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und die pharisei das worent die von irre geistlicheit hieltent, und die stundent uf iren wisen in iren ufsetzen. … By den schribern verstet man die vernúnftigen die alle ding ziehent in ir vernúnftige wise oder in ire sinnelicheit. … Und dan die andern daz sint die pharisei, das sint die geistlichen die sich fúr guot hant und haltent von in selber und stont in iren ufsetzen und wisen und haltent ire gewonheit fúr alle ding und wellent in den geachtet sin und geruemet sin, und aller grunt der stet vol urteils uf alle die die der wisen nút ensint.“69

      „Die Schriftgelehrten, das waren die Weisen, die nur etwas von ihren Kenntnissen hielten, und die Pharisäer waren diejenigen, die nur auf ihre Frömmigkeit (Geistlichkeit) setzten, und sie beharrten in ihren Verhaltensweisen auf ihren eigenen Vorstellungen. … Unter den Schriftgelehrten versteht man die Vernunftmenschen, die alle Dinge in ihre Urteilskraft und in ihre Sinnenhaftigkeit ziehen. … Und dann die anderen, das sind die Pharisäer, das sind die Frommen (Geistlichen), die sich für gut halten und viel von sich selber halten und ihre Gewohnheiten über alle Dinge stellen und in ihnen geachtet und gerühmt sein wollen, (doch) ihr ganzer Grund steht voll von Urteilen über all die, die ihrer Art nicht entsprechen.“

      Tauler benutzt also die vorgeprägten negativen Urteile über die Juden, um seine Zuhörer durch Abschreckung vor Heuchelei, Selbstgerechtigkeit, Herzenshärte und Bitterkeit zu warnen. Aggressiv oder polemisch verhält sich Tauler jedoch gegen das Judentum nicht.70

      All diese Katastrophenerfahrungen waren entscheidend für Taulers überwiegend negatives Welt- und Geschichtsbild sowie für sein apokalyptisches Zeitverständnis, auch wenn wir in Taulers Predigten keine konkreten Hinweise auf die Pest, auf Judenpogrome und Hungersnöte finden.71 Maßgeblicher für Tauler war die Begegnung mit den nach geistlichem Leben strebenden Frauen und Männern, die Begegnung mit Ordensschwestern und Beginen.

       II. Taulers Nachwirken

      Taulers Predigten begründeten sein späteres Nachwirken bis ins 19. Jahrhundert hinein. Doch es fanden sich nicht nur Freunde, sondern auch Gegner. So ordnete beispielsweise der Ordensgeneral der Jesuiten, Mercurian, 1578/79 an, die Werke von Tauler dürften nicht ohne Erlaubnis gelesen werden, da sie dem Geist des Ordens nicht entsprächen.72 Der Grund hierfür liegt gewiss auch darin, dass Tauler in die Auseinandersetzung zwischen Protestantismus und Katholizismus geraten war. Da Tauler von Martin Luther (1483 – 1546) hoch geschätzt wurde, gewann er auch im Protestantismus an Bedeutung.73 Über seinen Ordensbruder Johannes Lang lernte Luther Taulers Predigten vermutlich 1515 kennen.

      „Besonders in den entscheidenden Jahren der Neuorientierung seiner Theologie beschäftigte sich Luther mit den Predigten Taulers. Luther erwähnt Tauler seit 1515/16 bis in die dreißiger Jahre, besonders häufig und stets ohne Kritik zwischen 1516 und 152274

      Der Ingolstädter Theologe Johannes Eck (1486 – 1543), der zunächst mit Luther brieflich befreundet war, dann zu seinem Gegner wurde75, ging 1518 in seiner Kritik an Luther auch auf Tauler ein. So wundert er sich, dass Luther einen in der Kirche unbekannten Prediger Gelehrten wie Thomas, Bonaventura und Alexander Halensis vorziehe.76 Tauler sei, wie Eck noch in einer Schrift von 1523 bemerkt, ein Träumer, der die von Luther aufgegriffenen Häresien verteidige.77 Martin Luther antwortete Eck in einem Brief vom 7. Januar 1519. Darin fordert er von Eck:

