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den (Gelegenheits-)Beschäftigten mit Argumenten wie Selbstbestimmung und Autonomie und einer Rhetorik der Vergemeinschaftung kompensiert. Analog zu den Zuschreibungen, wie sie für die political correctness beobachtet werden können, die Trabant (2017) als „Sprachwaschmaschine“, Merle (2001, 8) als art de l’esquive und Canobbio (2009, 40) als abile maquillage linguistico bezeichnen, beobachten wir im Bereich der digitalen Plattformwirtschaft, in der Unternehmen als Vermittler von Dienstleistungen auftreten, ein rimodellamento del lessico e delle sue regole d’uso (Canobbio 2009, 36). Zu bedenken ist jedoch, dass die neuen Begriffe nicht in jedem Fall der eindeutigen Kommunikation zuträglich sind. Vielmehr erfolgt eine Verschleierung, die im Dienste der Euphemisierung steht, und die es näher zu beschreiben gilt. In diesem Sinne versteht sich der Beitrag als Fallstudie, in der die italienischen und französischen Begrifflichkeiten und Benennungsmuster, die im Zusammenhang mit dem digitalen Arbeitsmarkt aufkommen, beleuchtet und systematisiert werden.

      Im Zentrum der Untersuchung steht der Sprachgebrauch auf den beiden Plattformen DELIVEROO und FOODORA. Es handelt sich hierbei um Online-Lieferdienste, über die die Kunden mit Gerichten aus verschiedenen Partner-Restaurants beliefert werden können.

      2 Zum Neologismus ubériser / ubérisation / uberizzare / uberizzazione

      Der Begriff uberiser, dessen Graphie bezüglich des accent aigu noch instabil ist, wurde von Maurice Lévy in einem Interview gegenüber der Financial Times im Dezember 2014 erstmalig verwendet. Maurice Lévy wird zitiert mit den Worten: Tout le monde a peur de se faire ubériser.1 Im Robert illustré (2017, 1985) wird zum Lemma ubériser folgende Definition gegeben:

      ubériser v. tr. (de Uber, nom d’une start-up) Transformer (un secteur d’activité) avec un modèle économique innovant tirant parti du numérique. Start-up qui ubérise le secteur de l’hôtellerie. n.f. ubérisation.

      Bemerkenswert an dieser Stelle ist die Tatsache, dass im Journal Officiel vom 28.07.2001 zwei Äquivalente zu start-up gegeben werden: jeune pousse und entreprise naissante.2 Dass in semantischer Hinsicht bezüglich des Begriffs uberiser Klärungsbedarf besteht, veranschaulicht ein Presseartikel im Figaro am 9.11.2015 mit dem Titel Ce que cache exactement le nouveau mot «ubérisation»3:

      Le néologisme créé à partir du nom de l’entreprise de VTC a submergé les médias et l’univers du numérique ces derniers mois. Sa définition varie pourtant d’un interlocuteur à un autre et le terme possède autant de nuances que de détracteurs. / J’ubérise, tu ubérises, il ubérise… À lire certains médias et à entendre les acteurs du numérique français, tout est ubérisable – si ce n’est pas déjà ubérisé. L’économie, la politique […] sont autant de secteurs où l’ubérisation serait en marche. Les uns vantent son avènement quand les autres mettent en garde contre ses dangers. Elle passionne autant qu’elle divise. Mais surtout, elle intrigue. Que signifie donc ce néologisme barbare?

      Der Begründer der Namensagentur Nomen, Marcel Botton, äußert sich im oben erwähnten Zeitungsartikel wie folgt zum Potenzial des Begriffs ubérisation: „Le terme ‚ubérisation‘ constitue une gigantesque campagne de communication dont Uber profite, sans débourser un sou.“ Auch im Treccani wird uberizzazione definiert und anhand von Pressebelegen kontextualisiert:

      Derivato dal nome d’azienda Uber con l’aggiunta del suffisso -izzazione.

      s. f. 1. Trasformazione di servizi e prestazioni lavorative continuativi, propri dell’economia tradizionale, in attività svolte soltanto su richiesta del consumatore o cliente. 2. Adozione o imitazione del modello di attività economica caratteristico della multinazionale Uber.4

      Gegenüber der Definition, die im Robert Illustré für das Französische gegeben wird, fehlt hier allerdings das Argument der Plattformisierung. Für das deonomastische Substantiv uberizzazione gibt es in Überschriften und im Fließtext von Presseartikeln zahlreiche Belege. Exemplarisch seien die Folgenden angeführt: „Uberizzazione unica via.“ (Foglio.it, 11.01.2016)5; „[…] il pericolo vero non è l’uberizzazione del terziario bensì la sua mutazione ad opera di un inedito motore di fiducia.“ (Corriere di Bologna.it, 11.07.2016)6

