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       Zum Weiterdenken:

      • Joachim Bothe (Hrsg.), Vom Leben eben – 21 leidenschaftliche Wortmeldungen, Explosionszeichnungen und gewagte Aussichten für ein heiliges Überleben, R. Brockhaus, Witten

      • Henri J. M. Nouwen, Ich hörte auf die Stille – Sieben Monate im Trappistenkloster, Herder, Freiburg

       Gottsucher

       oder: Die Gemeinde als Ort der Begegnung?

      Gemeinde ist ein Ort der Gemeinschaft. Ein Raum der Begegnung, offen für alle. Hier existiert ein Klima des Vertrauens und der Ehrlichkeit. Manchmal geht das im Alltagstrubel unter und unsere Gemeinden werden zu geschlossenen Räumen, wo Christen sich nur noch um sich selbst drehen. Dann schotten wir uns ab vor der »Welt« und statt Vertrauen herrscht Angst.

      Dabei gibt es in der »Welt« erstaunlich viele Menschen, die gerne über ihren Glauben reden würden, die Orte des Vertrauens suchen. Umfragen haben gezeigt, dass Jugendliche und Erwachsene das Bedürfnis haben, über ihre Religiosität zu sprechen, und zugleich unsicher sind in ihren eigenen Gottesvorstellungen. Es herrscht ein großes Misstrauen anderen Menschen gegenüber und so redet man in der Öffentlichkeit kaum über den Glauben.

      Gibt christliche Jugendarbeit oder Gemeinde anders denkenden und glaubenden Jugendlichen die Chance und den Raum zur Begegnung oder sind wir uns selbst genug? Haben wir Angst, uns mit anderen auseinanderzusetzen? Angst, dass mein eigener Glaube hinterfragt wird? Angst, dass unsere Gruppe gesprengt wird? Angst, dass ich mit meinem Glauben abgelehnt werde? Diese Ängste spiegeln die Gottesvorstellung vieler Christen wider. Doch Stück für Stück können sie in Gottvertrauen umgewandelt werden.

      Nun weiß ich, dass dies ein langer Weg ist. Aber dazu gehört das Wagnis, anderen zu begegnen. Die Offenheit, dem anders Glaubenden zu begegnen, ist die Grundvoraussetzung für missionarisches Handeln. Das Wissen, dass Gott durch mich wirkt, egal wo ich bin, ist ein Schlüssel, diese Ängste zu überwinden: Gottes Handeln ist nicht abhängig von meinen Bekenntnissen, meiner Kreativität oder meiner Jugendarbeit. Schon gar nicht muss ich den allmächtigen Gott verteidigen, ich kann ihm nur in Demut dienen.

       Beziehungen statt Programme

      Eins der erstaunlichen Ergebnisse einer Umfrage über Gottesvorstellungen war, dass viele der befragten Jugendlichen über ihren Glauben und ihre Gottesvorstellungen reden wollten, allerdings nur in einem geschützten Rahmen. Gespräche über den Glauben finden also vor allem auf der Beziehungsebene statt und nicht auf der Programmebene. Häufig konzentrieren wir uns in unserer Jugendarbeit auf das Programm, so dass wenig Zeit bleibt für Beziehungen. Die entwickeln sich aber nur über einen längeren Zeitraum und in einem offenen Konzept.

      Beziehungs- und Begegnungsräume schaffen und einander niederschwelliger begegnen, wäre eine richtige Konsequenz. Doch solche Räume entstehen nicht von selbst, sondern müssen geplant werden. Den Anderen wertschätzen, Gespräche führen und sich Zeit nehmen, das entspringt nicht dem Zufall, sondern einer geistlichen Einstellung. Hier zeigt sich, ob uns die richtige Lehre und die Qualität unseres Programmes wichtiger sind als die Achtung anderen Menschen gegenüber.

       Annahme statt Apologetik

      In der Postmoderne aufgewachsene Jugendliche suchen nicht in erster Linie die richtige Lehre oder die absolute Wahrheit, sondern echte Beziehungen und geschützte Räume. Missionarische Jugendarbeit setzt den Respekt vor dem und die Annahme des Gegenübers voraus, auch wenn er anders denkt, lebt oder aussieht. Solches Bemühen um Annahme zu erleben, ist für Jugendliche wichtiger als das »Glaubensbekenntnis« des Jugendkreises oder der Gemeinde. Vertrauen baut sich nicht etwa dadurch auf, dass ich meinen Glauben dem anderen gegenüber verteidige, sondern indem ich auf ihn zugehe und ein gleichberechtigter Dialog entsteht. Wichtig wäre daher, diesen Dialog zu fördern und den Stellenwert von Bekenntnissen abzubauen.

