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die aus dem Euter der Hathorkuh die Milch des ewigen Lebens empfing.

      Er hatte kaum Platz genommen, als ihm ein Neokore 95 die Ankunft einer verschleierten vornehmen Frau verkündete. Die Träger ihrer Sänfte waren tief verhüllt und sie hatte verlangt, in den Beichtraum geführt zu werden.

      Der Diener überreichte Pentaur ein Zeichen, durch welches ihr der Oberpriester des großen Amonstempels am andern Nilufer das Vorrecht zusprach, mit den Rechiu 96 die inneren Räume des Tempels zu betreten und mit allen Priestern, ja sogar mit den höchsten unter den Geweihten, zu verkehren.

      Der Dichter zog sich hinter einen Vorhang zurück und erwartete die Fremde mit einer Unruhe, die ihm um so befremdlicher erscheinen mußte, je öfter er sich in ähnlicher Lage befunden hatte. Selbst die vornehmsten Würdenträger waren ihm von Ameni überwiesen worden, wenn sie sich, um dort ihre Traumgesichte deuten zu lassen, in das Setihaus begeben hatten.

      Eine hohe Frauengestalt betrat das stille, schwüle steinerne Gemach, ließ sich auf die Kniee nieder und betete lange und tief in sich versunken vor dem Bilde der Hathor. Auch Pentaur erhob, von Niemand gesehen, seine Hände und wandte sich inbrünstig an den das All erfüllenden Geist mit der Bitte um Kraft und Reinheit.

      Als er seine Arme sinken ließ, richtete die Frau ihr Haupt in die Höhe. Es war, als hätten sich die Gebete der Beiden vermählt, um gemeinsam aufwärts zu steigen.

      Jetzt erhob sich die Verhüllte und ließ ihren Schleier sinken.

      Es war Bent-Anat.

      Sie hatte in der Erregung ihrer Seele die Göttin Hathor aufgesucht, die den Schlag des weiblichen Herzens leitete und die Fäden wob, welche Mann und Weib verbinden.

      »Hohe Herrin des Himmels, vielnamige und schöngesichtige,« begann sie laut zu beten, »goldene Hathor, die Du den Schmerz kennst und die Wonne, die Gegenwart und die Zukunft, nahe Du Deinem Kinde und führe den Geist Deines Dieners, daß er mir rathe. – Die Tochter eines Vaters bin ich, der groß ist und edel und wahrhaftig wie einer der Götter. Er räth mir, – nicht will er mich zwingen, einem Manne zu folgen, den ich nimmer zu lieben vermag. Doch ein Anderer ist mir begegnet, schlicht von Geburt, aber groß an Geist und Gaben . . .«

      Bis dahin hatte Pentaur, keines Wortes mächtig, der Prinzessin zugehört.

      Sollte er verborgen bleiben und ihr Geheimniß erlauschen, sollte er hervortreten und sich ihr zeigen? Sein Stolz rief laut in ihn hinein: Jetzt nennt sie deinen Namen, du bist der Erwählte der Schönsten und Größten; aber eine andere Stimme, auf die er sich in schwerer Selbsterziehung zu hören gewöhnt hatte, erhob sich und sagte: »Laß die Unwissende nichts sagen, dessen die Wissende sich zu schämen hätte.«

      Er erröthete für sie, theilte den Vorhang und trat Bent-Anat entgegen.

      Erschrocken wich die Prinzessin zurück und fragte:

      »Bist Du Pentaur oder der Himmlischen einer?«

      »Ich bin Pentaur,« sagte er fest, »ein Mensch mit allen Schwächen seines Geschlechts, aber mit dem Willen zum Guten. Verweile hier und schütte Deine Seele aus vor unserer Göttin; mein ganzes Leben soll ein Gebet sein für Dich!«

      Der Dichter blickte sie voll an und wandte sich so schnell, als habe er einer Gefahr auszuweichen, dem Ausgange des Beichtzimmers zu.

      Bent-Anat rief seinen Namen und er hemmte seinen Fuß.

      »Des Ramses Tochter,« sagte sie, »bedarf keiner Rechtfertigung wegen ihres Ganges hieher, aber das Mädchen Bent-Anat,« und bei diesen Worten erröthete sie, »vermuthete nicht Dich, sondern den alten Rui hier zu finden und es verlangte sie nach seinem Rath. Jetzt laß mich beten!«

      Bent-Anat sank auf die Kniee und Pentaur trat in's Freie.

      Als auch die Prinzessin den Beichtraum verlassen hatte, ließen sich an der Südseite der Terrasse, auf welcher sie stand, laute Stimmen vernehmen.

      Sie eilte an die Brüstung.

      »Heil Pentaur!« rief es von unten herauf.

      Der Dichter stürzte herzu und stellte sich neben die Königstochter.