      Der Begriff ubérisation taucht inzwischen als Titel in wirtschaftlichen Publikationen auf, so in Uberisation = Économie déchirée? von Teboul und Picard (2015) oder in Uberisation: Un ennemi qui vous veut du bien? von Jacquet und Leclercq (2016). Darüber hinaus gibt es in Orcemont ein Observatoire de l’ubérisation. Schließlich wird der Name Uber in kreativer Weise zur Bildung weiterer Namen verwendet, wie die Reihe UberFresh, UberCargo und UberKittens zeigt.7

      Nur am Rande sei auf einen historischen Vorläufer der Zuschreibung eines Begriffes der Wirtschaftssprache als „barbarisch“ hingewiesen, wie dies im oben genannten Artikel des Figaro geschieht. In ihrem puristischen Wörterbuch aus dem Jahr 1877 Lessico dell’infima e corrotta italianità (1877-1881) richten sich Pietro Fanfani und Costantino Arlìa gegen die Einflüsse aus dem Französischen sowie zahlreiche bürokratische Ausdrücke. Exemplarisch sei der Eintrag zu monopolizzare vorgestellt:

      MONOPOLIZZARE: È voce barbara, cara agli scrittori di Economia; per es.: Il Governo dovrebbe impedire, che sotto il pretesto della libertà di commercio due, tre monopolizzino tutto il grano. […]. Metti incettare, Fare incetta, e sarà il parlare proprio e regolare. (Fanfani / Arlìa 1890, 357)

      3 Der Sprachgebrauch der Gig-Economy

      Im Rahmen der Betrachtung des Sprachgebrauchs auf den beiden Plattformen DELIVEROO und FOODORA sei der Blick zunächst auf die Bezeichnungen der Fahrrad-Kuriere gerichtet. Im Französischen wird auf beiden Plattformen der Begriff coursier verwendet. Im Larousse wird eine Definition angegeben, die die Übersetzung mit ‚Laufjunge‘ nahelegt:1 „Employé chargé des diverses courses à faire en ville pour une administration, un commerçant, un atelier etc. Le féminin coursière est rare.“ Die gleiche Bedeutung wird auch im TLFI angegeben.2 Im Petit Robert wiederum wird der Begriff in dieser Bedeutung nicht aufgeführt. Die neosemantisierte Form findet auch Eingang in Komposita, so in coursiers partenaires. Darüber hinaus werden die Kuriere bei DELIVEROO als biker(s) bezeichnet. Im Petit Robert wird dieser Begriff zwar aufgeführt, allerdings als Ableitung von amer. Engl. bike « moto, bécane » und somit anderer Bedeutung (Étym. 1987).3 Im Larousse sowie im TLFI wird biker nicht erfasst.

      Im Italienischen wird auf beiden Plattformen der Begriff rider verwendet, mitunter mit dem Firmennamen als determinierender Konstituente: rider FOODORA. Rider ist in diesem Jahr als Neologismus im Treccani aufgenommen worden.4

      rider s. m. e f. Fattorino che si sposta a bordo di una bicicletta equipaggiata per la consegna a domicilio degli articoli acquistati dai clienti; ciclofattorino. […] Dall’ingl. rider (‚chi va a cavallo, in bicicletta, in motocicletta‘), con una evidente restrizione e specializzazione di significato rispetto alla voce ingl.

      Im Zingarelli ist rider nicht erfasst bzw. nur die Kollokation free rider. Zu rider besteht – insbesondere im pressesprachlichen Gebrauch5 – das Synonym ciclo­fattorino, das der Treccani ebenfalls als Neologismus verzeichnet.6 Im Zingarelli wird diese Neubildung noch nicht erfasst. Mit coursier, biker und rider sind drei der vier Bezeichnungen der Kuriere durch Bedeutungsverschiebung gegenüber einer eigenen oder fremdsprachlichen Form entstanden. Eine ausdrucksseitige Innovation ist lediglich ciclofattorino.

      Zentrales Argument bei der Akquise der Fahrradkuriere ist das Versprechen von Flexibilität und Autonomie. Dies geht so weit, dass Autonomie als Profileigenschaft gefordert wird. Bei FOODORA wird unter den Anforderungen, die an die Mitarbeit gestellt werden, Folgendes genannt: être autonome. Die Belege sehen für die beiden Plattformen DELIVEROO (D) und FOODORA (F) im Einzelnen wie folgt aus:

      Französisch:

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