       Erfahrungen statt Dogmen

      Eigene, subjektive Erfahrungen sind für viele Menschen der größte Zugang zur Veränderung ihrer eigenen Gottesvorstellung. Aber man möchte die eigenen Erfahrungen geschätzt und sicher aufgehoben wissen, ist unter bestimmten Bedingungen offen für neue religiöse Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind selten spektakulär, sie geschehen im Alltag der Menschen. Hier braucht es Räume, in denen Alltagsspiritualität die Freiheit zur Entfaltung bekommt. Themen wie Gebet, Heiliger Geist, Spiritualität oder Mystik müssen also wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Erfahrungen aus der Bibel können miteinander neu erlebt werden, wie beispielsweise Abendmahl, Handauflegung, (biblische) Feste feiern. Werden dabei alle Sinne angesprochen, können so eindrückliche Erlebnisse geschaffen werden. Beim Abendmahl können wir zum Beispiel hören (auf die Einsetzungsworte, auf die Stimme Jesu), sehen (Brot und Wein als sichtbare Gegenwart Jesu, Abendmahlsgeschirr), fühlen (sich gegenseitig Brot und Wein geben und dann selbst in Händen halten), riechen (den Duft von Brot und Wein) und schmecken (essen und trinken). Diese Erlebnisse stehen nicht im Widerspruch zur Theologie oder zu Dogmen und Bekenntnissen, sondern lassen sie in uns lebendig werden.

       Partizipation statt Konsumdenken

      Gemeinsame Erlebnisse fördern die Identifikation und helfen jedem einzelnen, ein Teil des Ganzen zu sein. Diese Teilhabe ist die Grundlage für eigene Erfahrungen. Dies kann aber nur auf eine freiwillige einladende Art und Weise geschehen. Jeder muss selbst entscheiden, wie und warum er oder sie teilnimmt.

      Weiterhin spielt sich die Partizipation auf der Zeugnisebene ab. Jeder kann sagen, was er denkt oder fühlt, und somit seinen Beitrag zum Ganzen geben.

      Konsumdenken und Bedienungsmentalität sind in der Postmoderne sehr verbreitet. Durch die Verunsicherung lehnen sich viele Menschen zurück und beobachten erstmal kritisch, was da so geschieht.

       Kleine Gruppen statt großer Veranstaltungen

      Für all das sind Großveranstaltungen wenig hilfreich. Vielmehr werden kleine, überschaubare Gruppen benötigt, in denen Beziehungen und Vertrauen entstehen können und Dialog und Zeugnis Raum finden. Großveranstaltungen haben ihren Sinn und Zweck eher in der Motivation von Christen oder für die christlich sozialisierten oder interessierten Menschen, werden aber die religiöse Suche vieler Menschen nicht beantworten können. Identifikation geschieht über das Vertrauen zu Menschen und nicht über perfekte Programme. Deshalb sind Begegnungsräume, Kleingruppen etc. wichtige inhaltliche Bestandteile einer Gemeindearbeit und nicht nur pädagogisches Beiwerk.

      Das Ziel von Gemeinde ist es nicht, Menschen nur zum Selbstzweck einzuladen, ihnen ein gutes Programm zu präsentieren oder sie zu einem Glaubensbekenntnis aufzurufen, sondern sie mit dem Herzen Gottes in Berührung zu bringen, das in unseren Beziehungen sichtbar wird.

       Zum Weiterdenken:

      • Lawrence J. Crabb, Connecting: Das Heilungspotential der Gemeinschaft – Ein radikal neuer Ansatz, die Kraftquellen Gottes zu entdecken, Brunnen, Basel

      • Erwin R. McManus, Eine unaufhaltsame Kraft – Gemeinde, die die Welt verändert, Gerth Medien/C & P, Asslar/Glashütten

      • Philip Yancey, Auf der Suche nach der perfekten Gemeinde, Projektion J, Asslar

       Warum ich als Christ nicht für schönes Wetter beten darf

      Ein großes Jugendtreffen, viele Jugendliche stehen unter einer großen Brücke, denn es regnet, nein, es schüttet wie aus Kübeln. Etwa 200 Meter weiter befindet sich die Veranstaltungshalle.

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