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dann wiederum Individuen tätig sind, die unterschiedliche Auffassungen in der Gewinnung und Interpretation solcher Ergebnisse entwickeln. Dabei würde die Komplexität des Themas interdisziplinäre bzw. transdisziplinäre Verständigungen über möglichst breite Gruppen von Menschen notwendig machen. Das Verhältnis der jeweiligen Konstruktion dessen, was Nachhaltigkeit ist und sein soll, die vor dem Hintergrund von selektiven Interessen geschieht – wer bezahlt und bestimmt die Forschungsergebnisse? – ist immer der erste kritische Einstieg in das, was der Öffentlichkeit dann als Fakten und Wahrheiten angeboten wird. Dagegen hilft nur, dass möglichst viele Menschen sich für die Nachhaltigkeit engagieren, um eine Einigung über die Bedeutung dessen, was aktuell zu wissen und zu tun ist, möglichst in breiter Mehrheit zu erreichen. Die einzige Alternative wäre, dass wir andere darüber entscheiden lassen oder dass wir warten, bis uns Katastrophen zum Handeln zwingen.

      Nachhaltigkeitsfallen, das sind meist Denk- und Vorstellungsmuster, die sich Menschen imaginieren und konstruieren, um die Welt nach ihren Wünschen, Sehnsüchten, bisherigen logisch und natürlich scheinenden Erklärungen zu formen, ohne hinreichend Rücksicht auf real stattfindende Veränderungen, Einschränkungen, Risiken und Gefährdungen zu nehmen. Angesichts des Umstandes, dass die Menschheit schon seit fast 40 Jahren von der Klimaveränderung oder anderen Krisenphänomenen weiß, und der bescheidenen Gegenmaßnahmen, die bisher tatsächlich praktisch umgesetzt wurden, scheint es mir berechtigt zu sein, von einer Falle zu sprechen, in der wir uns selbst gefangen haben, um den bisherigen Lebensstandard, die Verschwendung, die Ausbeutung des Planeten und die Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Lebewesen (einschließlich von Menschen) immer weiter zu praktizieren.

      Was hat uns in diese Fallen getrieben, was sind ihre Bestandteile, was lässt sich gegen sie unternehmen? – das sind zentrale Fragen dieses Buches. Bisherige Erklärungsmodelle und heute vorrangig ihre medialen Ausdrucksformen beeinflussen das, was wir als Fakten sehen wollen, und formen eine Ausgangslage, die ich in mehreren Schritten zugänglich machen will.

      Teil II erörtert, wie es dazu gekommen ist, dass der Mensch sich so sehr über sein eigenes Wohlergehen besorgt zeigt, aber so schnell die weitere Umwelt und die Folgen seiner Handlungen vergisst. Einige wichtige wiederkehrende Sorgen, die unser Verständnis von Nachhaltigkeit bis heute betreffen, will ich darstellen, um immer wieder auftretende Erklärungshorizonte und Handlungs- und Denkmuster zu verdeutlichen. Solche Erklärungen stellen einen Denkhorizont dar, der aus unserer Geschichte und Tradition überliefert ist und der uns auch heute oft hindert, klar genug zu sehen.

      Beginnen werde ich mit einem Rückblick auf die Antike, in der bei Platon im Grunde schon dargestellt ist, mit welchen Wirkkräften wir es im menschlichen Überlebenskampf zu tun haben. In der Philosophie heißt es mitunter, dass alles, was in der Neuzeit kam, bereits in der Antike angelegt war, und zumindest was die Fragen nach der menschlichen Begierde, Gier und Maßlosigkeit sowie die Begrenzung schädigenden Verhaltens betrifft, scheint dem durchaus zuzustimmen zu sein. Menschen meinen heute sehr oft, der alten Geschichte entkommen zu sein, aber bei näherem Hinschauen sehen wir, dass viele Menschen noch stark in archaischen und traditionellen Verhaltensmustern gefangen sind. Ich will die Vielschichtigkeit dieser uns heute noch bestimmenden Vorstellungswelt am Beispiel von Hobbes, Locke und Rousseau diskutieren, weil die von ihnen schon zum Beginn der Neuzeit getroffenen Argumente bis heute immer wieder unter neuen und veränderten Begriffen wiederkehren. Nach meiner Ansicht haben wir es mit einer stillschweigenden Nachhaltigkeitsagenda zu tun, die meist ohne Bezug auf diese Ursprünge des Vorstellens und Denkens immer weiter tradiert wurde und bis heute in wesentlichen Aussagen dominant geblieben ist. Allerdings gehört es zur menschlichen Vergesslichkeit, dass begründende und still wirksame Ansätze, Theorien und Denkschulen heute sehr viel leichter als in früheren Zeiten einfach vergessen oder schlicht ausgelassen werden. Ich will einige Erinnerungsanstöße geben und zeigen, wie sehr wir bis in die Gegenwart noch in einem Vorstellen und Denken gefangen sind, das in seiner ersten Entstehungszeit noch klar bekennen konnte, warum es den Menschen über Natur und Umwelt stellt. Einschränkend ist zu sagen, dass meine Auswahl weder vollständig noch detailliert genug sein mag. Sie soll aber exemplarisch an wesentlichen Eckpunkten verdeutlichen, welche Vorstellungen und Denkweisen besonders nicht nur die sozialen Verhältnisse in der Interpretation bis in die Gegenwart beeinflussen, sondern zugleich auch markante Haltungen und Überzeugungen gegenüber der Nachhaltigkeit begründen. Sie gehören zugleich zum klassischen Erkenntnisrepertoire der Verhaltenswissenschaften bis heute.

