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gegenwärtigen Umweltkrise und Ressourcenverschwendung, auch der darin offen zutage tretenden Nachlässigkeit gegenüber unseren Überlebenschancen in der Zukunft sehr wohl bewusst, glauben aber zugleich, dass es nie so schlimm kommen wird, wie es uns wissenschaftliche Prognosen vorhersagen. Die Grenzen der Erde, wie sie aus Sicht der Wissenschaften erscheinen, sind Menschen nur schwer vermittelbar, bevor Katastrophen in der Nähe eintreten.

      In diesem ersten Band zur Nachhaltigkeit will ich mich mit der Herkunft von menschlichen Denk- und Vorstellungsweisen und vor allem psychologisch und pädagogisch erforschten Verhaltensformen beschäftigen, deren Bewusstmachung uns im Grunde immer wieder Mut machen kann, dass es noch nicht und nie zu spät ist, unser bisheriges Handeln zu ändern. Dieser Ansatz mag als ein zumindest mitunter optimistischer erscheinen, denn es ist für viele Menschen wichtig, einen positiven Sinn ihrer Handlungen und ihres Engagements anzunehmen, wenn es überhaupt erfolgreich sein soll. Allerdings – und dies ist der weniger optimistische Teil – zeigt eine Mehrheit solcher Forschungen auch schwer überwindbare Barrieren der Verhaltensänderung. Im vorliegenden Band wird aber immerhin aufgewiesen, wie es durch eine Umstellung des menschlichen Verhaltens gelingen könnte, die Nachhaltigkeitskrise auf verschiedenen Wegen zu meistern, wenn dies auch angesichts des gegenwärtigen Verhaltens breiter Massen als unwahrscheinlich erscheinen muss.

      Was soll oder muss im Verhalten geändert werden? Die Ausgangslage ist ziemlich klar: Ressourcen werden knapper, die Treibhausgase steigen ständig, der Klimawandel schreitet voran, das Artensterben nimmt zu, der Müll und die Verschwendung haben einen Höchststand erreicht, die sozialen Folgen all dieser und vieler weiterer Ereignisse sind ungleich verteilt. Die Menschheit weiß, dass sie handeln, ihr Verhalten verändern, nachhaltiger leben muss, um die bestehenden Verhältnisse zumindest zu erhalten und nicht auch noch zu verschlechtern. Aber ist sie dazu überhaupt hinreichend in der Lage?

      Ich möchte in der Beantwortung dieser Frage menschliche Denk- und Vorstellungsweisen beschreiben, die zeigen können, warum Menschen große Schwierigkeiten im Umgang mit der Nachhaltigkeit haben, die aber zugleich auch verdeutlichen, warum wir in diese Krise gekommen sind und welche Chancen in einer Bewusstmachung derjenigen Fallen liegen können, die uns davon abhalten, unser Verhalten zu ändern.

      In einem zweiten Band zur Nachhaltigkeit, der zeitgleich mit diesem Buch erscheint,3 fällt das Forschungsergebnis deutlich negativer aus. Dort beschreibe ich, wie Ökonomie und Politik in der Gegenwart systematisch und umfassend verhindern, dass Nachhaltigkeit überhaupt gelingen kann: Ohne radikale Änderungen in der Ökonomie und Politik werden wir es nicht schaffen können. Es stellt sich hier zudem die Frage, inwieweit es überhaupt möglich ist, uns von der bisherigen Ökonomie und Politik abzuwenden und etwas Neues zu denken, damit die Wahrscheinlichkeit des Gelingens nicht weiter ins Utopische abgeschoben bleibt.

      Teil I zeigt die Welt in der Krise fehlender Nachhaltigkeit. Die Fakten und Wahrscheinlichkeiten sind bereits erhoben, wer will, der kann sie sichten und daraus Schlüsse ziehen. Um dies einführend zu verstehen, beginne ich mit einer kleinen Geschichte der Nachhaltigkeit. Die Einführung in die Grenzen des Wachstums, die in diesem Band gegeben wird, ist ebenso für den zweiten Band bedeutsam. Die Einstiegsfrage lautet: Was ist Nachhaltigkeit heute? In einem Zeitalter vieler falscher, unvollständiger, verkürzter und verfälschter Nachrichten gibt es viele Mutmaßungen und Wunschannahmen über Nachhaltigkeit. Selbst möglichst exakt operierende Wissenschaften liefern keine vollständige Wahrheit der von Menschen verursachten Krisen und ihrer Folgen, wohl aber erarbeiten sie recht präzise und wahrscheinliche Beschreibungen und Prognosen. In einer kurzen Darstellung will ich klären, welche globalen Herausforderungen aus wissenschaftlicher Sicht bestehen; zu dieser Fragestellung sind mittlerweile unzählige Studien und Beiträge entstanden. Ich will diese nicht im Detail darlegen, sondern vor allem wesentliche Eckdaten zur Orientierung benennen, da die Studien, Erfahrungsberichte, und wissenschaftlichen Forschungen im Feld der Nachhaltigkeit unzählig sind und aus der Sicht vieler Perspektiven, Fächer und Interessen erzählt wird. Ich will mit einer knappen Einführung über bekannte und von der Wissenschaft wenig umstrittene »Tatsachen« beginnen, insbesondere um die sogenannten fake news zum Thema, beispielsweise zum besonders umkämpften Klimawandel, abzuwehren.

