Скачать книгу

da sind keine Säulen.

      Die Wände steigen in Terrassen empor.

      Und auf den Terrassen liegen die Mondleute; sie haben ihren Kopf in eine Hand gestützt, der Ballonleib liegt glatt wie ein dickes Fell auf dem Stein - und auch unter dem Arm, dessen Hand den Kopf stützt.

      Ein leises Flüstern läßt sich auf den Terrassen vernehmen.

      Und von allen Seiten fliegen eilig die Gehilfen des Pflastermannes herbei und wollen die drei Herren zur Ruhe bringen.

      Mafikâsu schüttelt lächelnd mit dem Kopfe, und der Pflastermann sagt leise:

      »Nur diese beiden, die Herren Nadûke und Klambatsch, wollen ihrem Leben ein Ende machen. Gebt den Herren einen Platz mit interessanter Perspektive; sie haben in den Zinnkratern große Arbeiten vollbracht - von vielen Mondleuten sind sie als Führer anerkannt worden.« Und die Gehilfen, lauter gute sehr freundliche Mondleute, die ihr Amt sich selber wählten, bringen Nadûke und Klambatsch in eine entfernte Terrassenecke, die sich unter einer weiten Kuppelöffnung hinzieht, durch die man hoch hinaufblicken kann - durch kanten- und seitenreiche Lichtgrotten durch; fast sieben Meilen lang ist die Perspektive von einzelnen Punkten aus.

      Mafikâsu schwebt mit dem Pflastermann neben der reich gegliederten Horn-Terrasse dahin, und beide überschauen die langen Reihen der Sterbenden, die leise flüstern.

      Die Sterbenden sprechen aber nicht zueinander - sie sprechen zu sich selber.

      Und dennoch sinds nicht Monologe, die flüsternd über ihre Lippen kommen.

      Das Sterben auf dem Monde ist nicht so wie das Sterben auf der Erde.

      Wer auf dem Monde müde wird, fühlt bald in der dem Rumpfe naheliegenden Ballonhaut einen Schmerz. Und wer diesen Schmerz fühlt, schwebt hinab zu den Todesgrotten und läßt sich dort ein Pflaster auf den oberen Teil der Ballonhaut legen. Und das Pflaster lindert den Schmerz. Und aus der vordem schmerzenden Stelle wächst ein andrer Rumpf heraus, der anfänglich ganz klein wie ein Pilz ist - aber in Bälde Kopf und Armbildung zeigt.

      Und während der alte Rumpf immer mehr zusammenschrumpft, entwickelt sich der neue Rumpf - genau in den Formen des alten; der neue hat nur anfänglich eine nicht so runzelreiche Haut.

      Und der alte Kopf spricht zu seinem neuen Kopf - wie ein Vater zu seinem Kinde.

      Und so geht der Geist des Vaters langsam in den des Sohnes über.

      Und es ist eigentlich kein Tod - es ist nur eine Wiedergeburt.

      Und es ist wundersam, zu sehen, wie das Alte in das Neue übergeht.

      Und es ist wundersam, zu hören, wie das alte Ich zu seinem neuen Ich spricht und ihm alles erklärt, was es auf dem Monde wissen muß.

      Und so lange spricht der alte Kopf - bis der neue genauso klug und ebenso weit ist wie der alte.

      Und es ist so, als wenn sich Doppelgänger miteinander unterhalten.

      Und es ist ein vollkommenes Aufgehen des Alten - im Neuen.

      Und es stirbt eigentlich nur die Haut des Alten - die schließlich vergeht - wie eine Blume vergeht - in den Rauchergrotten.

      Mafikâsu hält an in der Luft und horcht und hört, was ein Sterbender zu seinem neuen Leben sagt.

      Der Pflastermann schwebt weiter durch eine Bogenpforte durch.

