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Two Moments. Katie Weber
Читать онлайн.Название Two Moments
Год выпуска 0
isbn 9783969874127
Автор произведения Katie Weber
Жанр Языкознание
Серия IMCOMPLETE
Издательство Bookwire
Sie kassierte gerade an einem der Tische ab, die sich am anderen Ende des Diners befanden, doch sie ließ mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Wie bereits den gesamten Abend schon. Hin und wieder rauschte sie kurz vorbei, um mich tadelnd anzusehen und mich zu fragen, ob ich denn nicht endlich genug habe und nach Hause gehen wolle. Doch ich hatte weder das eine, noch wollte ich das andere. Zumindest nicht, wenn sie mir weiterhin aus dem Weg ging, statt mit mir über Violet zu reden.
Was zum Teufel war bloß bei den beiden geschehen, dass meine Schwester kurz darauf spurlos verschwunden war und Ivy nicht einmal mehr an Violet denken wollte, geschweige denn bei der Suche nach meiner Schwester bereit war zu helfen? Ich zerbrach mir schon seit Stunden das Hirn darüber, doch ich fand keine plausible und schon gar keine sinnvolle Antwort darauf.
»Geh nach Hause, Oak«, hörte ich Ivory wiederholt sagen. Es war eine Bitte, die, ihrem Blick nach zu urteilen, genauso gut auch ein Befehl meines Offiziers hätte sein können.
»Ich gehe erst, wenn du mir ein paar Fragen zu Violet beantwortest oder versprichst, mir bei der Suche nach ihr zu helfen«, blieb ich hartnäckig und starrte sie herausfordernd an. Sofern es mir überhaupt gelang mit dem vielen Alkohol im Blut, welches dazu beitrug, dass ich langsam, aber sicher verschwommen sah.
»Ich kann dir nichts beantworten«, betete sie auch jetzt wieder wie eine Predigt herunter. »Ich weiß nicht, wo deine Schwester steckt oder wo sie sein könnte. Ich habe keine Ahnung, ob sie nur verschwunden oder abgehauen ist. Denn ich kannte Violet schlicht und ergreifend nicht mehr. Ich weiß also nicht, was in letzter Zeit bei ihr vorgefallen sein könnte oder ob sie jemanden kennengelernt hat, mit dem sie durchgebrannt ist ... Ich weiß es einfach nicht. Okay?« Verzweiflung schwang in ihrer Stimme.
Doch damit konnte ich mich in diesem Moment nicht befassen, denn ihre Worte trafen mich plötzlich wie ein Blitz und ich setzte mich ruckartig kerzengerade auf. »Mit jemandem durchgebrannt?«, wiederholte ich entsetzt. Verdammt, auf diesen Gedanken war ich selbst noch gar nicht gekommen.
Was, wenn Ivy recht hatte und meine kleine Schwester einfach nur aus freien Stücken mit jemandem zusammen abgehauen war? Um ein besseres, ein neues Leben anzufangen – irgendwo, wo es schöner war als hier. Denn für Violet war schließlich so gut wie jeder andere Ort schöner als Wood Lake. Sie wollte schon immer von hier fort, um eines Tages ihre Träume verwirklichen zu können, eine der begehrtesten Designerinnen des Landes zu werden. Was, wenn sie es jetzt einfach gewagt hatte? Doch würde sie wirklich ohne auch nur ein Wort oder wenigstens einen Abschiedsbrief, eine kurze Erklärung an Mom und Dad – oder wenigstens an mich – verschwinden? Früher hätte ich diese Frage ganz klar verneint. Doch jetzt?
Ich wusste es nicht. Anscheinend genauso wie Ivy hatte ich keine verfluchte Ahnung, wo Violet abgeblieben sein könnte oder ob es ihr gut ging – oder ob sie überhaupt noch am Leben war. Ich hatte keine Ahnung von ihrem Leben, seitdem ich bei der Army war, hatte nur selten mit ihr gesprochen. Und seit mehr als einem Jahr hatte ich auch nicht mehr danach gefragt, hatte mich nicht dafür interessiert, was es bei ihr Neues gab. Denn hätte ich das getan, hätte ich jetzt gewusst, was zwischen Violet und Ivory geschehen war.
»Meine Schicht ist in zehn Minuten zu Ende, dann fahre ich dich nach Hause«, sagte Ivy im selben Moment, als meine Gedanken wieder in einen unendlich finsteren Pfad abbiegen wollten. »Gib mir deine Autoschlüssel.« Auffordernd hielt sie die Hand auf und sah mich erwartungsvoll an.
»Du willst mich mit meinem eigenen Wagen nach Hause bringen?«, scherzte ich witzlos und mit mittlerweile bleierner Zunge. »Du weißt, nur ich kann das Biest bezwingen. Niemand sonst darf sich hinter das Lenkrad dieses hübschen Mädchens setzen.«
Ivys Augen funkelten für einen winzigen, kurzen Moment voller Schalk auf. »Dann hast du anscheinend vergessen, dass ich dieses Biest in der Vergangenheit schon einmal bezwungen habe.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem zarten, verspielten Lächeln und zogen damit meinen Blick an.
