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Linh laut vor. Sie lehnte gegen Doktor Spands Schreibtisch am Rand der Medozentrale. »Sei niemandem verantwortlich außer dir selbst. Klingt doch gut. Du bist der Arzt der TREU & GLAUBEN und triffst deine medizinischen Entscheidungen nach deinem Gewissen.«

      Spand stand vor ihr und hinter dem Holo, das den Text seines Anstellungsvertrags zeigte. »Lies weiter«, sagte er trocken.

      Sie tat es. »Oh. Ach so.«

      »Lies vor!«

      »Sei niemandem verantwortlich außer dir selbst. Und mir. Stimmt. Das ist ein entscheidender Zusatz.«

      »Nur falls es dir nicht klar ist: Mir bezieht sich auf unseren geschätzten Kommandanten, der den Vertrag verfasst hat. Ich muss also vor Kondayk-A1 Rechenschaft darüber ablegen, wie ich meine Patienten behandle. Das fordert er zum Glück nicht bei jedem verschnupften Besatzungsmitglied ein ... aber er bestimmt durchaus mit, wie ich mit deinem Mann Lanko umgehe. Und nur weil du mir vorgeworfen hattest, ich wäre exzentrisch ... lies den nächsten Paragraphen.«

      Giuna räusperte sich. »Führe den Namenszusatz Doktor und trage einen weißen Kittel sowie ein Stethoskop. Der Namenszusatz gilt immer, die Kleidung/Ausrüstung nur während der Dienstzeiten.« Sie lächelte. »Einverstanden. Der Vertrag ist ein wenig wunderlich. Warum bist du ihn eingegangen?«

      »Kondayk ist reich, und er zahlt gut. Ich werde nach meinem Einsatz hier an Bord meine eigene Klinik eröffnen können.«

      »Also geht es dir nur um die Bezahlung?«

      »Ist das nicht Grund genug?«

      Giuna hob die Schultern. »Solange du mir hilfst, Lanko zu retten, ist mir das gleichgültig.«

      »Ich führe eine positronische Liste, in der ich jeden Tag abhake, bis meine Dienstzeit hier beendet ist. Zehn Jahre insgesamt. 4,38 davon sind bereits vergangen.«

      »Das weißt du so genau?« Sie fragte sich, wie man ticken musste, um Bruchteile von Jahren in Nachkommastellen eines Zehnersystems statt in Monaten anzugeben.

      »4,382, um exakt zu sein«, sagte Spand. Doktor Spand. »Aber du hast das eigentliche Thema auf den Tisch gebracht: deinen Mann.«

      »Das stimmt. Ich bin nicht gekommen, um deinen Vertrag zu lesen.« Sie versuchte ein Lächeln. »So interessant er sein mag.«

      »Glaub mir, er bietet noch einige weitere Höhepunkte.« Der Ara winkte ab, das Holo mit dem Vertragstext erlosch. »Mir ist nur wichtig, dass du verstehst, wer ich bin ... und dass du mich nicht hiermit gleichsetzt.« Er griff nach dem Stethoskop, das um seinen Hals baumelte, und hob es demonstrativ vor sein Gesicht.

      »Gut. Das wäre geklärt. Kommen wir zum Vitalparadox-Schocksyndrom.«

      »Du hast dir meine Bezeichnung gemerkt«, lobte er.

      »Du glaubst also auch, dass es helfen könnte, Lanko erneut der Wirkung eines Vital-Suppressors auszusetzen.«

      »Besser gesagt, genau jenes Suppressors, unter dem er gelitten hat. Andere mögen in Stärke und Intensität abweichen, was sich mit großer Wahrscheinlichkeit verhängnisvoll auf den Zustand des Patienten auswirken würde.«

      »Wir müssen also zurück zur Ausweglosen Straße.«

      »Es mag nicht sonderlich verlockend klingen, aber – ja!«

      Obwohl Giuna schon auf dem Weg zur Medozentrale versucht hatte, sich mit dem Gedanken anzufreunden, bewirkte er Übelkeit in ihr.

      Nicht sonderlich verlockend.

      Sie würde es anders nennen. Ihr kamen Beschreibungen wie entsetzlich oder Dümmste Idee seit Aufzeichnung der dummen Ideen in den Sinn. Doch sie schwieg. Für Lanko ging sie dieses Risiko ein. Sie konnte Cyprian Okri wohl kaum dazu drängen, endlich aktiv zu werden und gleich bei der ersten Gelegenheit selbst einen Rückzieher machen.

