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Die Robinson-Morde. Gretelise Holm
Читать онлайн.Название Die Robinson-Morde
Год выпуска 0
isbn 9788711345382
Автор произведения Gretelise Holm
Жанр Языкознание
Серия Karin Sommer
Издательство Bookwire
Albert Skeel studierte interessiert den erbrochenen Klumpen und war einig: Eine Hexe musste am Werk sein und die Experten mussten angehört werden. Deshalb rief er alle Friester der Stadt zusammen, die mit Bischof Johan Borchardsen an der Spitze eintrafen. Der Bischof und die Priester nahmen die Bettpfanne mit dem Erbrochenen mit, um sie einem eingehenden Studium zu unterziehen und am nächsten Tag – dem 11. März 1637 – lag ihre Expertenmeinung vor:
Wenn diese »Materie« wirklich aus dem Schneider gekommen war, konnte von keiner natürlichen Krankheit die Rede sein. Es musste sich um ein »veneficium« (eine Vergiftung) handeln, die mit Satans Hilfe von bösen Menschen vorgenommen worden war.
Nein. Sie würde das Buch doch nicht mit einem historischen Fall beginnen. Damit würde sie den Eindruck erwecken, dass es sich bei der Hexenjagd um ein Phänomen der Vergangenheit handele, das auf Unwissenheit oder törichte Bauernvorstellungen zurückzuführen war.
Eine ihrer Hauptthesen war, dass der Bedarf der Gesellschaft an Feindbildern konstant war. Die historischen Beispiele konnten in ihrer überzeugenden Deutlichkeit pädagogisch wirkungsvoll sein, durften jedoch nicht die Erkenntnis verschleiern, dass Hexenjagd auch heute noch immer ein Thema war. Andererseits wollte sie nur ungern bereits am Anfang ein aktuelles Beispiel heranziehen, da das die generelle Problemstellung und die Debatte verzerren könnte, die das Buch anregen sollte. Darüber musste sie nachdenken.
Puh, es war sehr viel angenehmer, davon zu träumen, ein Buch zu schreiben, als es tatsächlich zu tun. Eigentlich müsste sie jetzt vor dem Computer sitzen bleiben, bis das Kapitel stand, aber sie konnte sich davon überzeugen, dass ihr Gehirn frische Luft brauchte.
Sie hatte eine indirekte Zusage für ein Interview mit Einar Nielsen – genannt Einar, der Leichenbestatter –, der auch Vorsitzender des Festausschusses der Insel war. Sie konnte einen Spaziergang am Strand entlang machen und sehen, ob er zu Hause in seiner Schreinerei war. Er war eine zentrale Person im sozialen Leben der Insel und genau der Richtige, um für die Inselartikel interviewt zu werden, doch gleichzeitig verfolgte sie ein mehr verborgenes Anliegen: Die Todesfälle im Altenheim, das surrealistisch anmutende Auftreten der alten Johanne bei dem Begräbnis, Tante Agnes’ Überzeugung, dass jemand den Alten und Todkranken Sterbehilfe leistete. Sie wusste nicht genau, wie sie sich dem Thema nähern sollte, aber der Leichenbestatter war genau der Richtige dafür. Sie rief sich den kurzen Ausdruck von Entsetzen ins Gedächtnis zurück, den sie in einem unbeobachteten Moment in seinen Augen gesehen hatte und musste an ein Buch über einen Feuerwehrmann denken, der zum Brandstifter wurde, weil er so gerne Brände löschte. Konnte man sich dementsprechend einen Leichenbestatter vorstellen, der zum Mörder wurde, weil er seine Arbeit liebte? Sie lächelte über ihre Fantasie.
Als sie aufstand, zog es in ihrem Knie. Eine beginnende Arthrose, meinte der Arzt. An der man nicht viel machen konnte. Sie war 56 und hatte, wie sie selbst sagte, das Alter erreicht, »in dem man tot ist, wenn man eines Morgens aufwacht und nirgendwo etwas weh tut.«
Sie nahm ein paar Paracetamol und eine Tablette zur Neutralisierung der Magensäure und schickte gleichzeitig ein kleines Gebet gen Himmel, mit der gleichen Würde alt zu werden wie Tante Agnes.
»Es ist mühsam, alt zu werden, aber die Alternative ist schlimmer«, pflegte ihre lebensfrohe Freundin Birgitte zu sagen. Birgitte veranstaltete jedes Mal ein großes Frühstück für ihre Freundinnen, wenn sie wieder ein Jahr zu der für weibliche Journalisten errechneten Durchschnittslebenszeit von 58 Jahren hinzurechnen konnte: »Jetzt haben wir die Statistik noch einmal an der Nase herumgeführt.«
Es klopfte an der Haustür. Es war Britta Olsen – die Pflegehelferin, neben der sie in der Kirche gesessen hatte.
