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das dicht bei dem Schutzdache der Kranken lag, der ängstliche Schrei eines Kindes hören ließ und bald darauf ein Knabe hervortrat, der in seiner hoch erhobenen Hand einen kleinen Kuchen hielt, welchen ihm der Hofhund, der ihn wohl zu kennen schien, zur Hälfte entrissen hatte.

      »Wie kommst Du hieher, Scherau?« fragte Paraschit das weinende Kind, den jungen Unglücklichen, welchen die alte Hekt zum Zwerg erzog.

      »Ich wollte,« schluchzte der Kleine, »ich wollte Uarda den Kuchen bringen. Sie ist krank und ich hatte so viel . . .«

      »Armes Kind,« sagte der Paraschit und streichelte das Haar des Kleinen, »da, gib ihn der Uarda.«

      Scherau näherte sich der Leidenden, kniete neben ihr nieder und flüsterte mit strahlenden Augen:

      »Da nimm. Er ist gut und sehr süß, und wenn ich wieder einen Kuchen bekomme und Hekt läßt mich hinaus, so bring' ich ihn Dir.«

      »Ich danke Dir, Du guter Scherau,« sagte Uarda und küßte das Kind. Dann wandte sie sich an Pentaur und sprach: »Seit Wochen hat er nichts bekommen als Papyrusmark 86 und Lotosbrod 87, und nun bringt er mir den Kuchen, den die Mutter gestern der alten Hekt mit nach Hause gab.«

      Das Kind ward über und über roth und stammelte:

      »Er ist nur noch halb; aber ich hab' ihn nicht angerührt; euer Hund riß dieß Stückchen hier ab und dieses.« Dabei tippte er auf den Honig und führte den Finger an seine rothen Lippen. »Ich warte schon lange hinter dem Schilf, denn ich getraute mich nicht vor wegen der fremden Herren dort.« Er wies auf den Arzt und Pentaur und rief dann: »Aber nun muß ich nach Hause.«

      Das Kind wollte sich entfernen, Pentaur trat ihm aber in den Weg, schwang es auf seinen Arm, küßte es und sagte, indem er sich an den Arzt wandte:

      »Die waren weise, die dem Horus, der dem Guten den Sieg verschafft über das Böse und dem Reinen über das Unreine, die Gestalt eines Kindes liehen! Sei gesegnet, Du kleiner Gesell, bleibe gut und gib nur immer hin, was Dein ist. Dabei wird Dein Haus nicht reich werden, aber Dein Herz!«

      Scherau schmiegte sich an den Priester und unwillkürlich erhob sich seine kleine Hand, um die Wange desselben zu streicheln.. Eine Zärtlichkeit ohne Gleichen hatte ihn erfaßt und es war ihm, als sollte er seine Aermchen um des Dichters Hals schlingen und sich an seiner Brust ausweinen.

      Pentaur stellte ihn wieder auf den Boden und er trippelte in das Thal hinab. Dort blieb er stehen. Die Sonne stand schon beinah in der Mittagshöhe und er mußte in die Höhle der Zauberin und zwischen seine Bretter zurück; aber er wäre so gern weiter gegangen, nur bis zu dem für den König angelegten Grabe.

      Dicht bei dem Thore desselben stand ein Schutzdach von Palmenzweigen und unter diesem pflegte der Bildhauer Batau, ein hochbetagter Greis, zu rasten. Der Alte war taub, aber er galt mit Recht für den ersten Künstler seiner Zeit, er hatte die köstlichen Darstellungen und Hieroglyphenreihen in den Prachtbauten Seti's zu Abydos und Theben, sowie in desselben Fürsten Gruft entworfen und nun arbeitete er an dem Schmuck der Wände in dem Grabe des Ramses.

      Scherau hatte sich oft in seine Nähe geschlichen, seiner Arbeit andächtig zugeschaut und dann selbst versucht, aus einem Stückchen Thon thierische und menschliche Figuren zu gestalten.

      Eines Tages war er von dem Greise bemerkt worden.

      Schweigend hatte ihm der Alte sein bescheidenes Werk aus der Hand genommen und es ihm beifällig lächelnd zurückgegeben.

      Seitdem erwuchs ein eigenthümliches Verhältniß zwischen den Beiden. Scherau durfte sich neben dem Bildhauer niederlassen und die von dem Letztern vollendeten Bildwerke nachformen. Dabei ward kein Wort gewechselt; aber manchmal vernichtete der taube Greis die Arbeit des Kleinen, manchmal verbesserte er sie mit einem Druck seiner Finger und nicht selten nickte er ihm beifällig zu.