      Fakten sind allerdings keine unumstößlichen Wahrheiten für alle Zeiten, sondern sie repräsentieren das, was nach dem heutigen Stand der Forschung die Grenzen des Wachstums bezeichnet, sie stellen eine Interessenlage von Forschung dar, die nicht mit den selektiven Interessen bestimmter Unternehmen und Konzerne unmittelbar verstrickt ist. Dies ist keinesfalls selbstverständlich, denn die Finanzierung wissenschaftlicher Forschung ist oft Auftragsforschung, die sich reiche Konzerne besonders gern leisten, um ihre Interessen im Lichte einer erkauften Verpflichtung als »wahr« erscheinen zu lassen. Andere Beeinflussungen finden aus politischen Interessen statt, wenn eine Partei etwa Wählerinnen und Wählern Versprechen gibt, um gewählt zu werden oder unbequeme Wahrscheinlichkeiten vorenthalten werden, um die Zustimmung bestimmter Gruppen von Menschen zu erhalten oder zu steigern.

      Alle Fakten sind, kritisch betrachtet, immer nur Wahrscheinlichkeiten, aber wie kommt es, dass wir so ungern auf Wahrscheinlichkeiten hören wollen, sie oft so leicht abzutun bereit sind? Wenn man mit geschlossenen Augen eine Schnellstraße überquert, weiß man, dass es wahrscheinlich ist, überfahren zu werden. Das sehen die meisten Menschen ein. Aber wenn man mit einem SUV-Diesel durch die Gegend fährt, müsste man auch wissen, dass bei gleichzeitiger krimineller Energie des Herstellers mit Abschaltvorrichtungen die Gesundheit anderer durch Schadstoffe und das Klima durch Treibhausgase gefährdet sind, diese Gefährdung nur vorläufig unsichtbar bleibt. Weil sie in einer vagen Zukunft liegt, reicht die Fantasie leider oftmals nicht aus, um sich oder andere als unmittelbar bedroht zu erkennen. Dennoch ist es ein Fakt, dass hier CO2, Stickoxide und Feinstaub verursacht werden, die eine schädliche Wirkung auf die Umwelt haben. Wenn Populisten behaupten, dass dies alles nicht schlimm sei, weil es sich im Vergleich zu Naturkatastrophen nur um kleine Mengen handle, dann wird bereits eine Entschuldigung gesucht, die ich als Ausdruck einer Denk- und Vorstellungsfalle bezeichnen will, die für mich den Kern einer Nachhaltigkeitsfalle ausmacht. Wenn ein aktueller Schaden nicht sinnvoll zu leugnen ist, werden gern Vergleiche herangezogen, die das eigentliche Problem überhaupt nicht erhellen können und auch nicht darauf abzielen, weil das eigene Handeln nicht infrage gestellt werden soll. Solche Vorstellungs- und Denkfallen gibt es in kleinen und größeren Formaten, es gibt sie bei Schäden kleineren und größeren Ausmaßes, aber die Wirkmechanismen sind immer gleich: Leugnen, Fakten auslassen, Wunschdenken vor eine Wirklichkeitsprüfung stellen, die Wirklichkeit so lange umdeuten, bis sie in das eigene Welt- und Wunschbild passt.

      Meine Argumentation in diesem Buch soll nach dem zusammenfassenden und einleitenden ersten Teil, der unsere gegenwärtige Ausgangsposition markiert, nicht vorrangig weitere Fakten sammeln oder bekannte neu zusammenstellen. Solche Differenzierungen lassen sich auf aktuellem Stand gut im Internet und in zahlreichen wissenschaftlichen Studien rekonstruieren. Ich will hingegen in den folgenden Teilen von einer zentralen Frage ausgehen: Warum gelingt es Menschen heute mehrheitlich nicht, tatsächlich und umfassend nachhaltig zu handeln, obwohl sie genau sehen könnten, was zu tun wäre?

      Es gehört für mich vor dem Hintergrund vieler Antworten zu dieser Frage zu den falschen Hoffnungen in der Nachhaltigkeitsdebatte, wenn versucht wird, Konstruktionen und Wünsche von sogenannten faktischen Inhalten – gleichsam einer »absoluten« und reinen Wahrheit der Nachhaltigkeit – strikt unterscheiden zu wollen. Gewiss sind mit naturwissenschaftlichen Verfahren gewonnene Aussagen wahrscheinlicher und »sicherer« als bloße Meinungen und Mutmaßungen über Umweltveränderungen, aber in der Interpretation solcher Wahrscheinlichkeiten, in der politischen bis hin zur persönlichen Auslegung werden die vermeintlichen Tatsachen immer wieder zu Konstruktionen, die sowohl individuell als auch gesellschaftlich zu verhandeln sind. Und es ist dabei bisher nicht gelungen, Nachhaltigkeit wirksam für Verhaltensänderungen so zu erfassen, dass wir eine klare Mehrheitsperspektive gewonnen hätten, die allen Menschen einen vernünftigen Weg ohne Rücksicht auf Einzelinteressen weisen könnte. Was wir heute haben, das sind viele Einzelperspektiven, also etwa naturwissenschaftliche, ökologische, technologische, ökonomische, sozialwissenschaftliche, psychologische, pädagogische, philosophische oder andere Erklärungen, die in einzelnen Feldern operieren und dann

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