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in die die Mondleute nur auf den Händen gehend hineingelangten - wobei sie irdischen Vögeln ähnelten, wenn die auf der Erdoberfläche gehen - verschiedene neue Höhlen waren schon weiterab in anderen Regionen entdeckt worden. Aber seit fünfzig Jahren hatten die Entdeckungen aufgehört - und wie oft sie auch da unten hämmerten und klopften - es klang an keiner Stelle hohl - es gelang nicht - auch unter den Todesgrotten kam man schlechterdings nicht weiter.

      Und das machte die Mondleute da unten sehr traurig, denn danach ließ sich das große Fernrohr, das die Länge des Monddurchmessers erreichen sollte, nur nach kolossalen Bohrarbeiten durchbringen.

      Und zu den Bohrarbeiten mußten alle Mondleute ohne Ausnahme hinzugezogen werden. Und das hielt sehr schwer.

      Für die Bohrarbeiten ließen sich die beschaulich lebenden Mondleute nicht so leicht begeistern.

      Ein halbes Jahr später saß Mafikâsu im Ratskrater, und die großen Erdfreunde Knéppara und Loso waren ebenfalls da.

      Man sprach über die Erde.

      Schließlich sagte Mafikâsu nach all den langen Reden kurz und feierlich:

      »Ich möchte nicht mehr ein einziges Wort gegen die Erdbetrachtung sagen, wenn wir bemerken würden, daß die Erdmänner ganz ernsthaft darangingen, ihre bunt gefärbten Kriegsheere abzuschaffen, und nicht mehr daran dächten, sich in Masse gegenseitig umzubringen.«

      Es wurde sehr still im Ratskrater- die hundert Ratsherren hielten sämtlich den Atem an.

      Dann bemerkte nach einer guten Weile Knéppara, der Erdfreund, leise:

      »Die Existenz dieser kostümierten Massenmörder ist auch uns ein Dorn im Auge.«

      Nach diesen Worten ließ sich wieder ein leises Atmen in der Versammlung vernehmen.

      »Ich möchte«, fuhr nun Mafikâsu mit klarer weithin hallender Stimme fort, »den Erdmännern genau fünfzig Jahre Zeit geben - und die Annahme oder Ablehnung der von mir geplanten Bohrarbeiten von der Weiterexistenz dieser irdischen Kriegsheere abhängig machen. Werden diese in fünfzig Jahren mindestens zur Hälfte abgeschafft, so wird von dem großen Fernrohr, das die Länge des Monddurchmessers haben soll, niemals mehr die Rede sein.«

      Wieder wird es sehr still im Ratskrater - noch stiller als vor hin.

      Und dann sagt der Erdfreund Loso leise:

      »Dieser Vorschlag kommt uns doch etwas unerwartet. Ich wäre beinahe nicht abgeneigt, auf diese Sache einzugehen doch möchte ich zunächst Knépparas Meinung hören.«

      Es entsteht jetzt eine allgemeine Bewegung.

      Die hundert Ratsherren, die alljährlich und zuweilen auch öfter im Ratskrater über die allgemeinen Angelegenheiten der Mondvölker sich beraten und schließlich für alle Beschlüsse fassen, sitzen in drei weiten Kreisen auf Amethystsäulen, die von der Natur gebildet sind und sehr tief hinuntergehen; der mittlere Säulenring ist höher als der innere, und der äußere höher als der mittlere. Hinter dem äußeren Säulenringe, den fernen Wänden zu, liegen hohe kantige Klötze von Bergkrystall wild durcheinander, als wären sie mal runtergefallen; auf diesen Krystallklötzen sitzen Tausende von Zuhörern, die Stimme im Rate der Hundert nicht haben.

      Der obere Teil der kuppelförmigen Ratsgrotte besteht wie die Wände ebenfalls aus Bergkrystall, der das Sonnenlicht teilweise durchläßt.

      Die Ratsgrotte ist die einzige Grotte, die Sonnenlicht von den Wänden empfängt; sie erhält von diesem aber noch mehr durch das Kraterloch, das sich oben in der Mitte der Kuppel öffnet und die Amethystsäulenringe ganz ausgiebig mit Licht versieht.

      Die Ratssitzungen finden immer nur statt, wenn draußen die Sonne scheint.

      Da saßen nun die hundert Ratsherren auf ihren Amethystsäulen und sprachen eifrig miteinander, sie erhoben sich auch zuweilen und wechselten die Plätze, und sehr viele Ratsherren wurden glühendrot bei der lebhaften Unterhaltung.

      Wenn die Ballonbäuche anschwellten und sich dadurch die Rümpfe höher aufreckten - so sah das immer- besonders bei roten Leibern - sehr erregt aus - geschah jedoch nur aus Bequemlichkeitsrücksichten, um dem Nachbarn bei der Unterhaltung näher zu sein.

