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hatte ihr nicht gesagt, dass sie stören würde«, korrigierte sie unsere Tochter sogleich und wirkte dabei hörbar nervös. »Ich sagte ihr nur, dass du wichtigen Besuch hast und ...«

      »Olive ist weg«, unterbrach ich ihre Erklärungsversuche und musste seltsamerweise lächeln. »Sie ist heute Morgen zurück nach Ottawa gefahren.«

      Alexis sagte kein Wort, atmete nur leise aus und ich wusste ganz genau, dass sie erleichtert war.

      »Du hättest einfach anrufen und fragen können, dann wäre Josie jetzt längst bei mir«, warf ich ihr dennoch vor, auch wenn ich sie gewissermaßen verstehen konnte. Schließlich hatten wir gestern nicht darüber sprechen können, wie das mit Olive und meiner Tochter irgendwann ablaufen sollte – oder ob sie sich überhaupt schon kannten.

      Scheiße, Alexis wusste ja noch nicht einmal, dass Olive überhaupt von Josie wusste. Und ich war mir auch nicht sicher, wie sie auf diese Neuigkeit reagieren würde, wenn sie schon gestern Abend so seltsam war.

      »Es tut mir leid«, presste Alexis plötzlich leise hervor und seufzte. »Ich wusste ehrlich nicht, was ich machen sollte, nachdem unser Gespräch gestern ...« Sie stoppte kurz und seufzte erneut. Es schien ihr schwerzufallen, die richtigen Worte zu finden für das, was sie beschäftigte. »Ich wusste nicht, ob du meinen Anruf überhaupt angenommen hättest, nachdem ich einfach so abgehauen war und dich hatte stehenlassen«, gab sie zögernd aber ehrlich zu, wofür ich ihr dankbar war.

      »Wenn es um Josie geht, würde ich immer ans Telefon gehen. Das solltest du mittlerweile am besten wissen.« Ich räusperte mich kurz. »Außerdem ... Ich hätte dich mit meinen Fragen gestern nicht so bedrängen dürfen, es ist also nur legitim, dass du gegangen bist.«

      Ich war ein Idiot, weil ich sie auf dieses Kleid angesprochen hatte. Ich hätte es nicht tun dürfen, schon gar nicht an diesem Abend, wenn ich meine neue Freundin zum ersten Mal meinen Freunden und somit auch Alexis vorstellen wollte.

      Das war einfach nur dumm und taktlos, das war mir jetzt klar. Denn ganz egal, wie sehr mich ihr Anblick in diesem Kleid aufgewühlt und durcheinandergebracht hatte, ich hatte kein Recht, sie dermaßen in die Ecke zu drängen und sie darauf anzusprechen.

      Und doch konnte ich gestern einfach nicht anders. Es hatte mich schon den ganzen Abend beschäftigt – so sehr, dass sogar Olive gespürt hatte, dass irgendetwas nicht stimmt.

      Dabei war ich nur verwirrt.

      Ich verstand nicht, was Alexis damit bezwecken wollte. Sie wusste, ich liebte sie in diesem Kleid – früher einmal zumindest. Es erinnerte mich an laue Sommernächte während unserer Highschoolzeit, an schöne Momente zwischen uns beiden und daran, wie ich mich damals in sie verliebt hatte.

      Es war also sicher kein Zufall, dass sie ausgerechnet dieses Kleid noch besaß und es dann auch noch zu Kelseys und Shawns Feier anzog. Alexis musste klar gewesen sein, dass ich ebenso dort sein würde. Ihr hätte klar sein müssen, wie das auf mich wirken würde. Sie hatte es gestern bewusst gewählt und angezogen. Die Frage war nur, weshalb?

      Nach langem Schweigen hörte ich Alexis am Telefon abermals leise seufzen. »Ich mache mich gleich auf den Weg und bringe Josie bei dir vorbei, wenn du noch nichts anderes vorhast«, schlug sie vor. Doch der Gedanken daran, wie sie mit ihrer alten Rostlaube bei diesem Wetter und über schneeglatte Straßen fuhr, ließ mich protestierend den Kopf schütteln, auch wenn sie es nicht sehen konnte.

      »Auf keinen Fall«, sagte ich entschlossen. »Ich komme zu euch und hole Josie ab.«

      Alexis zögerte. Vermutlich, weil ich das letzte Mal in ihrer winzigen Wohnung war, als zwischen uns noch alles okay und wir noch so etwas wie Freunde waren, statt nur die Eltern von Josie.

