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Two Moments. Katie Weber
Читать онлайн.Название Two Moments
Год выпуска 0
isbn 9783969874127
Автор произведения Katie Weber
Жанр Языкознание
Серия IMCOMPLETE
Издательство Bookwire
3
Oakley
Zimt. Das war es, woran Ivory mich immer erinnert hatte. Nicht nur wegen ihrer zimtbraunen Haare, sondern auch, weil sie nach Zimt roch. Schon immer. Und daran schien sich bis heute nichts geändert zu haben, worüber ich ausnahmsweise spürbar erleichtert war.
Mit bedauernder Miene musterte sie mich einige Sekunden, bevor sie wiederholt tief seufzte und die Lippen aufeinanderpresste. »Ich muss jetzt leider wirklich weiterarbeiten.« Ivy deutete zu den Gästen, die direkt an der großen geschwungenen Theke des Diners saßen und ihr mit dezenten Blicken bedeuteten, dass ihre Gläser leer waren und Ivy diese nachfüllen solle.
Alte Säufer! Den ganzen verdammten Tag lang machten sie doch ohnehin nichts anderes, als zu trinken. Und wenn sie damit erst einmal fertig waren und sich schwankend und torkelnd auf den Weg nach Hause machten, um ihr trauriges Leben und ihre ebenso traurige Ehe weiterzuleben, fühlten sie sich zumindest ein Stück weit besser. Größer. Stärker. Nur dass sie nichts davon waren.
Heuchler, meldete sich eine dunkle Stimme in meinem Kopf und ließ mich fast erschrocken zusammenzucken. Du bist doch längst kein bisschen besser, Kadett.
Traurigerweise stimmte es. Ich war nicht besser als diese Männer. Auch ich tat momentan alles dafür, um mein Leben, meine Realität, auszublenden und verdrängen zu können. Auch ich trank hin und wieder etwas zu viel. Ganz besonders dann, wenn ich mal wieder nicht schlafen konnte. Oder es nicht wollte. Aus Angst vor Albträumen, die so grausam und düster waren, dass ich mich regelmäßig schweißgebadet nach dem Erwachen übergeben musste. Albträume, die vielleicht gar keine waren, sondern nur eine vergangene Realität und bewusst verdrängte Erinnerungen spiegelten.
Dr. Warren, der auf Veteranen spezialisierte Psychologe der US-Army, sagte einmal zu mir, dass mein Geist mir ganz bewusst diese Erinnerungen an jenen Tag vorenthielt. Quasi wie ein Schutzmechanismus, um mich vor dem zu bewahren, was ich in meiner jetzigen Verfassung nicht imstande wäre auszuhalten. Zwar konnte ich mich an die meisten Begebenheiten bei diesem Einsatz mit meinen Kameraden noch erinnern, doch mein Gedächtnis wies einige Lücken auf, wenn es um gewisse Details und die genaue Abfolge des Ereignisses ging.
Ich wusste zum Beispiel nicht mehr genau, wieso nicht ich im vorderen Wagen gesessen hatte, der die erste Sprengfalle passierte. Denn normalerweise war es mein Team, mein Einsatzfahrzeug, mit dem ich regelmäßig unterwegs war. Doch anscheinend nicht an diesem Tag oder zu dieser bestimmten Zeit. Ich saß im dritten Wagen der Kolonne und hätte damit die perfekte Aussicht auf das ganze Unglück haben müssen. Doch auch diese expliziten Bilder schien mein Gedächtnis mit Absicht unter Verschluss zu halten. Ich erinnerte mich nicht mehr daran, wie es passierte – nur, dass es passierte. Und schon gar nicht erinnerte ich mich daran, wie ich meine gefallenen, aber teilweise auch schwer verletzten Kameraden, die damals längst zu meinen Freunden zählten, aus den brennenden Resten des Wracks gezogen und, so gut es ging, erste Hilfe und Beistand geleistet hatte.
Schnaubend schüttelte ich meine finsteren Gedanken ab und sah wieder in den mir altbekannten und wohlvertrauten grünblauen Fichtenwald, den ich in Ivorys Augen wiedererkannte und der mir so etwas wie Sicherheit und Wärme gab – ein Gefühl von ... Heimat.
»Kein Problem«, sagte ich dennoch kaltschnäuzig. Vermutlich, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass sie mich mit all den zermarternden Fragen in meinem Kopf einfach hier sitzen lassen wollte. Und dann auch noch allein mit einer ganzen Flasche Tequila. »Dann werde ich hier so lange sitzen und trinken, bis du endlich Zeit oder Feierabend hast. Und dann reden wir weiter.« Ich setzte mir ein gespieltes Lächeln auf, das wahrscheinlich mehr einer Grimasse glich. Doch Ivy störte sich nicht daran.