      Wenn er ausblieb, so vermißte ihn sein Lehrer und Scherau's schönste Stunden waren diejenigen, welche er an seiner Seite verlebte.

      Es blieb ihm unverwehrt, Thon mit nach Hause zu nehmen. Dort formte er hinter dem Rücken der alten Hekt mancherlei Bildwerk, das er vernichtete, sobald es vollendet war.

      Wenn er auf seinem Marterbette lag, so suchte er mit den ungefesselten Händchen die mancherlei Gestalten nachzuformen, welche in seiner Vorstellung lebten, und bei diesem künstlerischen Schaffen vergaß er die Gegenwart, und sein bitteres Loos gewann einen Beigeschmack von süßem Glück.

      Heute war es so spät geworden, daß er seinen Besuch der Ramses Gruft aufgeben mußte.

      Noch einmal wandte er sich der Hütte zu, dann eilte er in die schwarze Höhle.

      Vierzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Auch Pentaur verließ bald die Hütte des Parasiten..

      Nachdenklich betrat er den Bergpfad, welcher zu dem Tempel 88 führte, dessen Leitung ihm Ameni übertragen hatte.

      Unerfreuliche und schwere Stunden sah er nahen.

      Das Heiligthum, dem er vorstand, war von der der entthronten Dynastie angehörenden Königin Hatasu 89 ihrem eigenen Gedächtniß und der Göttin Hathor geweiht worden.

      Die Priester, welche es bedienten, befanden sich im Besitz von eigentümlichen, verbrieften Vorrechten, welche bisher streng berücksichtigt worden waren. Ihre Würde war erblich, ging von dem Vater auf den Sohn über und sie durften ihre Leiter aus ihrer eigenen Mitte wählen.

      Nun war ihr Vorsteher Rui tödtlich erkrankt und Ameni, dem die Oberaufsicht über sie zustand, hatte ihnen, ohne sie zu befragen, den jungen Pentaur an seiner Stelle gesandt.

      Unwillig nahmen sie den Eindringling auf und fest schlossen sie sich gegen ihn zusammen, als es sich zeigte, daß er ein strenges Regiment zu führen und viele unter ihnen zur Gültigkeit gelangte Mißbräuche abzustellen Willens sei.

      Die Begrüßung der aufgehenden Sonne hatten sie den Tempeldienern übertragen; Pentaur verlangte, daß wenigstens die Jüngeren an dem Gesange des Morgenhymnus theilnähmen, und leitete selbst die Chöre. Mit den reichen auf den Altar der Göttin gelegten Opfern hatten sie Handel getrieben, ihr neuer Meister wehrte diesem Mißbrauche, sowie den Erpressungen, die sie sich gegen geängstigte Frauen zu Schulden kommen ließen, welche den Tempel der Hathor zahlreicher als irgend ein anderes Heiligthum besuchten.

      Der Dichter, im Setihause zur Strenge gegen sich selbst, zu Ordnung, Pünktlichkeit und reinen Sitten erzogen, tief durchdrungen von der Würde seines Standes und gewöhnt, mit besonderem Eifer gegen Trägheit des Körpers und Geistes zu Felde zu ziehen, fühlte sich angewidert von dem Schlaraffenleben und dem trügerischen Treiben seiner Untergebenen und beschloß mit um so feurigerem Eifer, hier ein neues Leben zu erwecken, je tiefere Einblicke ihm der gestrige Tag in das Elend und die Sorge des menschlichen Daseins gewährt hatte.

      Die Ueberzeugung, daß die träge Schaar, der er vorstand, berufen sei, in tausend beängstigte Herzen Trost zu gießen, unzählige Thränen zu trocknen und das dürre Holz der Hoffnungslosigkeit mit frischem Grün zu bekleiden, drängte ihn zu kräftigem Handeln.

      Gestern hatte er gesehen, wie seine Untergebenen den Klagen der verlassenen Ehefrau, des betrogenen Mädchens, des den ihr versagten Kindersegen erflehenden Weibes, der sorgenvollen Mutter und der vereinsamten Wittwe mit kühler Gleichgültigkeit zuhörten, nur bedacht, das Unglück auszunützen, um Geschenke für die Göttin Hathor, oder besser für ihre eigenen Taschen und Bäuche zu erpressen.

      Jetzt näherte er sich wiederum dem Schauplatze seiner neuen Thätigkeit.

      Da lag das ehrwürdige Heiligthum, vom Thale aus in vier Terrassen stattlich ansteigend, im Westen gelehnt an die halbrunde, himmelhohe Wand des steilen gelblichen Kalkgebirges, schön und eigentümlich gegliedert.

      An den sauber gefügten Unterbauten prangten in den Stein gemeißelte riesige Sperber mit dem

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