      »Ist gut, komm vorbei. Ich packe für sie eine Tasche, falls sie bei dir über Nacht bleiben will und ...« Sie stoppte mitten im Satz und schien zu überlegen. »Du ... du bleibst doch noch ein paar Tage hier, oder? In der Stadt, meine ich.«

      »Ich habe noch zwei Tage, bevor ich wieder weg muss. Dann habe ich zwei Spiele außerhalb und danach endlich etwas Urlaub. Falls es für dich okay ist, wollte ich mit Josie für eine Zeit lang verreisen. Um etwas mehr Zeit mit ihr zu haben, verstehst du?«

      »Natürlich«, schoss es atemlos aus ihr heraus. »Kein Problem, ich werde mich um alles kümmern und dem Kindergarten Bescheid sagen.«

      Ich lächelte zufrieden. »Gut, dann mache ich mich jetzt auf den Weg zu euch. Sag Josie, dass hier ganz viel Schnee in meinem Garten auf sie wartet und wir einen Schneemann bauen werden.«

      Alexis lachte kurz auf. »Dann werde ich ihr wohl noch mehr Wechselkleidung einpacken müssen als sonst«, kommentierte sie und wirkte nicht mehr ganz so nervös wie noch am Anfang des Telefonats.

      »Bis gleich, Alexis«, verabschiedete ich mich schmunzelnd, bevor ich auflegte und mich auf die Suche nach meinen Autoschlüsseln machte.

      Eine halbe Stunde später sprang Josie mir regelrecht in die Arme, als ich die kleine Wohnung der beiden betrat. Nichts schien sich hier seit meinem letzten Besuch verändert zu haben und aus irgendeinem undefinierbaren Grund beruhigte mich das.

      »Wir bauen einen Schneemann?«, fragte meine Tochter mit strahlenden Augen, als mir Alexis Josies Tasche reichte, weil sie davon ausging, dass ich nicht länger als nötig hier sein wollen würde.

      »Wir können sogar eine ganze Schneemann-Familie bauen, wenn du das möchtest, Engel«, erwiderte ich lachend und half ihr dabei, sich ihre Schuhe zu binden und die dicke Winterjacke zu schließen, die Alexis ihr angezogen hatte.

      Sie sah niedlich darin aus. Und Alexis ... sie sah auch heute mal wieder fantastisch aus – selbst mit diesem chaotischen Haardutt auf dem Kopf und den flauschig grünen Socken an ihren Füßen.

      Ich musste unweigerlich schmunzeln bei ihrem Anblick, doch das schien sie nicht einmal zu bemerken, so sehr war sie in Gedanken versunken.

      »Mommy, wir könnten doch alle zusammen einen Schneemann bauen. Du baust eine Mommy-Schneefrau, Daddy baut einen Daddy-Schneemann und ich baue einen kleinen Kinder-Schneemann«, schlug Josie auf einmal vor und riss Alexis damit aus den Gedanken.

      Perplex sah sie unsere Tochter an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Schließlich wollte sie Josie mit der Wahrheit nicht vor den Kopf stoßen oder sie verletzen, doch auf die Schnelle eine passende Ausrede dafür zu finden, war ebenso schwer wie diesen großen, blauen Kulleraugen etwas abzuschlagen.

      »Du weißt doch, dass Daddy gerne die Zeit mit dir allein verbringen möchte, wenn er hier in der Stadt ist, Schatz«, begann Alexis zu erklären und wirkte dabei recht unsicher.

      Ich sah ihr an, wie sehr es ihr wehtat, dass Josie darunter leiden musste, dass sie und ich uns seit dem letzten Streit nicht mehr verstanden – oder besser gesagt, weil ich ihr nicht mehr vertraute und nur noch so viel Kontakt zu ihr haben wollte, wie es nötig war.

      Alexis und ich waren keine Freunde mehr. Und das, was Josie sich wohl am allermeisten wünschte, das konnten wir ohnehin nicht erfüllen. Dafür war zwischen Alexis und mir zu viel kaputtgegangen.

      Dennoch fühlte ich mich in diesem Moment mindestens genauso schuldig wie Alexis, dass wir unserer Tochter so etwas antaten. Natürlich wollte unsere Kleine am liebsten die Zeit mit uns beiden verbringen – erst recht an einem Tag wie heute.

      Doch ich konnte es nicht. Ich schaffte es nicht über meinen Schatten zu springen und Alexis damit unweigerlich wieder näher an mich heranzulassen.

      Der Grund dafür war ganz einfach.

      Mir war klar, würden wir uns wieder näherkommen und mehr Zeit miteinander verbringen, wäre ich früher oder später in einem Strudel aus alten Gefühlen und der Angst, von ihr erneut enttäuscht zu werden, gefangen. Denn die Wahrheit war simpel und deswegen so schwer zu ertragen: Ich liebte Alexis noch immer. Zumindest tat es ein Teil von mir. Und vermutlich würde er es mein Leben lang tun, ganz egal, wie viele Frauen noch in mein Leben traten.

      Olive

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