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Gestalten eucharistischer Anbetung. Stefanie Maria Höltgen
Читать онлайн.Название Gestalten eucharistischer Anbetung
Год выпуска 0
isbn 9783429064167
Автор произведения Stefanie Maria Höltgen
Жанр Документальная литература
Серия Bonner dogmatische Studien
Издательство Bookwire
Das Dasein vor dem Tabernakel bringt Charles de Foucauld so sehr in die Gegenwart Jesu, in die ihn erfüllende Nähe Gottes, dass er nichts anderes mehr braucht, dass all sein Verlangen – bis auf jenes nach Jesus – gestillt ist. Dieses Verlangen befähigt ihn, sich selbst – angesichts der ungeheuren Nähe Jesu Christi – leer und demütig zu machen, keiner Dinge mehr zu bedürfen79. Die Nähe Christi im Tabernakel kann ihm genügen. Alle menschlichen Bedürfnisse – ja sogar die grundlegendsten – verlieren an Bedeutung. Obwohl Gott in der Eucharistie in der Verborgenheit des Brotes gegenwärtig ist80, nimmt er dennoch einen derart großen Raum ein, dass Foucauld ganz befreit wird von dem Bestreben, sich selbst einen Sinn geben zu müssen. Schon in der frühen Zeit seines Ordenslebens macht Foucauld diese tiefgreifende Erfahrung. Er schreibt in Briefen an seine Cousine Marie von einem tiefen Frieden, der ihm seit einiger Zeit zuteil wird und der ihn einen unerwarteten Trost erfahren lässt: „Mir hat er, meiner großen Schwäche wegen, nur Frieden geschenkt…einen ganz unerwarteten Frieden“81. In seiner Demut angesichts der Größe Gottes kann sich Foucauld nur klein und unscheinbar machen, gleichzeitig aber weiß er sich unendlich beschenkt und geliebt. Hier erfährt er sich so als immer schon wert- und sinnvoll, ohne sich als dies beweisen zu müssen. Demütig kann letztlich nur jemand sein, der schon von etwas anderem außerhalb seiner selbst erfüllt ist, sich also nicht selbst füllen muss, sich nicht selbst den Sinn des eigenen Daseins geben muss.
1.2.1.2 Gehorsam: Christusförmige Leibwerdung
In den Jahren seiner Zugehörigkeit zum Orden der Trappisten lässt sich der Aspekt des Gehorsams besonders gut veranschaulichen. Als Bruder Marie-Albéric steht Charles de Foucauld in einer Verbindlichkeit, wie sie der eigentlich so freiheitsliebende und selbstbestimmte Franzose bisher kaum erlebt hat. Selbst das Militär vermochte ihm nicht eine dauernde Fügsamkeit abzuverlangen, nun aber hat er sich freiwillig an eine Gemeinschaft gebunden, für die der Gehorsam eine tragende Rolle im ständigen Miteinander hat. Und mehr als nur einmal gesteht Foucauld, wie schwer es ihm oftmals fällt zu gehorchen. Exemplarisch zeigt sich dies vor allem an seinem Widerstreben, dem Wunsch seines Ordensoberen, er möge doch Theologie studieren und Priester werden, nachzukommen. Es widerstrebt ihm deshalb, weil er darin ein Leben in der Erfüllung des „Nazaret-Ideals“ gefährdet sieht, kommen doch dem Priester Gnadengaben zu, die ihn eben nicht in die Verborgenheit von Nazareth stellen, sondern in die Öffentlichkeit des geistlichen und weltlichen Lebens82. Dennoch weiß er um seine Gehorsamspflicht, welche noch dazu von seinem beständigen Seelenführer Huvelin bekräftigt wird, denn dieser rät ihm dazu, dem Wunsch seines Ordensoberen Folge zu leisten.
Daneben beginnt in Syrien Foucaulds Vorstellung von der Gründung eines eigenen Ordens, in welchem das verborgene Leben Jesu in Nazareth wahrhaftig gelebt werden kann bzw. immer konkreter werden kann. Immer stärker wird für ihn das Gefühl, seinen Platz – den letzten Platz – bei den Trappisten nicht finden zu können. Auch hier lautet Huvelins Rat, keine voreiligen Entschlüsse zu fassen und Geduld zu haben, bevor er seinem Schützling nach langer Zeit schließlich doch die Erlaubnis erteilt, den Orden der Trappisten im Einverständnis mit den Ordensoberen zu verlassen83. Auch wird von seiner Priesterweihe vorerst abgesehen. Zunächst wird Foucauld für zwei Jahre nach Rom zum Theologiestudium geschickt und damit sein Gehorsam auf eine lange Probe gestellt. Und als eine solche deutet er ihn auch: Im Gehorsam entscheidet sich die Liebe für Gott. Letztendlich ist Gehorsam nichts anderes als eine notwendige Konsequenz der vollkommenen Hingabe. Aufgrund der Liebe zu dem, der sich ganz hingegeben hat, schafft es Foucauld, sich selbst völlig zurückzunehmen, vorbehaltlos zu gehorchen. Der Gehorsam hat sich allein nach der je größeren Liebe zu richten; und in dem Wissen um das eigene Geliebtsein und um das Wohlwollen Gottes ist es nur selbstverständlich, sich seinem Willen, der sich besonders im Rat der Seelenführer kundtut, zu fügen: „Wer jederzeit vollkommenen Gehorsam leistet, hat auch jederzeit die vollkommene Liebe. Wer