      »Es wird sich«, sagt der alte Kopf zu seinem neuen, »vieles ereignen, was Unruhe auf dem Mond erzeugen muß. Vielen Mondleuten genügt das Leben nicht mehr, das sie führen; sie wollen die Fülle ihrer Weltbilder noch vergrößern; sie wollen noch mehr anschauen können als bisher. Die große Revolution, die uns eine Abkehr von der Betrachtung der Erde bringen wird, kommt. Aber bei allen revolutionären Bewegungen dürfen wir nie vergessen, daß uns nur die reine absichtslose Anschauung das Glück schaffen kann. Wir müssen immer ganz ruhig auch die unruhigen Bilder nur als Bilder auf uns wirken lassen - wie ein großes Bilderspiel, dem wir ohne Absicht als ferne Zuschauer zuschauen dürfen. Wenn uns das, was für uns in und auf den Sternen sichtbar wird, nicht mehr unterhaltend genug erscheint, so dürfen wir ja vvohl danach streben, durch bessere Vergrößerungsgläser tiefer in diese Lebensspiele der Sterne zu dringen. Aber vergessen dürfen wir dabei nie, daß dieses Mehrhabenwollen eine Gefahr in sich birgt. Wir könnten so leicht von der sich selber genug gebenden, alle Absicht verschmähenden Betrachtung der Welt abgelenkt werden und in der zerstreuenden Tätigkeit mehr erblicken als in der sammelnden Anschauung. Ich fühle, daß Du mich verstehst; Du wirst so leben, wie ich gelebt habe.

      Und ich fühle, daß ich in Dir lebe und leben werde. Aber behalte das eine: Geh überall mit, wenn die Neuerungsstürme kommen - widersetze Dich nicht - doch bleibe stets in allen Phasen der Entwicklung mit dem momentan Daseienden im Einklange - daß Du immer Dich ganz behalten kannst - in den Bildern, die Du hast.«

      Mafikâsu hörte das und zitterte und wurde glühendrot, doch gleich darauf wurde er wieder silbern wie sonst - und dann kam ein grünlicher Ton in seine Hände - und als der Führer der Weltfreunde das bemerkte, erschrak er heftig - denn die grüne Farbe am Leibe der Mondleute bedeutet Ärger und Stimmungen, deren sich jeder Mondmann schämt.

      Und Mafikâsu ließ den Kopf sinken und schwebte langsam weiter.

      In den großen Todesgrotten wars immer sehr still, und das leise Flüstern auf den Terrassen machte die Stille noch empfindlicher.

      Hoch oben in den meilenhohen dunklen Deckengewölben glitzerten Goldmassen, als wärens Sterne am dunklen Himmel.

      Und die Wände mit ihren Zacken und Torbögen waren alle dunkelviolett und so wie von Sammet, und auf den glatten Bodenflächen der Terrassen flimmerte es - wie von dunklen Perlen.

      Und auf diesen Terrassen mit dem dunklen Perlenglanz lagen die alten Mondleute bequem auf der Seite - den Kopf in der Hand - die runzliche Ballonhaut ihres Leibes war ihnen zum Diwan geworden.

      Und vor ihnen wuchs - hellblau geisterhaft leuchtend - der Rumpf ihres neuen Ichs aus ihrem Leibe heraus.

      Die Neuen waren immer hellblau - so lange die Alten noch da waren.

      Und die Sterbenden konnten, während sie bequem auf der einen Seite ihrer Ballonhaut lagen, auf der anderen Seite ihr neues Leben wachsen sehen- und sprechen hören.

      Und das Alte und das Neue war so freundlich zueinander, daß es einfach rührend erschien.

      Und die Hellblauen wuchsen langsam und stetig, und die Alten schrumpften im selben Maße zusammen.

      »Die Anschauung!« flüsterte ein Hellblauer.

      Und ein andrer sagte leise:

      »Der Einklang mit dem Daseienden!«

      Und ein Dritter sagte:

      »Stetes Zusammenklingen mit dem, was wir haben!«

      Und ein Vierter sprach ganz weich:

      »Stetes Zusammenklingen mit dem Ganzen; alle Mondleute müssen zusammen ein Wesen bilden.«

      Und ein Fünfter rief leise lachend:

      »Die Welt muß in uns hinein - mit allem!«

      Und so sagten alle sehr oft nur das, was sie für schrecklich wichtig hielten.

      Die grüne Farbe des Leibes war den neugeborenen Mondleuten noch ganz unbekannt.

      Aber das Gedächtnis des neuen Mondmannes ward sehr bald so reich und vollständig - wie das Gedächtnis des alten wenn dieser ganz weg war.

      So wurde das Leben erhalten - in den heiligen Hallen der Wiedergeburt - tief unten in der Nähe des Mittelpunktes.

      In die dunkelvioletten stillen Todesgrotten zogen die Mondleute müde hinein - und kamen verjüngt und lebensfrisch wieder raus.

      Während Mafikâsu neben den Terrassen, die im Zickzack weiterführten, dahinschwebte und sich den Neugeborenen, die schon fortkonnten, zu nähern suchte - währenddem konnte man in den tiefergelegenen Partien der Todesgrotten

Скачать книгу