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Die Robinson-Morde. Gretelise Holm
Читать онлайн.Название Die Robinson-Morde
Год выпуска 0
isbn 9788711345382
Автор произведения Gretelise Holm
Жанр Языкознание
Серия Karin Sommer
Издательство Bookwire
Gedichte waren nicht ihre starke Seite und Gedichte von Arztsekretärinnen aus Skejø schon gar nicht, dachte Karin, als sie am Strand entlang nach Hause ging. Doch das musste sie in Kauf nehmen – genau wie sie sich damit abfinden musste, dass jetzt jeder auf Skejø über ihre Anwesenheit und ihre Arbeit informiert war. Die Provinzstadt, in der sie normalerweise lebte, mochte einem eng vorkommen, aber die soziale Kontrolle dort war nichts gegen die, die hier auf der Insel herrschte. Von hier konnte man nicht einmal unbemerkt abhauen, weil der Reiseverkehr von der Bierbank in dem kleinen Fährhafen aus genau beobachtet und kommentiert wurde. Und falls die Pensionäre einmal einen Moment unaufmerksam waren, gab es noch immer den Fährmann und Connie vom Grill, die aufpassten. Man wusste immer, wer kam und wer die Insel verließ.
Es muss schwierig sein, hier einen heimlichen Geliebten zu haben, dachte Karin. Was für sie jedoch kein akutes Problem darstellte. Ihre kurze Affäre mit dem Praktikanten der »Sjaellandsposten«, Thomas, schien vorbei zu sein. Sie hatten ihr Verhältnis weder zu Anfang noch zu Ende der Affäre definiert, doch hatte Thomas im letzten halben Jahr an der Columbia University in den USA studiert und seine Mails waren immer kürzer und die Abstände zwischen ihnen immer länger geworden. Das war nur natürlich, dachte Karin resigniert. Thomas war 20 Jahre jünger als sie und sie litt unter Arthrose im Knie. Verdammt, wie unsexy! Denn die Frühlingsgefühle machten auch vor ihr nicht halt. Die warme Sonne und die schöne Umgebung riefen Erinnerungen wach.
Der Mai war der schönste Monat auf der Insel, sagten alle. Die Obstbäume in den Obstplantagen blühten in ordentlichen Reihen, die wilden Hecken wurden von blühendem Weißdorn dominiert, während Grabenränder und Brachäcker vor Doldenpflanzen und Löwenzahn weiß leuchteten, die von weitem den Eindruck erweckten, als hätte man einen Brautschleier über alles Grüne geworfen. Den Brautschleier schmückte ein dicker Goldschmuck aus Butterblumen und Sumpfdotterblumen. Am Rand des Wassers schlugen Schwäne zwischen Schilfrohr und Gras mit den Flügeln und weiter im Landesinneren mühten sich die Menschen mit ihren Gärten und Häuserfassaden ab. Flieder und Goldregen färbten die Raine und viele Grundstücksecken wurden von einem in Blüte stehenden Kastanienbaum markiert.
Karin betrachtete die alten Ehepaare, die an gut gedeckten Kaffeetischen unter Sonnenschirmen in den Gärten und auf den Terrassen saßen und fragte sich, ob sie neidisch war. Warum lief sie hier alleine herum? Sie wusste es nicht. Es hatte sich einfach so ergeben und sie wollte sich nicht beklagen. Im Großen und Ganzen war sie ein Genussmensch. Es hatte viele Männer und viele starke emotionale und sexuelle Erlebnisse in ihrem Leben gegeben, aber die richtige Situation oder Kombination war nie aufgetaucht. Die, bei der alles stimmte: Du liebst mich und ich liebe dich. Ich kann und will und du kannst und willst, dass wir unsere Schicksale miteinander verbinden.
Es war ihr, ehrlich gesagt, ein Rätsel, dass im Leben der meisten Menschen diese Situation einmal auftauchte.
»Das tut sie gar nicht«, sagte ihre alte Freundin und Kollegin Birgitte. »Aber wir anderen schließen Kompromisse und resignieren.«
In ihren dunkelsten Stunden konnte Karin vor Einsamkeit und Angst vor dem auf sie wartenden Alter ganz kalt werden, aber diese Stunden waren glücklicherweise selten, denn in der Regel war sie recht gut darin, ihren Missstimmungen Paroli zu bieten.
Mittwoch, 29. Mai
Der Bischof von Ribe, der am 11. März 1637 die Stellungnahme der Experten zu Didrich Skraedders merkwürdigem Erbrochenen unterschrieb, war einer der vornehmsten und gelehrtesten Dänen der damaligen Zeit. Er gehörte zu den Vertrauten Christians IV. und war Lehrer von dessen ältestem Sohn, dem späteren Frederik III.
Nachdem er das Erbrochene studiert hatte, meinte der Bischof, dass nicht von einer »körperlichen Besessenheit« des Schreiners gesprochen werden konnte. Eine Teufelsaustreibung sollte deshalb nicht vorgenommen werden.