jeden Augenblick vollkommen gehorcht, tut jeden Augenblick das Vollkommenste, denn das Vollkommenste ist das, was aus der vollkommenen Liebe stammt“84. Schlussendlich ist der Gehorsam eine Antwort auf das Geschenk der allgegenwärtigen Nähe des menschgewordenen Jesus im eucharistischen Brot und wird dadurch zur äußeren, sichtbaren Form der inneren Haltung der Demut. In der Anbetung, dem in die Gegenwart Gottes gerufen Sein, erfährt sich Foucauld als unbedingt geliebt; geliebt werden heißt aber auch, dass es jemanden gibt, der es gut mit einem meint und so ist es für Charles de Foucauld nur natürlich, diesem Jemand zu gehorchen. Gehorsam kann demnach nur in der Symbiose mit der Demut funktionieren und gründet in ein und derselben Erfahrung innerhalb der eucharistischen Anbetung. Der inkarnatorisch in die Hostie hinabsteigende Sohn des trinitarischen Gottes erfüllt in vollkommenem Gehorsam den Willen des Vaters. Wie also die eucharistische Gestalt des Erlösers den Gehorsam des Sohnes gegenüber dem Vater ausdrückt, so ist für Foucauld der Gehorsam die christusförmige Leibwerdung des Glaubens. Im Gehorsam gibt sich Foucauld dem hin, von dem er alles empfängt; ganz so wie der empfangende Sohn sich dem Vater schenkt. Foucauld kann in seiner nicht nur spirituellen, sondern zugleich leibhaften Hingabe an den Willen Gottes am Geheimnis der Inkarnation partizipieren. Letztendlich ist der Gehorsam ein weiterer Schritt Foucaulds hin zur Verähnlichung mit dem eucharistischen Christus.
1.2.2 Hausknecht bei den Klarissen in Nazareth (1897-1900)
Nachdem Charles de Foucauld am 25. Januar 1897 von Dom Wyart die Erlaubnis erteilt bekommt, die Trappisten verlassen zu dürfen, fällt seine Wahl auf das schon lange ersehnte verborgene Leben von Nazareth. Nazareth, das bedeutet das unscheinbare, einfache und arme Leben eines Zimmermanns. Unerkannt und geprägt von schlichter Handarbeit, fern von jeder Selbstdarstellung und den Würden eines geachteten Standes. Ein solches niedriges Dasein wird von nun an von Foucauld mit aller Kraft verfolgt. Und er verfolgt es nicht nur für sich selbst, sondern für eine Gemeinschaft von Brüdern, für deren Zusammenleben er konkrete Vorstellungen entwickelt, die er in selbstverfassten Regeln festhält. Er orientiert sich dabei zwar an der Regel des heiligen Benedikt, doch will er bewusst auf jedweden intellektuellen Anspruch verzichten und gestaltet daher das Leben der Brüder äußerst einfach, damit es sich in seinen geistlichen Formen als einladend für jedermann darstellt. Die „Einsiedler vom Heiligsten Herzen“ sollen in kleinen Gruppen das Los der Armen teilen, in ihrer Lebensgestalt wirklich arm, brüderlich und unterschiedslos offen für alle sein85.
Foucauld hat den Wunsch, Hausknecht in einem Kloster im Orient zu werden; und so reist er ins Heilige Land, um bei den Klarissen in Nazareth den Ort zu finden, der ihm zur Verwirklichung seines „Nazaret-Ideals“ angemessen erscheint. Dort nennt er sich von nun an Bruder Karl und verrichtet vor allem anstehende Haus- und Gärtnerarbeiten. Er weigert sich, ein geräumiges Gärtnerhaus der Klosteranlage in Anspruch zu nehmen und wohnt stattdessen im Geräteschuppen des Gartens der Schwestern. Seine Kleidung ist ärmlich, er geht fast immer barfüßig und schläft auf dem harten Steinboden seiner Behausung. Zugleich stammen aus dieser Zeit viele seiner handschriftlich verfassten Betrachtungen über die Heilige Schrift, die Aufschluss darüber geben, wie lebendig das Evangelium im täglichen Leben des Bruders war.
Als Charles de Foucauld kurz vor seiner Abreise ins Heilige Land von seinen einfachen Gelübden bei den Trappisten dispensiert wurde, hatte er noch am selben Tag zwei eigene Gelübde abgelegt: das der Keuschheit und das der Armut.
Sein Leben bei den Klarissen in Nazareth zeigt in besonderer Weise, wie sehr der ehemalige Lebemann zum Verzicht fähig wurde und wie radikal arm er sich zu machen vermochte. In Nazareth verwirklicht Foucauld zusehends die Kleinheit und Niedrigkeit Jesu gleichsam in und an sich selbst. Sogar seine Gestalt verkörpert nun vollends seine innere Haltung; denn sie zeigt einen schmächtigen und kleinen Charles de Foucauld. Mit Freuden und Dankbarkeit nimmt er alle Leiden und Erniedrigungen auf sich, um seinem Jesus immer ähnlicher zu werden. Der Satz „kleiner, immer kleiner“ wird zum Leitfaden seiner gelebten Nachfolge.
1.2.2.1 Armut: Vorbereitung auf die ewige Kommunion
Foucaulds Wunsch, zusammen mit Jesus den „letzten Platz“ einzunehmen, gewinnt in seiner Zeit bei den Klarissen eine fassbare und sichere Gestalt. Es ist in besonderer Weise die gewählte