      Von der Vergangenheit geht es dann in die Gegenwart: Materialismus und Kapitalismus, wachsender Wohlstand und Überfluss mit all ihren Folgen für die Umwelt bis hin zu den Grenzen des Wachstums beschäftigen die Menschheit heute. All das setzte mit der liberalen Phase des Wirtschaftsdenkens ein, die gleichzeitig auch mit den Geburtsstunden der modernen Demokratie westlicher Prägung verbunden war. Wohlstandsvermehrung und Nachhaltigkeitsvermeidung gehen seither Hand in Hand. Die Sorge gilt vornehmlich immer dem, was den Menschen nah ist, was ihr Eigentum, ihren Konkurrenzkampf gegeneinander, ihr Vorwärtskommen auch gegen andere und die Umwelt betrifft, aber Anwälte für oder gegen etwas muss man bezahlen, und Natur und Umwelt haben keine eigene Verteidigung. Dies ist einer der Gründe, dass bisher die Nachhaltigkeitskrise vielen als harmlos erscheint. Mit der Individualisierung, die in den letzten Jahrzehnten immer weiter zugenommen hat, ist die Nachhaltigkeit eine Krise, die perfekt fürs Weitermachen ist, weil Menschen unter Wohlstandsbedingungen individuell alles kritisch besprechen und erklären können, ohne letztlich etwas ändern zu müssen. Dies hat damit zu tun, dass wir ohnehin in einem Zeitalter der Ambivalenz angelangt sind, aber auch damit, dass sich die Verantwortlichkeit für das eigene Tun oft ins Abstrakte verschoben hat und in individuellen Narrationen leicht zu entschuldigen ist. Die Mechanismen dieser Falle vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Ambivalenz des Zeitalters will ich analysieren

      Die Gegenwart stellt vor die Frage, inwieweit eingetretene oder kurz bevorstehende Katastrophen Menschen dazu bringen können, ihr Verhalten zu ändern. In den Nachhaltigkeitsdebatten wird öfter argumentiert, dass die Menschen erst einmal hinlänglich Katastrophen erleben müssten, bevor sie ihr Verhalten an die Herausforderungen anpassen. Heute gibt es in der Tat viele Ekstasen der Sorgen und ihrer Abwehr, und ich will fragen, wie viele Katastrophen und Sorgen notwendig sind, um das Verhalten zu verändern. Ich diskutiere das hier zunächst als Ausdruck einer Vergesslichkeit. Vor allem aber beschreibe ich die Forschung zu den möglichen Verhaltensänderungen als Schlüssel zu Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit.

      Teil III fokussiert stärker auf die Auswirkungen. Was hat uns die Geschichte der Sorgen in der Neuzeit hinterlassen? Welche Auswirkungen hat dies für die Sorge um Nachhaltigkeit? In diesem Band geht es mir um menschliches Vorstellen und Denken, im zweiten Band dann um die Ökonomie und Politik. Um nachhaltiges Vorstellen und Verhalten überhaupt näher bestimmen zu können, bedarf es aus meiner Sicht eines Herangehens, das die menschliche Sorge um eine nahende ökologische Katastrophe mit Fragen der Wahrheit und Wahrscheinlichkeit verbindet. Wissenschaften der Nachhaltigkeit zeigen hinreichend wahrscheinliche Szenarien dieser Katastrophe. Aber die menschliche Sorge führt erst dann zu Handlungen, wenn das Wahrscheinliche als »wirklich wahr« und eindeutig, nah und ausweglos erscheint. In welcher Weise trifft das heute zu?

      Ich gehe in einer Kombination verschiedener Forschungsansätze sowohl der grundsätzlichen Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft als auch neueren psychologischen Forschungen über den Menschen nach, um ein besseres Verständnis davon zu ermöglichen, was Menschen wann und warum von anderen übernehmen und inwieweit sie ein eigenes Wissen und Meinen gegen andere behaupten können. Da gerade die Nachhaltigkeitsdebatte von sehr vielen Einflusskräften begrenzt, bestimmt, manipuliert und gelenkt wird, ist es wichtig, sich der Bedingungen für die Möglichkeit einer eigenen Wahrheitsfindung zu vergewissern. Es wird sich zeigen, dass die Entscheidung für Nachhaltigkeit keineswegs nur eine rationale Frage ist. Zudem sind stets Fragen des Nutzens in allen Sorgen als auch Beeinflussung durch andere, insbesondere durch Medien, zu beachten. Zu nachhaltigem Handeln kann kein Mensch nur für sich und aus gänzlich autonomer Einstellung finden, es ist immer auch eine Frage seines sozialen Umfelds und der Widersprüche des Zeitalters.

      Ich zeige auf, dass wir in einem Zeitalter der Ekstasen aller Sorgen leben, weil

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