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nahm einen Aktenstapel von seinem Schreibtisch und nickte zu dem runden Tisch am Fenster hinüber. »Setz dich.«

      »Danke.« Dan nahm Platz.

      Graham platzierte die Akten mitten auf dem Tisch und gesellte sich zu ihm. »Benson gegen Crane, Ltd.«, eröffnete er ohne lange Vorrede. »Altersdiskriminierung. Berufung auf den Schutz des Whistleblowers. Flugzeugteilehersteller. Unser Klient ist neunundfünfzig. Das Unternehmen hat finanzielle Probleme. Der Klient behauptet, er hätte seine Sicherheitsbedenken dem Manager mitgeteilt und nichts wäre passiert.«

      »Also hat er es eskaliert?«

      »Woraufhin sie ihn gefeuert haben«, erklärte Graham. »Er verfügt über eine Menge Aufzeichnungen. Gespräche mit der Geschäftsleitung und der Personalabteilung. Alles dokumentiert.« Grahams Stimme vibrierte vor Leidenschaft.

      »Vergleich?«

      »Daran arbeite ich, aber ich könnte etwas frisches Blut gebrauchen. Einen anderen Ansatz. Sie mauern.«

      Dan war erleichtert, das zu hören. Wenn Graham sich seiner Grenzen bewusst war, gab es vielleicht doch Hoffnung für ihre Zusammenarbeit. Sie könnten es abwechselnd angehen. »Wie lautet das aktuellste Angebot?«

      »Fünfzigtausend. Und das nach einem Startangebot von sage und schreibe zehntausend. Wir wollen Schadensersatz in Höhe von fünfhunderttausend plus Lohnnachzahlung. Davon möchte ich mindestens die Hälfte für den Klienten erzielen.« Graham tippte auf eine Akte, die mit Korrespondenz beschriftet war.

      »Sie warten ab, wer zuerst blinzelt.«

      »Ich hatte schon mit diesem Anwalt zu tun.« Graham nickte kurz. »Über ihn liegen mehr Anwaltsbeschwerden vor, als ich an beiden Händen abzählen könnte. Er kann sich immer herauswinden.«

      »Was ist sein Ansatz?«

      Grahams Augen wurden schmal. »Eine Zeugin, die behauptet, unser Mandant hätte Firmeneigentum gestohlen.«

      »Du glaubst, die Zeugin ist erfunden?«

      »Wir konnten sie nicht auftreiben. Die angegebene Adresse bezieht sich auf eine Wohnung in Charlotte, aber der Vermieter gibt an, sie wäre vor ein paar Wochen ausgezogen. Es liegt keine Weiterleitungsadresse vor.«

      »Und der gegnerische Anwalt behauptet, sie sind auf der Suche nach ihr.« Die Zeugin existierte wahrscheinlich nicht, aber sie stellte ein großartiges Druckmittel dar.

      »Stimmt.«

      »Ich hasse Poker.« Dan rieb sich den Nacken. Mit Graham über Fälle zu reden, war wenigstens nicht so anstrengend, wie Small Talk mit ihm zu betreiben.

      »Ich bin auch kein großer Fan davon. Besonders nicht von der schmutzigen Sorte. Aber unser Klient ist unruhig.« Kurz flackerte etwas in Grahams Augen auf. Ärger? Er hatte zu viele Kläger erlebt, die sich trotz gut begründeter Ansprüche mit weniger zufriedengaben, als sie sollten. »Seine Frau und er kommen finanziell nur schwer über die Runden. Sie arbeitet als Angestellte in einem Gemischtwarenladen. Sie halten sich gerade so über Wasser, und diese Sache…«

      »Könnte erst in mehreren Jahren vor Gericht gehen.« Dan schüttelte den Kopf. »Womit soll ich anfangen?«

      »Wir haben einen Privatdetektiv auf die Zeugin angesetzt. Meine Assistentin Sarah gibt dir die Kontaktdaten.«

      Eine Viertelstunde später, nachdem sie die wichtigsten Unterlagen zusammen durchgegangen waren, stand Graham auf und streckte sich. »Wasser? Mit oder ohne Kohlensäure?«

      »Ein stilles Wasser wäre großartig.« Dan rieb sich den Nacken.

      Graham holte zwei Flaschen aus einem kleinen Kühlschrank neben seinem Schreibtisch und stellte Dan eine davon hin.

      »Danke.« Dan öffnete die Flasche und trank einen großen Schluck.

