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solchen die Parteien nicht hatten, die einander widerstrebten und aus unseliger Dürftigkeit sich um Dinge stritten, die ihnen zumal nicht eigen sein konnten. Diesen Frieden erstreben mühevolle Kriege, ihn erringt der vermeintlich glorreiche Sieg. Wofern nur indes die den Sieg davontragen, denen für den Kampf der gerechtere Grund zur Seite stand, so ist ein solcher Sieg gewiß begrüßenswert und erwünschter Friede ist sein Erfolg. Das sind Güter, sind ohne Zweifel Gaben von Gott. Wenn man jedoch unter Hintansetzung der besseren Güter, die dem oberen Staat angehören, wo der Sieg durch ewigen und tiefsten Frieden gesichert sein wird, nach derlei Gütern verlangt, in einer Weise, daß man sie für die einzigen hält oder doch mehr liebt, als die, die man für besser hält, dann wird Elend die unausbleibliche Folge sein und das schon vorhandene sich verschärfen.

      

       5. Von dem ersten Gründer des Weltstaates, einem Brudermörder, dessen Ruchlosigkeit ein Gegenstück fand an dem Gründer der Stadt Rom durch dessen Brudermord.

      

      Der erste Gründer des Weltstaates also war ein Brudermörder; er hat, von Neid übermannt, seinen Bruder getötet, den auf Erden pilgernden Bürger des ewigen Staates. Es ist daher nicht zu verwundern, daß lange hernach bei der Gründung jenes Staates, der das Haupt dieses Weltstaates, von dem wir sprechen, werden und über so viele Völker herrschen sollte, diesem Urbilde oder Archetyp, wie die Griechen sagen, ein Abbild der Art nach entsprach. Denn auch hierbei hat, wie einer der Dichter dieses Staates[176] die Schandtat bezeichnet, „Bruderblut die ersten Mauern gerötet“. So ward Rom gegründet; die römische Geschichte bezeugt es, daß Remus von seinem Bruder Romulus ermordet wurde; nur daß hier der Ermordete ebenso wie der Mörder Bürger des Weltstaates war. Beide gingen auf Ruhm aus mit der Gründung des Römerstaates, aber jeder auf so großen, daß nur einer daran teilhaben konnte. Denn wer seinen Ruhm im Herrschen zu suchen entschlossen war, hätte natürlich nur in beschränkterem Maße geherrscht, wenn seine Gewalt eingeengt geblieben wäre dadurch, daß ein Teilhaber lebte. Damit also einer die ganze Herrschaft in seine Gewalt bekäme, wurde der Gefährte beseitigt, und was bei Enthaltung von Blutschuld beschränkter und besser gewesen wäre, mehrte sich so durch Frevel zum Schlimmeren. Dagegen das Brüderpaar Kain und Abel hegte nicht gemeinsam miteinander das gleiche Verlangen nach irdischen Dingen, und der, der den andern ermordete, war ihm nicht deshalb neidisch, weil seine Herrschaft eingeengt worden wäre, wenn beide herrschten [Abel ging ja gar nicht auf eine Herrschaft aus in dem Staate, der von seinem Bruder gegründet wurde], sondern dieser Neid war teuflisch, wie ihn die Bösen auf die Guten haben lediglich deshalb, weil diese gut sind und sie selber böse. Denn keineswegs wird der Besitz an Gutheit verringert, wenn ein Mitteilhaber dazu tritt oder dabei bleibt; im Gegenteil, die Gutheit ist ein Besitz, den, je einträchtiger, in um so weiterem Umfang ungeteilte Liebe von Genossen ihr eigen nennt. Kurz, ein Besitz, den man überhaupt nicht sein eigen nennen kann, wenn man ihn nicht als Gemeingut haben möchte, und den man um so größer finden wird, je größer die Liebe ist, die ihr Besitz dem Teilhaber zuzuwenden verstattet. Das nun, was zwischen Remus und Romulus vorging, hat gezeigt, wie der Weltstaat wider sich selbst uneins ist; was sich dagegen zwischen Kain und Abel zutrug, hat die Feindschaft zwischen den beiden Staaten selbst, dem Gottesstaat und dem Menschenstaat, vor Augen geführt. Kampf also herrscht zwischen Bösen und Bösen untereinander und ebenso zwischen Bösen hier und Guten dort; Kampf aber zwischen Guten und Guten, wenn sie vollkommen sind, ist ausgeschlossen. Dagegen solang die Guten noch erst im Voranschreiten begriffen und noch nicht zur Vollkommenheit gelangt sind, ist Kampf unter ihnen möglich; es kann jeder Gute wider den andern in der Richtung ankämpfen, in der er gegen sich selbst ankämpft; auch im Einzelmenschen ja „begehrt das Fleisch wider den Geist und der Geist wider das Fleisch“[177] . Geistiges Begehren kann also in Kampf treten wider fleischliches beim Nächsten und fleischliches Begehren wider geistiges beim Nächsten, so wie Gute und Böse widereinander kämpfen; oder wenigstens fleischliches Begehren zweier Guten, natürlich noch nicht Vollkommenen, kann so, wie Böse und Böse widereinander kämpfen, aufeinander stoßen, bis etwa Heilung eintritt und schließlich die Gesundheit den letzten Sieg davonträgt.