      Beide blickten in das Thal hernieder und wurden von Allen gesehen.

      »Heil Pentaur!« rief es nun doppelt laut. »Heil unserem Lehrer! Kehre zurück in's Setihaus. Nieder mit den Verfolgern des Pentaur! Nieder mit unseren Unterdrückern!«

      An der Spitze der Jünglinge, welche, nachdem sie erfahren hatten, wohin der Dichter verbannt worden sei, aus dem Setihause entwichen waren, um ihm zu sagen, daß sie treu an ihm hingen, standen der Prinz Rameri, der seiner Schwester triumphirend zuwinkte, und der junge Anana, welcher hervortrat, um in einer feierlichen und wohleinstudirten Anrede dem verehrten Meister mitzutheilen, daß sie, im Falle sich Ameni weigern sollte, ihn in's Setihaus zurückzurufen, entschlossen wären, ihre Väter zu ersuchen, sie in eine andere Schule zu versetzen.

      Der junge Gelehrte sprach gut und Bent-Anat folgte nicht ohne Beifall seiner Rede; Pentaur aber schaute immer finsterer drein und ehe sein Lieblingsschüler seine Rede zu Ende geführt hatte, unterbrach er ihn mit ernsten Worten.

      Seine Stimme klang erst verweisend, dann grollend, und so laut er sie auch erhob, so mischte sich doch in seine Worte kein Zorn, sondern Schmerz.

      »Wahrlich,« so schloß er, »jedes Wort, das ich jemals zu euch gesprochen, möcht' ich beklagen, wenn es euch den Muth zu dieser unbesonnenen That stärkte. Ihr seid in Palästen geboren; lernet gehorchen, damit ihr später befehlen könnt. Zurück in die Schule! Ihr zaudert? Wahrlich, so tret' ich euch mit meinen Wächtern entgegen und treibe euch, die ihr mir und euch durch solche Liebesbeweise wenig Ehre bringt, in die Schule zurück, wohin ihr gehört!«

      Die Schüler wagten keine Entgegnung, sondern wandten sich erstaunt und enttäuscht zur Umkehr.

      Bent-Anat schlug ihre Augen nieder, als sie dem Blick ihres die Achseln zuckenden Bruders begegneten, und schaute halb scheu, halb achtungsvoll zu dem Dichter, bald aber von Neuem in die Ebene hin, denn dichte Staubwolken wirbelten auf, Hufschlag und Rädergerassel ließ sich vernehmen und in derselben Minute hielt der Wagen Septah's, des ersten der Horoskopen, und ein Fuhrwerk mit den schwerbewaffneten Sicherheitswächtern des Setihauses bei der Terrasse.

      Der eifrige Greis sprang schnell auf den Boden, rief die Schaar der entflohenen Zöglinge mit strengen Worten an, gab der Wachtmannschaft den Befehl, sie in die Schule zurückzuführen, und eilte wie ein heftiger Jüngling dem Tempelthore zu.

      Die Priester empfingen ihn mit tiefer Ehrerbietung und trugen ihm sogleich ihre Klagen vor.

      Er hörte sie beifällig an, ließ sie aber nicht ausreden, sondern stieg mühsam, aber schnell die Stufen hinan, auf denen ihm Bent-Anat entgegenkam.

      Die Prinzessin fühlte, daß sie sich, wenn der Horoskop sie erkenne, dem Tadel und der Mißdeutung aussetzen werde. Ihre Hand streckte sich nach ihrem dichten Schleier aus, aber sie zog sie schnell zurück, schaute dem Alten mit ruhiger Würde in das zornig blickende Auge und schritt stolz an ihm vorüber.

      Der Horoskop verneigte sich, ohne sie zu segnen, und befahl, nachdem er Pentaur auf der zweiten Terrasse gefunden hatte, den Tempel von Betern zu säubern.

      Dieß war in wenigen Minuten geschehen und die Priester wurden Zeugen des peinlichsten Auftrittes, welcher sich seit Jahren in ihrem stillen Heiligthum ereignet hatte.

      Der erste der Horoskopen des Setihauses war der schroffste Gegner des früh in das Mysterium eingeführten Dichters, dessen kühner Geist nicht selten an den alten Schranken rüttelte, an deren Festigung der eifrige Greis von Jugend an aus Ueberzeugung gearbeitet hatte. Die ärgerlichen Vorfälle, deren Zeuge er im Setihause und vor wenigen Minuten allhier gewesen war, hielt er für Folgen des zügellosen Sinnes eines irregehenden Phantasten und mit harten Worten machte er Pentaur verantwortlich für den »Aufstand« der Schüler.

      »Wie unsere Knaben,« rief er, »so hast Du die Tochter des Ramses verführt. Noch ward die Unreinheit nicht von ihr genommen, und doch lockst Du sie zum Stelldichein nicht

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