Einige Sekunden starrte ich wie hypnotisiert auf Ivys schönen Mund und erinnerte mich in der Tat auf einmal an die Nacht von damals, in der sie, als erstes und letztes Mädchen, die Erlaubnis bekommen hatte, meinen Wagen fahren zu dürfen. Und genau wie jetzt und heute hatte ich auch damals schrecklich Mühe, der Versuchung zu widerstehen, diese einladenden und feuchten Lippen zu küssen.
Fünf Jahre zuvor
Mit rotierendem Magen und verschwommenem Sichtfeld lehnte ich in tiefster Nacht mit dem Rücken an Greg Leroys Haus, um den Kopf, so schnell es ging, wieder klar und meine immer mehr aufsteigende Übelkeit in den Griff zu bekommen. Hier draußen war es deutlich angenehmer als da drinnen, wo die Luft mittlerweile so dick war, als könnte man sie durchschneiden. Außerdem dröhnte die Musik so laut und beinahe unheilvoll durch das Haus, dass ich wenigstens einen kurzen Moment Ruhe brauchte, um mich und meinen Körper zu beruhigen.
Ich schwitzte. Und der Alkohol in meinem Blut ließ meine Umgebung um meinen Kopf kreisen wie ein verdammtes Karussell. Alles drehte sich. Sogar die winzigen Glühwürmchen, die hier draußen zwischen zwei Büschen umherflogen, die Gregs Eltern erst im letzten Sommer in ihrem Garten gepflanzt hatten, sahen aus, als würden sie sich im Kreis drehen. Immer und immer wieder. Dabei war es nur mein verdammter Schädel, der mir einen Streich spielte und mir bewusst machte, dass ich ganz großen Mist gebaut hatte.
Verflucht, Mom wird mich morgen dafür umbringen!
Ich hatte ihr doch erst am Abend versprochen, Violet und auch Ivy nach der Party heil und unversehrt wieder zurückzubringen. Hatte versprochen, heute nichts zu trinken und meine Schwester und ihre beste Freundin mit meinem Wagen wie ein scheiß Chauffeur durch die Gegend zu kutschieren, so wie Mom es wollte. Das waren schließlich damals die Bedingungen, als sie und Dad mir meinen heiß geliebten Pick-up gekauft hatten.
Jetzt war ich sturzbetrunken und wusste nicht einmal, wo Violet und Ivy abgeblieben waren, geschweige denn, wie ich die beiden Mädchen jetzt nach Hause bringen sollte. Wenn es nach mir ginge, würde ich einfach laufen. Die paar Meilen waren kein Problem für mich, auch nicht in diesem Zustand. Doch das kam vor allem für meine kleine Schwester nicht infrage, schon gar nicht in den halsbrecherischen Schuhen, die sie heute Abend extra für diese Party angezogen hatte. Sie würde mich killen, wenn ich ihr verklickern würde, sie sollte darin fünf Meilen quer durch die Stadt laufen.
Stöhnend vor Übelkeit, die meinen Körper fest im Griff hatte und selbst mit der frischen Luft nicht schwinden wollte, stieß ich mich von der Hauswand ab und wollte gerade wieder zu den anderen hineingehen, als mein Blick plötzlich auf einem Schatten hängen blieb, der anscheinend zu einem von Gregs Partygästen gehörte, der ebenfalls hier draußen im Garten stand und genau wie ich die tanzenden Glühwürmchen aus der Ferne beobachtete.
Ohne sie in der Dunkelheit überhaupt richtig erkennen zu können, wusste ich instinktiv, dass es Ivy sein musste, die hier draußen allein und ausnahmsweise ohne meine Schwester in ihrer Nähe zu haben, auf der anderen Seite des Gartens an dem Geräteschuppen stand. Ich wusste es daher, weil sie so etwas häufiger einmal tat – während einer Party zu verschwinden und Ruhe zu suchen, weil ihr vielleicht der Trubel manchmal zu viel wurde.
Ich fand das sympathisch. Sie war in dieser Hinsicht vollkommen anders als die meisten Mädchen, die ich kannte. Und sie schätzte ganz offensichtlich die Natur ihrer Heimat, war recht häufig zusammen mit meiner Schwester in den grünblauen Fichtenwäldern von Lake Wood unterwegs – oder einfach nur draußen am See. Ivy hielt sich generell lieber draußen im Freien auf, statt drinnen im Haus eingesperrt zu sein. Egal ob bei einer Party oder bei sich zu Hause. Auch das fand ich sehr sympathisch und besonders an ihr.
»Was ist los mit dir, Banks? Auch zu viel getrunken?«, fragte ich sie und taumelte vorsichtig in ihre Richtung, auch wenn es hier draußen