Stattdessen schnaubte sie ebenfalls und stemmte plötzlich die Hände in die Hüften. »Wenn du so lange trinkst, bis ich Feierabend habe, wirst du nicht mehr reden können, fürchte ich.«
Immerhin war sie noch immer so schlagfertig wie früher einmal. Zumindest, wenn ich es mal geschafft hatte, sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken, und sie dazu provozierte, mir Paroli zu bieten. Ich wusste nämlich, sie konnte es, wenn sie wollte. Und, verflucht, sie wollte es damals wirklich häufig. Vermutlich vor allem deswegen, weil ich manchmal eine ziemlich große Fresse hatte und ebenso nicht selten über die Stränge geschlagen hatte. Oder einfach nur ein pubertäres Arschloch war – egal, ob ihr gegenüber oder Violet, meiner kleinen Schwester.
Mit einem spöttischen und diesmal echten Lächeln sah ich zu ihr auf. »Ich vertrage einiges, Kleines. Was glaubst du, macht man so den ganzen beschissen langen Tag in der Wüste, wenn man nichts zu tun hat und nur auf einen Einsatz wartet?«
Sie riss entgeistert die Augen auf. »Ihr habt dort Alkohol trinken dürfen, wenn ihr nicht im Einsatz wart?«
Mein Lächeln wurde automatisch eine Spur breiter. »Von dürfen war nicht die Rede.«
Mit gerunzelter Stirn und skeptischem Blick starrte sie mir entgegen. »Und woher hattet ihr dann den Stoff?«
»Von den Einheimischen abgekauft.« Ich zuckte mit den Schultern. »Selbst gebrannter teurer Fusel, von dem wir nie genau wussten, ob er uns auf der Stelle killte oder nur ins Koma beförderte. Beides nahmen wir gerne in Kauf, nur um der Langeweile zu entfliehen, die uns die Köpfe sprengte.« Und das war absolut die Wahrheit. Denn so sehr sich die meisten von uns darauf gefreut hatten und wahrlich stolz darauf waren, im Ausland stationiert zu sein und echte, teilweise knifflige Einsätze machen zu dürfen, so sehr unterschied sich unsere Wunschvorstellung von der Realität. Denn im Grunde bestand die meiste Zeit vor Ort aus Warten. Tage- und nächtelanges zermürbendes, ermüdendes Warten, das dich durchdrehen und verrückt werden ließ. Wir hatten nicht viele Möglichkeiten, um dem entkommen. Und eine davon war definitiv der Alkohol, von dem unsere Offiziere natürlich wussten und es trotz strengstem Verbot zuließen. Sie wussten, es gab für uns sonst kaum Alternativen, um uns zu beschäftigen.
Ivys Blick bohrte sich intensiv und tief in mich hinein, bevor ich das erste Glas Tequila hinunterstürzte, als wäre es Wasser. Die Zitronenscheiben, die sie ebenfalls an meinen Tisch gebracht hatte, schob ich beiseite. So etwas brauchte ich heutzutage nicht mehr. Das waren ohnehin nur Albernheiten aus vergangenen Zeiten.
Auch wenn ich mir einbildete, dass sie besorgt aussah, hoben sich Ivys Mundwinkel auf einmal zu einem wunderschönen Lächeln, das ich vermutlich genauso sehr vermisst hatte wie ihren unverkennbaren Duft nach Zimt. »Ich bin wirklich froh, dass du wieder da bist, Oak«, sagte sie erneut und etwas in mir erfüllte mich mit spürbarer Spannung wie nach einem leichten und schmerzfreien Stromschlag. »Auch wenn du mir schon immer den allerletzten Nerv geraubt hast – genau wie jetzt wieder.« Ihre Augen begannen ein klein wenig zu leuchten – ein bisschen so wie früher, als wir uns neckten. Und ein bisschen fühlte es sich für mich an wie ... nach Hause kommen.
Ich hatte keine Ahnung, wie spät es bereits war oder ob sich meine Eltern vielleicht längst Sorgen um mich machten, da ich vorhin ohne jedes Wort und ohne eine Benachrichtigung abgehauen war und mich seitdem auch nicht mehr bei ihnen gemeldet hatte. Womöglich hatten sie Angst, dass nun auch ihr Erstgeborener vom Erdboden verschluckt wurde. Vielleicht wäre das sogar besser für sie. Jedenfalls besser, als ihre Tochter, ihr kleines Küken, zu verlieren.
Ich hätte sowieso eigentlich längst tot sein müssen. Genau wie meine Freunde, die ich nur noch im genagelten Sarg zurück in unser Land, unsere Heimat, geleiten durfte. Ich hätte jetzt in einem dieser Särge liegen müssen, nicht sie. Doch stattdessen saß ich jetzt hier – in Tammys Diner in Wood Lake. Als wäre ich nie weg gewesen. Als hätte es die letzten Jahre nie gegeben. Als wäre die Welt um mich herum stehen geblieben oder die Erde hätte aufgehört, sich zu drehen.
Ich spürte die dunklen Gedanken, wie sie wieder einmal aus meinem tiefsten Inneren heraufkrochen, mich mit ihren eiskalten