      

       6. Auch die Bürger des Gottesstaates leiden während ihrer irdischen Pilgerschaft infolge der Sündenstrafe an Krankheiten und werden von ihnen durch Gottes Hand geheilt.

      

      Ein krankhafter Zustand nämlich ist der bezeichnete, genauer diese Unbotmäßigkeit, wovon wir im vierzehnten Buch gehandelt haben[178] , die Strafe für die erste Unbotmäßigkeit; und darum nicht der natürliche Zustand, sondern ein Gebrechen[179] . Deshalb wird den Guten, die voranschreiten und aus dem Glauben leben auf der irdischen Wanderschaft, das Wort zugerufen[180] : „Traget gegenseitig eure Lasten, und so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“; und an anderer Stelle[181] : „Weiset zurecht die Unruhigen, tröstet die Kleinmütigen, nehmet euch der Schwachen an, habet Geduld mit allen; sehet zu, daß nicht einer dem andern Böses mit Bösem vergelte“; und wiederum[182] : „Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn“; und im Evangelium[183] : „Hat dein Bruder wider dich gesündigt, so weise ihn zurecht unter vier Augen“; hinwieder von Sünden, die es notwendig machen, weitgreifendem Ärgernis vorzubeugen, sagt der Apostel[184] : „Die Fehlenden weise zurecht im Angesicht aller, damit die übrigen Scheu haben“. Deshalb sind auch über die Pflicht gegenseitiger Verzeihung viele und dringende Vorschriften erlassen zur Erhaltung des Friedens, ohne den niemand Gott wird schauen können[185] . Hierher gehört jenes schreckliche Gleichnis[186] , wonach der Knecht die zehntausend Talente Schulden zu zahlen hat, die ihm bereits erlassen worden waren, weil er seinem Mitknecht eine Schuld von hundert Talenten nicht erließ; und an dieses Gleichnis knüpfte der Herr Jesus die Worte: „So wird auch mein himmlischer Vater mit euch verfahren, wenn ihr nicht, ein jeder seinem Bruder, von Herzen verzeihet“. Auf solche Weise werden sie geheilt, die hienieden pilgernden und nach dem Frieden des himmlischen Vaterlandes seufzenden Bürger des Gottesstaates. Der Heilige Geist aber wirkt innerlich, damit die äußerlich angewendete Arznei etwas ausrichte. Ohne diese innere Gnade, mit der Gott den Geist leitet und antreibt, hilft dem Menschen alle Verkündigung der Wahrheit nichts, auch wenn Gott selbst, eines ihm ergebenen Geschöpfes sich bedienend, in irgendeiner menschlichen Gestalt zu den Sinnen des Menschen redete, sei es zu denen des Leibes oder zu den ganz ähnlichen, wie sie im Schlafe wach sind. Die Gnadenwirkung aber läßt Gott eintreten zur Scheidung zwischen den Gefäßen der Erbarmung und denen des Zornes, nach einer Erwägung, durch die er sie kennt, die in tiefes Geheimnis gehüllt, jedoch gerecht ist. Mit Gottes Hilfe nämlich, die sich auf verschiedene wunderbare und verborgene Weise betätigt, wendet sich der Mensch, wenn die Sünde, die in unsern Gliedern wohnt und richtiger nur mehr Strafe der Sünde ist, nach der Weisung des Apostels[187] nicht herrscht in unserm sterblichen Leibe und dessen Gelüsten uns dienstbar macht und wir ihm unsere Glieder nicht als Werkzeuge der Ungerechtigkeit hingeben, zu seinem Geiste hin, der ihm nun unter Gottes Leitung zum Bösen nicht mehr zustimmt, und wird so hienieden diesen seinen beherrschenden Geist in größerer Ruhe erhalten, dann aber, nach Erlangung vollkommener Gesundheit und Unsterblichkeit, ohne alle Sünde in ewigem Frieden herrschen.

      

       7. Die Ursache der Freveltat Kains und die Hartnäckigkeit, die sich darin offenbart, daß er sich nicht einmal durch Gottes Mahnung von dem geplanten Verbrechen abbringen ließ.

      

      Was frommte jedoch einem Kain die eben gekennzeichnete Herablassung Gottes, das Sprechen Gottes zu ihm in der Weise, wie Gott mit den ersten Menschen sprach wie einer ihresgleichen durch Vermittlung eines ergebenen Geschöpfes? Hat er nicht trotz der göttlichen Mahnung das geplante Verbrechen gleichwohl ausgeführt und seinen Bruder ermordet? Da nämlich Gott zwischen den Opfern der beiden einen Unterschied machte, auf das des einen sah, auf das des andern nicht — was man ohne Zweifel an irgendeinem sichtbaren Zeichen erkennen konnte — und es deshalb so machte, weil die Werke Kains böse waren, die seines Bruders dagegen gut[188] , da betrübte sich

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