      Sie umrundete den Schreibtisch und betrachtete gedankenverloren das Regal, das neben einem simulierten Holofenster hing. Kleine Figuren standen darin, im Verhältnis zueinander keineswegs maßstabsgetreu – eine Arkonidin, ein Haluter, ein Siganese, ein Insektoide, den sie keinem spezifischen Volk zuordnen konnte ... und viele andere. Was es damit wohl auf sich hatte?

      »Wie gehen wir vor?«, fragte sie.

      Doktor Spand kam zu ihr und verschob die Figur eines Cheborparners mit schwarzem Fell. Eines der Stirnhörner fehlte. »Ich brauche die Zustimmung des Kommandanten«, sagte er. »Ohne die können wir gar nichts tun. Und das nicht nur wegen Paragraph drei. Es gibt da noch ein paar andere, die in dieselbe Richtung zielen.«

      »Deswegen wird sein Buchhalter bald kommen, um Kondayk-A1 anschließend zu berichten«, erklärte Giuna. »Cyprian Okri hat versprochen, in wenigen Minuten hier aufzutauchen. Ich habe mir die Freiheit genommen, ihn zu dir einzuladen.«

      Dass Cyprian derjenige war, der als Chef des geheimen Agentenduos die Entscheidung fällen und den Barniter danach informieren würde, verschwieg sie wohlweislich.

      »Ich bin überzeugt, dass wir in Kürze die Erlaubnis erhalten«, sagte sie.

      »Du bist eine Optimistin.«

      »Man hat mich schon schlimmer beschimpft.«

      »Es ist mir ohnehin ein Rätsel, wie du deinen Mann hast befreien können. Seien wir ehrlich – hätte dich der NDE nicht unterstützt, wärst du chancenlos ge...«

      »Du weißt davon?«, entfuhr es ihr.

      »Hältst du mich für einen Narren?«, fragte er. »Hast du jemals nachgedacht, seit du hier an Bord bist? Überraschung: Der Kommandant und sein Buchhalter haben sich nicht nur dir offenbart! Viele der einfachen Besatzungsmitglieder wissen es nicht, und die Gäste selbstverständlich nicht ... aber ich bin nicht irgendwer, Giuna!«

      »Klar«, sagte sie. »Entschuldige.«

      »Akzeptiert. Übrigens ist das der zweite Grund neben dem Geld, warum ich mich auf der TREU & GLAUBEN verpflichtet habe. Ein Geheimdienst, der Widerstand gegen die Cairaner leistet, ist mir sympathisch.«

      Weshalb Giuna wiederum den Ara um einiges sympathischer fand als noch vor einer Minute.

      »Also warten wir auf Cyprian«, sagte Doktor Spand. »Ich möchte nicht alles zweimal erklären.«

      *

      Wenige Minuten später trat Cyprian Okri ein. »Wie findest du seine Sammlung?«

      »Sammlung?«, fragte Giuna verwundert.

      Er wies auf das Regal mit den Figuren. »Wofür hast du es denn gehalten?«

      »Keine Ahnung. Medizinische Hilfsmittel, die Holos der Physiologie dieser Völker projizieren können?«

      »Ich bin nicht nur Arzt«, sagte Doktor Spand. »Die Figuren sind meine private Leidenschaft. Die momentan übrigens nicht zur Debatte steht. Selbst wenn unser neuer Gast neidisch ist.«

      Cyprian grinste. »Glaub ihm kein Wort. Ich wundere mich nur, wie ein erwachsener Mann so viel Energie und Zeit in ein paar Staubfänger investieren kann.«

      »Der pure Neid«, murmelte der Ara. »Aber zur Sache. Die Frau meines Patienten hat dich zweifellos informiert, dass es darum geht, Lanko Wor zu erwecken, indem wir ihn zur Ausweglosen Straße zurückbringen.«

      Der hagere Terraner drehte sich zu Giuna. »Sie erwähnte derlei, ja. An Ideen mangelt es ihr nicht.«

      »Der Figurensammler neben mir kam zum selben Ergebnis«, stellte sie klar. »Wenn auch aufgrund etwas medizinisch-wissenschaftlicherer Überlegungen.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Zitat Doktor Spand.«

      »Ich erspare euch die Details«, sagte der Ara, »aber Lanko leidet meines Erachtens unter einem Schocksyndrom, wie es nie zuvor beobachtet und beschrieben wurde. Weil es bislang niemanden gab, der von einer Ausweglosen Straße geflüchtet ist. Ich führe sein Koma darauf zurück, dass Lankos ÜBSEF-Konstante bereits auf den ständigen Verlust von Vitalenergie durch den Suppressor eingestellt war. Das abrupte Ende

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