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wie ein Schwan. Ich war in das Wasser getreten, um sie zu empfangen, und als sie wieder emporstieg, umfaßte ich sie mit meinen Armen; aber da ereignete sich das Seltsamste! Sie zerfloß, sie zerrann wie der Schnee in den syrischen Bergen, wenn man ihn in die Hand nimmt, und doch anders, denn aus ihren Haaren wurden Wasserlilien, aus ihren Augen zwei blanke Fischchen, die munter fortschwammen, aus ihren Lippen zwei Korallenzweige, die schnell versanken, und aus ihrem Leibe ward ein Krokodil mit dem Kopfe des Mena, welcher mich lachend angrinste. Da erfaßte mich blinde Wuth, ich stürzte mit gezogenem Schwert auf ihn ein, er schlug seine Zähne in mein Fleisch, ich stieß ihm meine Waffe in den Rachen, der Nil verdunkelte sich durch unser strömendes Blut, und so kämpften wir miteinander und kämpften, – es dauerte eine Ewigkeit, – bis ich erwachte.«

      Der Wegeführer athmete tief bei den letzten Worten und es war, als ängstige ihn sein wilder Traum zum andern Male.

      Der Zwerg hatte ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört; aber es verstrichen mehrere Minuten, ehe er anhob:

      »Ein seltsamer Traum; doch kann die Deutung dem Kundigen nicht schwer fallen. Nefert strebt Dir zu, sie will die Deine werden, aber ob Du sie auch schon in Deinen Armen zu halten wähnst, so wird sie sich Dir entziehen, so wird Deine Hoffnung zerrinnen wie Eis und verwehen wie Sand, wenn Du nicht das Krokodil aus dem Wege zu räumen verstehst.«

      In diesem Augenblick stieß das Boot an die Landungsbrücke. Der Wegeführer sprang auf und rief:

      »Wir sind am Ziele!«

      »Wir sind am Ziele,« wiederholte der Kleine nachdrucksvoll. »Nur noch die schmale Brücke dort ist zu überschreiten!«

      Als Beide am Ufer standen, sagte der Zwerg:

      »Habe Dank für Deine Gastfreundschaft und wenn ich Dir dienen kann, so gebiete.«

      »Komm hierher,« rief der Wegeführer und zog Nemu mit sich fort unter den Schatten einer vom Dämmerlichte der scheidenden Sonne umwebten Sykomore.

      »Was meintest Du mit der Brücke, die wir zu überschreiten hätten? Ich verstehe die verblümten Reden nicht und verlange deutliche Worte.«

      Der Zwerg besann sich einen Augenblick und fragte dann:

      »Darf ich ohne Schleier, nackt und offen sagen, was ich meine, und willst Du nicht zürnen?«

      »Sprich!«

      »Mena ist das Krokodil. Schaffe ihn aus der Welt und Du hast die Brücke überschritten, denn Nefert wird Dein sein, – wenn Du mir folgst.«

      »Was soll ich thun?«

      »Schaff' den Rosselenker aus der Welt!«

      Paaker machte eine Bewegung, als wollte er sagen, das sei eine längst beschlossene Sache, und wandte dann der guten Vorbedeutung wegen sein Antlitz so, daß der aufgehende Mond zu seiner Rechten stand; der Zwerg aber fuhr fort:

      »Sichere Dir Nefert, damit sie nicht vor Dir zerfließe wie Deine Traumgestalt, eh' Du am Ziele bist: das heißt, löse die Ehre Deiner künftigen Mutter und Gattin ein, denn wie möchtest Du eine Gebrandmarkte in Dein Haus führen?«

      Paaker schaute nachdenklich zu Boden, Nemu aber sagte:

      »Darf ich der Herrin verkünden, daß Du sie retten willst? Ich darf?! Nun so wird Alles gut, denn wer für seine Liebe ein Vermögen hingibt, der wird sich nicht besinnen, für seine Liebe und seinen Haß zugleich eine Erzspitze und einen Rohrstab zu opfern!«

       Ende des ersten Bandes.

      Zweiter Band

       Inhaltsverzeichnis

      Erstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Die Sonne war untergegangen und nächtliches Dunkel bedeckte die Todtenstadt.

      Ueber dem Thale der Königsgräber glänzte der Mond und die Felsblöcke an den Schluchtwänden warfen scharf begrenzte Schatten. Schaurig still war die Einöde und doch wohl reicher belebt als in der Zeit des Mittags, denn nun schnellten sich wie schwarze Seidenfäden die Fledermäuse lautlos durch die Nachtluft, die Eule schwebte mit weit ausgespannten Flügeln im Aether und die Schakale huschten in kleinen Schaaren, einer dem andern folgend, an den Berglehnen hin. Von Zeit zu Zeit unterbrach ihr häßliches Gebell oder das wimmernde Lachen einer Hyäne die Stille der Nacht.