      Der Platzwechsel geschah ganz zwanglos - und wirkte sogar sehr elegant, wenn sich der Ballonleib beim Niederlassen so weich zusammenzog und sich so wellig um den unregelmäßigen Krystallkopf der Amethystsäule schmiegte - es lag so was Weichumfassendes in diesem Platznehmen.

      Und nun hob Knéppara seine zarte Rechte mit den sieben Fingern empor - und die sieben Finger wurden rot - und flatterten in der Luft herum.

      Und der ganze Knéppara wurde rot und blies seinen Ballonleib auf, so daß sich sein Rumpf hoch aufreckte. Da wußten alle, daß Knéppara sprechen wollte.

      Und es ward wieder still in der großen Ratsgrotte - und das Tageslicht kam von oben aus dem Krater ganz hell herunter und überstrahlte die Fühlhörner auf den Köpfen der Ratsherren.

      Der Phosphorglanz des Körpers verschwand im Tageslicht - die Körper wurden perlgrau - flimmerten auch mal so ein bißchen wie Perlen - doch nur matt und nicht lange.

      Die Mondleute, die da rot waren wie glühendes Eisen, bliebens auch im Tageslicht.

      Die Zuhörer in den Nischen und auf den Klötzen von Bergkrystall saßen wie Steinfiguren da - unbeweglich und farblos.

      Die Ratsherren hatten jetzt alle eine flimmernde bunte Haut - und nur der Knéppara, der reden wollte, hatte eine rote Haut.

      Und der weise Knéppara sprach:

      »Nach den Worten des großen Mafikâsu hätte man glauben können, wir seien nur Erdfreunde, um die kleinen Erdmänner zu beobachten. So aber ist dem doch nicht. Wir denken doch nicht daran, die Erdmänner mit den Mondmännern zu vergleichen. Wir denken auch nicht daran, die Erdmänner zu den Mondmännern in ein gegensätzliches Verhältnis zu bringen. So viel Ehre tun wir den Erdmännern, diesen simplen Beinkreaturen, gar nicht an. Was uns zur steten Beobachtug der Erde reizt, hat natürlich andre Gründe. Uns interessiert in erster Linie der Stern Erde als Ganzes. Und wenn wir den Erdmännern bei Beobachtung der Erde eine größere Aufmerksamkeit widmen - so geschieht das nur, weil der von uns so genannte Erdmann die größten Arbeiten bei Entwicklung der Erdoberfläche vollbringt. Wir sehen, wie der Erdmann Schienennetze und Drahtnetze um den Erdball spinnt, wir sehen auch den Erdmann große Steinmassen an vielen Punkten der Erde zusammentragen und auftürmen und in diesen Steinmassen eine Überfülle von Licht zur Nachtzeit erzeugen. Aber all diese Tätigkeit des Erdmanns genügt nicht, um ihn mit einer höheren Stufe von Geistern zu vergleichen. Dem nach können wir vorläufig noch nicht verlangen, daß der Erdmann seinen niedrigen Mordinstinkten entsagen soll - er gehört zur Klasse der sogenannten Bestien, und wir haben kein Recht, von diesen mehr zu verlangen, als ihre jämmerliche Gewalts-Natur leisten kann.«

      Die Zuhörer an den Krystallwänden ringsum sahen sich nach dieser Rede bedeutungsvoll an und gaben sich viele Zeichen der Zustimmung; nur einzelne schüttelten den Kopf.

      Unter den Zuhörern waren alle Rassen der Mondbevölkerung vertreten. Die Rassen unterschieden sich vornehmlich durch die Zahl der Finger und durch die Länge der Arme. Es gab Mondmänner mit drei Fingern und auch solche mit vier oder fünf oder sechs oder sieben Fingern an jeder Hand, und die Länge der Arme brachte noch weitere nationale Unter schiede hervor.

      Zu jedem Krater gehörte gewöhnlich eine ganz bestimmte Rasse, was jedoch nicht ausschloß, daß an größeren Kraterteleskopen auch Mondmänner der verschiedensten Rassen tätig waren. Irgendein inneres Widerstreben gegen Vertreter anderer Rassen war seit Jahrtausenden unbekannt, da die Gestalt der Gliedmaßen auf die Ausgestaltung der Geistesstruktur nur einen untergeordneten Einfluß hatte.

      Nach einer längeren Pause, in der eine Unterhaltung in den drei Ringen nicht stattfand, nahm wieder Mafikâsu das Wort und sprach - langsam - und still:

      »Die Beschäftigung mit den Erdmännern scheint mir doch nicht ohne Selbstzweck zu sein. In den Bibliotheken, die der Erdbeobachtung angehören, befinden sich nun bereits Millionen

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