»Hallo«, sagte sie. »Ich wohne gleich dahinten. Da drüben. Sie können die Ecke des Daches sehen. Und ich habe mir gedacht, dass Sie bestimmt ein paar frische Eier gebrauchen können. Ich hoffe, der Hahn stört sie morgens nicht.«
»Nein. Ganz im Gegenteil, er ist ein angenehmer Wecker. Vielen Dank, kommen Sie doch herein und trinken Sie eine Tasse Kaffee. Nein, Sie müssen die Schuhe nicht ausziehen.«
Karin fiel auf, dass Britta keinen so unsicheren und ängstlichen Eindruck machte wie bei der großen Beerdigung am Vortag.
»Ich habe Agnes immer Eier verkauft«, sagte sie.
»Ich möchte auch gerne Ihre Kundin werden. Ich liebe frische Landeier.«
»Wie lange werden Sie hier bleiben?«
»Noch zwei Monate und drei Wochen. Ich schreibe an einem Buch.«
Britta nickte und zupfte ihr dünnes, rotblondes Haar zurecht. Ihre hervorstehenden Augen hatten einen Glanz, den sie am Vortag nicht gehabt hatten und einen Augenblick lang überlegte Karin, ob sie sich vielleicht Mut angetrunken hatte.
»Ich weiß. Etwas über Hexen. Hier weiß man alles über einander. Sie haben bestimmt auch einiges über mich gehört?«
»Nein, überhaupt nichts, aber ich freue mich, Sie als Nachbarin zu haben und es ist lieb von Ihnen, mir Eier zu bringen.«
Britta blickte über die Kaffeetasse, die sie mit beiden Händen festhielt, und sagte: »Das muss man sich einmal vorstellen, Journalistin zu sein! Sie müssen ein sehr interessantes Leben führen und viele bekannte Menschen kennen gelernt haben. Haben Sie auch schon mal jemanden aus der königlichen Familie getroffen?«
»Nein, ich habe sie nur von weitem gesehen. Und es ist schon richtig, dass der Job abwechslungsreich ist, aber hin und wieder ist er auch mühsam und stressig.«
Karin gefiel der fast anbetende Blick der Frau nicht und sie fuhr fort:
»Ihr eigener Job muss doch auch sehr interessant sein ... und wichtig. Wirklich wichtig für die alten Menschen.«
»Ha!«, sagte Britta. »Pflegehelferin – wissen Sie was das heißt?«
Karin sah sie verwundert an und sie fuhr fort: »Das ist Zwangsarbeit für weibliche Verlierer!«
»Nein, jetzt hören Sie aber mal ...«
»Doch, die Gemeinde streicht einem die Sozialhilfe, wenn man nicht ...«
Karin unterbrach sie und fragte ernst:
»Halten Sie sich für eine Verliererin?«
»Haben Sie wirklich nichts über mich gehört?«
Karin schüttelte den Kopf und spürte eine leichte Gereiztheit. Die Frau gab, gelinde gesagt, ein unglückliches Bild ab und genoss wohl kaum einen hohen sozialen Status auf der Insel, doch überschätzte sie ganz offensichtlich das Interesse anderer an ihrer Person. Dieses Selbstmitleid war unwürdig. Andererseits war Karin neugierig.
»Nein, ich habe nichts über Sie gehört. Wohnen Sie alleine?«
»Ja, ich bin vor 10 Jahren Witwe geworden. Mein Mann war 32. Jahre älter als ich.«
»Aha.«
»Und es war keine Geschichte von dem schönen, jungen Mädchen und dem reichen, alten Mann. Es war die Geschichte von dem hässlichen, jungen Mädchen und dem armen, versoffenen, alten Mann. Man muss nehmen, was man kriegen kann.«
Britta sah Karin sehr direkt an. Ihr Wesen war viel offener als Karin bei ihrem ersten Zusammentreffen angenommen hatte, wo die Frau den Eindruck erweckt hatte, als wollte sie sich regelrecht für ihr Vorhandensein entschuldigen.
»Ja, da haben Sie Recht«, antwortete Karin, zögerte kurz und fuhr fort: »Haben Sie Kinder?«
»Kinder? Nein! Als ich 22 war, habe ich in den Spiegel geguckt – und mich sterilisieren lassen!«
Karin suchte verblüfft nach einer Antwort und Britta fuhr fort: »Diese Basedow-Augen, sind die etwas, das man weitergeben will? Und mein Haar und mein Kopf? Ich weiß ganz genau, dass ich Ähnlichkeit mit einer Kröte habe und mit diesem Aussehen wollte ich kein Kind belasten.«
Sie schlug ein leicht gekünsteltes Lachen an und Karin musste