      Auch das Menschenleben war noch nicht zur Ruhe gekommen in dem Gräberthale.

      Ein mattes Licht schimmerte aus der Höhle der Zauberin Hekt und vor der Hütte des Paraschiten brannte ein Feuer, das die Großmutter der kranken Uarda dann und wann mit einem Stückchen getrockneten Düngers nährte.

      Zwei Männer saßen vor der Hütte und schauten schweigend in die mageren Flammen, deren unreiner Glanz von dem helleren Scheine des Mondes besiegt ward, während der Dritte, Uarda's Vater, einen großen Hammel, dem er den Kopf abgeschnitten hatte, ausweidete.

      »Wie die Schakale schreien!« sagte der alte Paraschit, indem er das zerrissene braune Baumwollentuch, welches er gegen die Kühlung und den Thau der Nacht umgelegt hatte, fester um seine nackten Schultern schlang.

      »Sie wittern das frische Fleisch,« entgegnete der Arzt Nebsecht. »Werft ihnen nachher die Eingeweide hin; die Schenkel und den Rücken mögt ihr braten. Schneide das Herz – das Herz behutsam aus, Soldat. Da ist es! Das Thier war groß.«

      Nebsecht nahm das Hammelherz in seine Hand und betrachtete es mit großer Aufmerksamkeit. Der alte Paraschit schaute ihn dabei ängstlich an und sagte:

      »Ich habe Dir versprochen, für Dich zu thun, was Du verlangst, wenn Du die Kleine herstellst; aber Du forderst Unmögliches.«

      »Unmögliches?« fragte der Arzt. »Warum Unmögliches? Du öffnest die Leichen, Du gehst aus und ein im Hause der Balsamirer. Mach' Dir bei den Kanopen 99 zu schaffen. Lege dieß Herz in den Krug und nimm dafür das eines Menschen heraus. Niemand – Niemand wird es bemerken. Es braucht auch nicht gleich morgen zu sein oder übermorgen. Warte auf eine passende Gelegenheit. Jeden Tag mag Dein Sohn für mein Geld einen Hammel kaufen und ihn schlachten, bis es glückt. Deine Enkelin wird sich bald kräftigen bei guter Fleischkost. Sei muthig!«

      »Ich fürchte mich nicht vor der Gefahr,« sagte der Alte, »aber wie darf ich einem Verstorbenen das Leben im Jenseits stehlen! Und dann! In Elend und Schande hab' ich gelebt und der Jahre sehr viele – Niemand hat sie für mich nachgezählt – die Gebote befolgt, um in jener Welt gerecht befunden zu werden und im Gefilde Aalu 100 und in der Sonnenbarke Ersatz zu finden für Alles, was ich hier entbehrte. Du bist gut und freundlich. Wie magst Du um einer Laune willen die Seligkeit eines Mannes opfern, der in seinem langen Leben das Glück nicht gekannt und der Dir nichts Uebles angethan hat?«

      »Was ich mit dem Herzen will,« gab der Arzt zurück, »das kannst Du nicht verstehen, aber wenn Du es mir schaffst, so förderst Du einen großen und nützlichen Zweck. Launen hab' ich nicht, denn ich bin kein Müßiggänger. Und was Deine Seligkeit angeht, so sei unbesorgt. Ich bin ein Priester und nehme Deine That und ihre Folgen auf mich; auf mich, hörst Du. Ich sage Dir als Priester, gut ist, was ich von Dir fordere, und wenn die Todtenrichter Dich fragen: ›Warum nahmst Du das Herz eines Menschen aus der Kanope?‹ so gib – gib ihnen zur Antwort: ›Weil Nebsecht, der Priester, es mir befahl und die Verantwortlichkeit für diese That auf sich zu nehmen versprach.‹«

      Der Alte schaute sinnend zu Boden; der Arzt aber fuhr dringender fort:

      »Und wenn Du meinen Wunsch erfüllst, dann, dann, ich schwöre Dir's, dann trag' ich Sorge, daß man, wenn Du stirbst, Deine Mumie mit allen Amuleten ausrüstet, und ich schreibe Dir selbst ein Buch vom Hinausgang in den Tag 101 und laß es Dir in die Mumienbinden 102 wickeln, wie einem Großen. Das wird Dir Kraft

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