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und mal stark.1 Hierhinter steckt das Prinzip der Monoflexion, demzufolge die morphologisch-syntaktische Kennzeichnung innerhalb der Nominalgruppe nur an einem Element erfolgt, und zwar an dem am weitesten links stehenden – vorausgesetzt das Element gehört nicht zu den endungslosen Artikelwörtern wie etwa ein, kein, irgendein, mein im Nominativ des Maskulinums, vgl. (2), sowie im Nominativ/Akkusativ des Neutrums. In diesen Fällen fungiert das Adjektiv als Hauptmerkmalträger (DUDEN 2016). In (2) und (3) sind die Hauptmerkmalträger der Nominalgruppen jeweils fett markiert.

(2) Der kleine Hund Dieser kleine Hund Welcher kleine Hund
braucht Hilfe./?
Ein kleiner Hund Mein kleiner Hund Irgendein kleiner Hund
(3) Dem kleinen Hund Diesem kleinen Hund Welchem kleinen Hund
muss geholfen werden./?
Einem kleinen Hund Meinem kleinen Hund Irgendeinem kleinen Hund

      Auch bei artikellosen Nominalgruppen übernimmt das Adjektiv als das am weitesten links stehende Element die Funktion des Hauptmerkmalträgers, vgl. (4).

(4) www.saechsische.de/ (Abruf: 27.02.2020)

      Erwerbserschwerende Faktoren: PolyfunktionalitätPolyfunktionalität, HomonymieHomonymie, SynkretismenSynkretismen

      Sprachlernende suchen beständig nach Form-Bedeutungs-Zusammenhängen. Dies gilt auch für grammatische Elemente. Erwerbsbegünstigend wäre die Konstellation: eine Form – eine (grammatische) Bedeutung. Die deutsche NominalflexionNominalflexion ist davon jedoch weit entfernt. Wird ein Artikelwort oder ein Pronomen im Satz verwendet (s. Tab. 4.2), dann steht diese Form gleich für mehrere grammatische Kategorien, und zwar: Numerus, Genus, Kasus. (Zusätzlich zeigen der definite Artikel und die Pronomen an, dass über bekannte bzw. zuvor eingeführte Objekte oder Personen gesprochen wird.)

      Tab. 4.2:

      Fusionierung mehrerer grammatischer Merkmale

      Eine solche Verschmelzung von Merkmalen in einem Flexiv wirkt sich erschwerend auf den Erwerb aus, da zum Aufbau der Flexionsparadigmen die einzelnen grammatischen Informationen in jeder Form erkannt werden müssen. Wegener (1995b: 6) beschreibt das Dilemma der Lernenden als Teufelskreis: Um aus einem Artikel die Genusinformation zu extrahieren, braucht man die in ihm enthaltene Kasusinformation, an die man aber wiederum nur mit dem Genuswissen herankommt. Zu dem Problem der sogenannten Polyfunktionalität (eine Form – mehrere Funktionen) gesellt sich noch ein weiteres Erwerbshindernis: Wird die gleiche Artikelform für unterschiedliche Funktionskomplexe verwendet, handelt es sich um einen Fall von Homonymie. Beispielsweise ist die Artikelform der im Satz Der Mann hilft Tina Träger der grammatischen Informationen Maskulinum und Nominativ, im Satz Tina hilft der Frau hingegen von Femininum und Dativ. Für die Lernenden ist es höchst verwirrend, wenn mit der gleichen Form vollkommen unterschiedliche Bedeutungen kodiert werden. Als dritte Erschwernis kommen die sogenannten Synkretismen hinzu (s. Tab. 4.3). Hierunter versteht man die Aufhebung der Markierung einer im Sprachsystem angelegten grammatischen Distinktion. Während beispielsweise im maskulinen Paradigma Nominativ und Akkusativ formal unterschieden werden, besteht diesbezüglich im Neutrum sowie im Femininum eine Formengleichheit – ein Kasussynkretismus.

Maskulinum Neutrum Femininum
Nominativ der das die
Akkusativ den
Dativ dem der
Genitiv des

      Tab. 4.3:

      Kasusparadigma mit Synkretismen

      In Anbetracht der aufgezeigten Erwerbshürden (Polyfunktionalität, Homonymie, Synkretismen) ist es erstaunlich, dass sich auch Lernende im ungesteuerten Zweitspracherwerb auf die Herausforderung NominalflexionNominalflexion einlassen. Dies gilt zumindest für Lernende im Kindesalter. Für viele Erwachsene im ungesteuerten Erwerb scheinen in Anbetracht der Komplexität des Lerngegenstandes Aufwand und kommunikativer Nutzen in keinem angemessenen Verhältnis zu stehen, sodass sie sich z. B. mit einer Strategie des weitgehenden Artikelverzichts, mit einem (scheinbar) sporadischen Einsetzen oder mit einer Übergeneralisierung einer frequenten Artikelform (z. B. die) arrangieren. Kinder aber versuchen Regelhaftigkeiten zu erkennen und entwickeln Hypothesen, wann welche Form eingesetzt werden muss. Die zuvor in Kap. 4.1 gezeigte Bildbeschreibung kann durchaus als repräsentativ für Deutschlernende angesehen werden, die im Vorschulalter mit Deutsch in Kontakt kamen und deren Erstsprache über kein Genussystem verfügt. Während sich die Wortstellung zielsprachlich entwickelt hat, zeigt die Nominalflexion auch nach mehreren Jahren des Sprachkontakts noch Abweichungen. Diese sind systematisch und geben Aufschluss über die aktuelle Entwicklung des Lernenden. Der Junge, von dem die Äußerungen stammen, verwendet im Singular nur zwei Artikelformen: der scheint reserviert zu sein für das Subjekt (bzw. für den Handlungsausführenden) und den für das Objekt (bzw. das zweitgenannte Nomen). Er hat es offenbar aus eigener Kraft geschafft, durch die (unbewusste) Analyse der Häufigkeits- und Positionsverhältnisse, ein Kasus-System, wenn auch ein unvollständiges, aufzubauen. Die Genuskategorie wird von ihm zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch vollständig ausgeblendet. Dies verwundert nicht, denn wie schwierig muss es für Deutschlernende aus einer Nicht-Genus-Sprache (u.a. Armenisch, Dari, Persisch, Türkisch) sein, in den polyfunktionalen Flexiven (z. B. der) eine ihnen unbekannte grammatische Kategorie aufzuspüren.

      Aufgaben

       1.* Was versteht man unter nominalgruppeninterner und unter nominalgruppenexterner Kongruenz? Illustrieren Sie anhand selbstgewählter Beispiele die jeweiligen Spezifika.

       2.* Erklären Sie anhand selbstgewählter Beispiele das Prinzip der Monoflexion.

       3.* Inwiefern wirkt sich Polyfunktionalität erschwerend auf den Erwerb aus?

       4.** Lesen Sie die folgenden Auszüge der zur Bildergeschichte Frog, where are you? (Mayer 1969) entstandenen (mündlichen) Erzählungen

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