      »Terri sagt, du beherrschst den Job.«

      In Grahams Worten schwang eine Herausforderung mit. Dan war auf der Hut, hatte sich jedoch durch genügend heikle Situationen manövriert, um zu wissen, dass er damit umgehen konnte. »Danke. Ausgehend von dem, was sie mir erzählt hat, geht ihr ähnlich vor wie mein alter Arbeitgeber. Ein paar staatliche Fälle, aber in der Mehrheit solche auf Bundesebene.«

      »Wir sind schneller gewachsen als erwartet.« Grahams Stimme vibrierte vor unterschwelligem Stolz. Die Kanzlei existierte seit kaum fünf Jahren, und laut den lokalen Handelsblättern war ihre Erfolgsbilanz in der Region einmalig. »In der nächsten Sitzungsperiode bestreiten wir unsere erste Verhandlung vor dem Verfassungsgericht.«

      »Terri hat es erwähnt.«

      Graham blickte starr aus dem Fenster. »Ich vertraue Terri, aber die letztendliche Entscheidung, ob wir dir eine Partnerschaft anbieten, liegt ganz allein bei mir.«

      »In Ordnung.« Dan holte tief Luft, um die Anspannung aus seiner Magengrube zu vertreiben. Lacey und er kämen auch gut zurecht, wenn dieser Job sich nicht auszahlen sollte. Er hatte das meiste von Benns Lebensversicherung umsichtig investiert.

      Aber die Tinte auf dem Kaufvertrag für das Haus war kaum getrocknet, und er wollte nicht unbedingt schon wieder alles einpacken und umziehen. Vor allem nicht, weil Lacey ab Ende des Sommers einen Platz in der Krippe hatte. In der Gegend gab es noch mehr Firmen, die an ihm interessiert sein könnten, aber er bezweifelte, dass eine davon ihm einen ähnlich großzügigen Vertrag anbieten würde. Noch einmal Jahre zu investieren, bis er sich wieder auf Partnerebene hochgearbeitet hatte, war keine Option. Benn und er hatten aus gutem Grund mit der Adoption gewartet, bis er Partner geworden war. Er hatte nicht die Absicht, Lacey seiner Sechzig- oder Siebzig-Stunden-Woche auszusetzen, während er sich noch einmal beweisen musste.

      »Ich weiß, dass du in deiner alten Firma den Ton angegeben hast«, fuhr Graham fort. Er hatte sich immer noch nicht umgedreht, was Dan irritierend fand.

      »Graham, du musst dich nicht zurückhalten. Ich brauche keine weiche Landung.«

      Graham drehte sich um und stellte seine Flasche auf den Tisch. »In Ordnung.« In seiner Wange zuckte ein Muskel, doch ansonsten hielt er seinen Gesichtsausdruck vollkommen unter Kontrolle. Er legte eine Hand auf die Stuhllehne. »Ich bin nicht sehr beeindruckt von deiner Unfähigkeit, pünktlich ins Büro zu kommen. Und das auch noch an deinem ersten Tag.«

      »Dafür entschuldige ich mich. Du hast jedes Recht, Pünktlichkeit von mir zu erwarten. Es wird nicht wieder vorkommen.« Jedenfalls hoffte er das.

      »Dein Privatleben ist deine Sache«, fuhr Graham unverdrossen fort. »Aber du wirst zweifellos bald feststellen, dass dein New Yorker Lebensstil dir hier Probleme verursachen wird.«

      »Zweifellos.« Dan erstickte einen Seufzer. Glaubte Graham etwa, er feierte die Nächte durch? Wahrscheinlich. Aber die Wahrheit ging Graham nichts an. Er war in seinem Leben mit Schlimmerem fertig geworden, als mit dieser Art von Vorurteil. Und er fühlte sich schon lange nicht mehr schuldig, wenn er den Erwartungen anderer nicht entsprach.

      »Haben wir uns verstanden?«, erkundigte sich Graham.

      »Völlig. Und noch mal, bitte entschuldige.«

      »Gut.« Die Spannung in Grahams Schultern ließ sichtbar nach. »Mehr muss in der Angelegenheit nicht gesagt werden.« Er griff nach einer anderen Akte. »Lass uns weiterarbeiten.«

      Kapitel 6

      »Du da drinnen, lebst du noch?« Terri steckte ein paar Minuten nach sechs den Kopf in Grahams Büro.

      »Soweit ich weiß, schon.«

      »Autsch.« Sie kam herein und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Sind wir ein bisschen angespannt?«

      »Bietest du mir eine Schultermassage an?«, konterte er.

      »Ist das eine Schwachstelle in deiner Rüstung?« Sie glitt vom Tisch und begann, ihm die Schultern zu massieren.

      Er seufzte. »Möglicherweise habe ich etwas überreagiert.« Ihr konnte er seine Fehler ohne Angst eingestehen.

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