       „Ich bitte Dich aber, bevor du ihn als [Träumer] bezeichnest, ihn selbst zu lesen. …Siehst du denn nicht, wie Du Dir Dinge, über die Du nicht nachgedacht hast, anzumaßen und sie zu verurteilen pflegst? … Bedenke, wie mir nicht unbekannt war, dass jener in Deiner Kirche unbekannt ist, als ich sagte, er werde in den öffentlichen Schulen nicht behandelt und sei nicht in lateinischer Sprache abgefasst; aus welchem Grund ich ihn dann den Scholastikern vorgezogen habe, weil ich nämlich bei ihm mehr gelernt habe als bei allen anderen. … Lies zuerst, damit man in Dir nicht einen inkonsequenten Richter sieht, der verdammt, was er nicht kennt. Und um nichts zu fordern, was über Deine Kräfte hinausgeht, mache ich mir keine Hoffnung, dass Du beim Zusammenkehren aller Deiner Scholastiker im Einzelnen auch nur einen Sermon zustandebringst, der diesem einen ähnlich ist. Ich fordere es nicht, weil ich dessen gewiss bin, dass Dir das unmöglich ist. Mit dem einen aber möchte ich Dich herausfordern: Strenge alle Deine Geisteskräfte an zusammen mit Deinem Vorrat an scholastischer Gelehrsamkeit, und zwar ganz, ob Du auch nur einen oder einen anderen Sermon dieses Mannes angemessen verstehen kannst. Danach werden wir überzeugt sein, dass jener für Dich zwar kein [Träumer] ist, Du aber ein Nachtwächter bist oder besser einer, der mit offenen Augen schläft.“78

      Gegen Eck nahm auch der Benediktinerabt Ludovicus Blosius (+1566)79 Johannes Tauler in Schutz und verteidigte ihn 1551 in seiner „Apologia pro Ioanne Thaulero“, die der Neuauflage der lateinischen Surius-Taulerausgabe (Erstdruck 1548) sodann vorangestellt worden war.80 Die Apologie konzentriert sich auf drei Punkte:

      „Auf die geistliche Ekstase und den dadurch gefährdeten kirchlichen Gehorsam, … die verbotene Lehre der Begarden [gemeint sind die „Brüder und Schwestern vom freien Geist“] und … die klösterliche Observanz.“81

      Luthers Wertschätzung für Tauler ist nicht bloß für Luthers Theologie von Bedeutung geworden, sondern auch für die Spiritualität innerhalb der Reformation, insbesondere für den linken Flügel:

      „Spiritualisten wie Karlstadt, Hans Denck und Thomas Müntzer haben Taulers Botschaft von der Einigung der Seele mit Gott und der Nachfolge ins bittere Leiden Christi begierig aufgenommen; und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein gehörten Taulers Predigten zur beliebtesten Andachtslektüre sowohl im Luthertum wie im Katholizismus. … Dieses außerordentliche Faktum der Spiritualitätsgeschichte hat seinen Ursprung in der Beschäftigung Luthers mit Tauler.“82

      1565 erschien schließlich die erste Taulerausgabe, die nur für protestantische Leser bestimmt war.83 Diese und die folgenden Ausgaben (1588 und 1593 in den Niederlanden) wurden jedoch erheblich verändert, wie Hoenen nachweisen kann:

      „So zeigt sich klar, dass genau die Punkte, die der katholischen Kirche zum Vorwurf gemacht wurden, wie die Lehre der Sakramente, vor allem der Messe und der Beichte, das Klosterleben und die Rolle der Theologie, aus den Predigten getilgt worden sind.“84

      Im Gegenzug brachte der Karmeliter Carolus a St. Anastasio 1660 eine Edition für katholische Gläubige heraus, in welcher er Tauler einen „katholischen Lehrer“ nennt.85 Die Bedeutung, die Tauler für Luther und für weite Kreise des Protestantismus einnahm, war vermutlich auch einer der Gründe, warum Taulers Predigten und die ihm zugesprochenen Schriften schließlich ab 1590 durch einen Entscheid Papst Sixtus´ V. auf dem Römischen Index standen.86 Das alles tat der Popularität Taulers jedoch keinen Abbruch, wie die Geschichte der Forschung, der Überlieferung und Drucktradierung der Predigten zeigt.87

      1 Zu Leben und Lebenswelt Johannes Taulers Siehe vor allem McGinn 2008, 41 – 502; Gnädinger 1993, 9 – 103; Ruh 1996, 476 – 485; Scheeben 1961, 19 – 74.

      2 Vgl. Gnädinger 1993, 9 – 12.

      3 Vgl. Gnädinger 1993, 22; Filthaut 1961, 97ff.

      4 Vgl. Gnädinger 1993, 18 – 22.

      5 Vgl. Eisermann 1992 (BBKL Bd. III), Sp. 574f.

      6 Zahlreiche exegetische Werke sind verloren. Erhalten ist ein Commentarius in IV libros sententiarum sowie Quaestiones quodlibetales. Herausgegeben ist nur ein Abschnitt aus dem Sentenzenkommentar: Die Lehre des Johannes Theutonikus O.Pr. über den Unterschied von Wesenheit und Dasein (Cod Vatic. Lat. 1092), hg. von Martin Grabmann, in: Jb. f. Philosophie und spekulative Theologie 17, 1903,43 – 51; Quaestio ‚Utrum anima intellectiva sit forma corporis’, hg, von Artur Landgraf, in: DTh 4, 1926, 473 – 480; eine weitere Quaestio wurde von Martin Grabmann herausgegeben: MGLI, 395f. Vgl. Eisermann 1992 (BBKLBd. III), Sp. 575.

      7 Siehe hierzu zweiter Teil.

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