foucauld, 19.

      58 Später versteht Charles de Foucauld diese Langeweile, die er damals empfand, als Gnade, die ihn auf die Begegnung mit Gott vorbereiten sollte. Vgl. SIX, Foucauld, 24.

      59 Laut Six war dieser Entschluss weniger aus Liebe zu Mimi entsprungen, sondern hatte seinen Grund in seinem Stolz und seiner ausgeprägten Freiheitsliebe, die Charles nicht angetastet wissen wollte. Vgl. SIX, Foucauld, 25.

      60 Bis zu diesem Zeitpunkt scheinen Foucaulds Aktionen alle noch stets von dem Wunsch angetrieben zu sein, ruhmreich zu werden, v.a. in den Augen seiner Familie will er sich groß machen und damit rehabilitieren. Vgl. SIX, Foucauld, 28f.

      61 In einem Brief an Henry de Castries von 1901 schreibt er von seiner damals empfundenen Faszination vom Islam, den er aber dennoch nicht als die Wahrheit erkannte. Vgl. FOUCAULD, Schriften, 362.

      62 In seinen Betrachtungen von 1897 erfahren wir, dass Charles sich damals sagte, eine Religion, an die eine solch intelligente Frau glaubt, könne vielleicht doch kein Unsinn sein. Vgl. SIX, Foucauld, 46f.

      63 Foucauld genießt „die Einsamkeit in der Gesellschaft“ geliebter Menschen. Ein Ausdruck, der nach Six ein Schlüssel zu Charles de Foucaulds Wesen ist: Einsamkeit ja, aber nur im Umgeben-sein von Liebe. Vgl. SIX, Foucauld, 31.

      64 FOUCAULD, Schriften, 363. Bekenntnis aus seinem Brief an Henry de Castries von 1901.

      65 FOUCAULD, Schriften, 363.

      66 Das, was Foucauld noch vom Glauben abhielt, war sein im Agnostizismus verhaftetes Denken – so Six. Demnach konnte ihm nur konkretes Tun den Glauben wiedergeben. Vgl. SIX, Foucauld, 52.

      67 Vgl. SIX, Foucauld, 66.

      68 Siehe dazu SIX, Foucauld, 79-85.

      69 Die Trappisten sind zu dieser Zeit einer der strengsten und ärmlichsten Orden.

      70 Vgl. SIX, Foucauld, 207f.

      71 Vgl. FOUCAULD, Schriften, 346.

      72 Vgl. SIX, Foucauld, 84.

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