Stattdessen schlug der Bischof in seiner Stellungnahme vor, in den Kirchen Ribes zu beten, Gott möge die »Glieder des Satans« entlarven, die die Schuld an Anfall und Erbrechen des armen Schreiners trügen.
Der Bischof forderte auch die weltliche Obrigkeit auf – den Lehnsmann, den Stadtrat und das Gericht –, sich um die Gefangennahme der schuldigen Glieder des Satans zu bemühen.
Karin schaltete den Computer aus.
Sie hatte ihr Strukturproblem gelöst. Der Bericht über den Prozess gegen Maren Splids sollte sich in kleinen, illustrativen Blöcken durch die gesamte Streitschrift ziehen. In groben Zügen standen auch die Themen des Buches. Heute hatte sie sich mit der Rolle der Experten und der Elite bei der Hexenjagd beschäftigt. Im Allgemeinen ging man davon aus, dass es sich bei der Hexenjagd um ein Pöbelphänomen handelte, doch sie würde aufzeigen, wie diese von oben gesteuert wurde. Dokumentieren, dass es oft die ersten Männer und Frauen des Reiches waren, die die Stimmung anheizten. Die die so genannten Underdogs einander jagen ließen, um selbst die Beute in Frieden genießen zu können.
Sie spürte, dass sie das Thema langsam in den Griff bekam. Deshalb ärgerte es sie auch ein wenig, dass sie mit der Pfarrerin ein Treffen vereinbart hatte. Aber sie musste die Artikel für die Zeitung vom Tisch bekommen, um sich voll und ganz auf das Buch konzentrieren zu können. Und der Versuch der Pfarrerin, die »Neureligiösen« auf dem Markt der Geister und Gespenster auszustechen, bot eine amüsante Perspektive, dachte sie.
Ist das so zu verstehen, dass die vielen geistigen Strömungen, mit denen wir es heute zu tun haben, auch Auswirkungen auf die Staatskirche haben?«, fragte sie neutral, als sie der Gemeindepfarrerin Anna Skov gegenüber saß, die sich vor kurzem der Gruppe dänischer Staatskirchenpfarrer angeschlossen hatte, die den Exorzismus befürworteten.
»Wir glauben an den heiligen Geist, vergessen aber hin und wieder, dass es auch unheilige Geister gibt«, leitete die Pfarrerin ihre mit Bibelstellen gespickte Erklärung über Geister, Teufel und Dämonen ein.
Karin schaltete ihr Tonbandgerät ein. Sie ließ das Tonbandgerät zuhören und studierte stattdessen die Pfarrerin.
Anna Skov war eine sehr schöne Frau in den Vierzigern, langbeinig, gepflegt und modern gekleidet mit einer kreideweißen Baumwollhose mit leichtem Schlag und einem eng anliegenden hellblauen T-Shirt. Doch der viereckige Pfarrerinnen-Pagenschnitt, die entrückten, fast schon heiligen Augen und die weich modulierende, eindringliche Stimme verrieten ihren Beruf.
»Deshalb bin ich der Auffassung, dass die Staatskirche zu dem Bösen als Geistesmacht, das in Menschen oder deren Heimen Wohnung beziehen kann, Stellung nehmen muss«, sagte Anna Skov.
»Es heißt, dass das Heiler-Kollektiv am südlichen Ende der Insel sich mit Geistern beschäftigt?«, sagte Karin fragend.
»Ja, ich glaube schon, dass sie ein wenig mit so etwas spielen ...«
»Haben sie sich zu Konkurrenten der Kirche entwickelt?«
»Absolut nicht. Heute Abend machen wir eine gemeinsame Veranstaltung über die Macht der Geister. In gewisser Weise sind wir zu Verbündeten geworden ...«
»Verbündeten?«
»Ja, im Kampf gegen Satan und seine Jünger stehen wir auf derselben Seite. Sie sind auf die Insel gekommen, das wissen Sie wahrscheinlich?«
Karin glich einem großen Fragezeichen und die Pfarrerin erklärte mit ernster Stimme: »Die Satanisten. Sie haben vor einigen Monaten die alte Galerie in Sønderby gekauft.«
»Die Satanisten – sind die nicht nur ein religiöser Witz?«, fragte Karin.
»Nicht für die, die die Macht der Dunkelheit kennen«, antwortete die Pfarrerin.
»Was Sie nicht sagen. Ich bin mehrere Male an der Galerie vorbeigekommen und mir ist nichts aufgefallen«, sagte Karin.
»Sie haben sich in der örtlichen Gemeinschaft nicht zu erkennen gegeben, aber Sie finden sie im Internet«, antwortete die Pfarrerin.
Nun gut, Satanisten auf Skejø im Internet. Ein lustiger Aspekt, dachte die Journalistin.
»Und